Archiv


"Ägyptens versunkene Schätze"

Im Martin-Gropius-Bau in Berlin ist ab kommenden Samstag die Ausstellung "Ägyptens versunkene Schätze" zu sehen: 500 Artefakte von der Statue bis zu Goldmünze, die der französische Unterwasserärchäologe Franck Goddio vor zehn Jahren aus dem Schlamm des antiken Hafens von Alexandria geborgen hat. Goddio ist der Prototyp des Archäologen von Morgen, er ist ein "Indiana Jones" der Meere.

Von Carsten Probst |
    Wenn nicht alles täuscht, dann ist Franck Goddio tatsächlich ein Prototyp für den Archäologen von morgen. Der gelernte Statistiker und Mathematiker, der sich zunächst auf den Finanzmärkten der Welt tummelte und kurz vor einer Karriere bei der Weltbank stand, hat irgendwann beschlossen, sein Tauch-Hobby zu seiner Art Kreativberuf zu machen.

    Anfangs war er einer dieser Tausenden von ambitionierten Hobbytauchern, die illegal und auf eigenes Risiko nach versunkenen Schiffen und Ruinen forschen, um vielleicht sogar einen Glücksfund zu machen, den man dann auf dem blühenden Markt für Altertümer absetzen kann. Sein Gespür führte ihn allerdings immer wieder ausgerechnet an die Orte, an denen Dinge zu finden waren, die man nicht so einfach mit nach Hause nimmt, weil sie zum Kulturgut der jeweiligen Länder, also den Regierungen gehören.

    So ging es ihm schon 1997 mit einer chinesischen Dschunke vor den Philippinen, die mit Keramik aus der Ming-Dynastie beladen war oder zwei Jahre darauf mit Napoleons Flotte, die in der Schlacht von Abukir von Admiral Nelson versenkt worden war. Und gleich in der Nähe, nämlich an der ägyptischen Küste bei Abukir, entdeckte er kurz darauf ein paar antike Münzen im Schlick, die sich wenig später als erste Spur bei der Entdeckung der langgesuchten antiken Hafenstädte Heraklion und Kanopus herausstellten.

    Klassische Archäologen nennen Goddio gern einen Glücksritter, zum einen natürlich aus Neid, zum anderen aber, weil sich der Quereinsteiger niemals mit den wissenschaftlichen Mühen der Zunft auseinandergesetzt oder um historische Forschung im engeren Sinn bemüht hat. Die Ausstellungen und Publikationen Goddios bedienen eher die Kaffeekränzchen und die Popkultur eines sensationsgeilen Ausstellungsbetriebes, anstatt solide und dafür eher unauffällig Wissenschaft zu treiben. Aber das entspräche auch nicht Goddios Temperament, der während der Berliner Weltpremiere seiner Ägyptenfunde wie ein Showmaster zwischen den Skulpturen und Vitrinen herumwirbelt und gern die Fundgeschichte jedes einzelnen der 500 Exponate zum Besten geben würde.

    Er weiß natürlich, dass die mystische und operettenhafte Unterwasser-Inszenierung des Ganzen die meisten Leute viel mehr interessiert als der historische Wert der Funde. Und die Berliner Ausstellung bedient sich daher auch konsequent jener schummrigen und leise vor sich hingluckernden Tiefseeatmosphäre, mit der sonst eher Shows mit Titanic-Porzellan um die Welt tingeln.

    Der konsequent populistische Ansatz findet seine Legitimation darin, dass Goddio auf diese Weise Gelder für seine Projekte einsammelt, die normale Universitäten in heutigen Zeiten leerer Kassen kaum mehr aufbringen können. Dass man ihn deshalb auch schon als "Indiana Jones der Meere" bezeichnet hat, lässt ihn mittlerweile nur noch milde lächeln, schließlich ja auch ist nichts erfolgreicher als der Erfolg.

    Die Entdeckung Heraklions und Kanopus’ sowie des antiken Hafens von Alexandria, nach denen jahrhundertelang vergeblich gesucht worden ist und deren Existenz zuweilen sogar bezweifelt wurde, ist aber auch tatsächlich ein Stoff, aus dem nicht nur die Träume der Archäologen sind. Das hat etwas von der Auffindung von Atlantis oder Vineta, und man schaut dabei zunächst darüber hinweg, dass Goddios Funde aus der Zeit zwischen 700 v. Chr. und 800 n. Chr. nicht mehr zur ägyptischen Hochkultur gerechnet werden können, sondern zu einer Zeit, da sich eine Vermischung zunächst mit der griechischen, dann der römischen und altchristlichen Kultur ergab.

    Es gibt hier keine Sensationsfunde im wissenschaftlichen Sinn zu bestaunen, durch die die Kunstgeschichte umgeschrieben werden müßte. Gleichwohl gibt es wunderschöne und einzigartige Exponate zu besichtigen. Neben der spektakulären, weil bruchlos erhaltenen Stele von Heraklion sind es vor allem die Figuren des ägyptischen Hellenismus, die verzaubern.

    Der grandiose Torso der ptolemäischen Königin Arsinoe zählt dazu ebenso wie die über fünf Meter hohen Kolossalstatuen des Nilgottes Hapi und einer Ptolemäischen Göttin oder die an religiöser Innigkeit kaum zu übertreffende Votivfigur eines Pristers, der in seinen in sein Gewand geschlungenen Händen eine heilige Osiris-Statue umfasst und sie zart an seinen Wange drückt.

    Mag also die Inszenierung ein ambivalentes Vergnügen sein – die zutage geförderten Werke erzeugen selbst schon eine atmosphärische Dichte und Intensität, die für sich schon die stärksten Eindrücke produziert. Auch mit, oder besser: trotz aller zeitgeistigen Unterwassermystik.