Archiv


Äpfel und Birnen?

Das Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung hat in dieser Woche erneut sein jährliches Hochschulranking veröffentlicht. Rankings sollen Studierenden dabei helfen, den geeigneten Studienort herauszufinden. Ob sie dafür aber wirklich geeignet sind, das sieht zumindest der Darmstädter Soziologe Professor Michael Hartmann skeptisch.

Moderation: Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Für die Biologie heißt es: ab nach Konstanz oder Jena. Bielefeld wäre in Ordnung für Erziehungswissenschaften, die FU Berlin auch nicht schlecht, Freiburg und Tübingen sind spitze für Geisteswissenschaften, Ingenieure fühlen sich in Karlsruhe gut aufgehoben. Soweit in Kurzform die jüngsten Ergebnisse des jüngsten Rankings des CHE, des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh. Professor Michael Hartmann ist Soziologe an der TU Darmstadt und sagen wir vorsichtig: kein uneingeschränkter Verfechter der Ranking-Manie. Für wen sind denn die Ranking-Infos eigentlich wichtig?

    Michael Hartmann: Sie sollen wichtig sein für Studierende zur Orientierung, soweit es diese allgemeinen Rankings angeht, und für die Hochschulen, wenn es die Forschungsrankings betrifft. Ich persönlich bin skeptisch in beiderlei Hinsicht. Es gibt sicherlich Unterschiede zwischen den verschiedenen Rankings - also das vom CHE ist sicherlich ein vergleichsweise solide Gemachtes, es gibt sehr viel schlechtere Rankings. Aber es gibt eine Unmenge an Rankings mit unterschiedlichen Fragestellungen, die auch verschiedene Aspekte erfassen.

    Ich will es mal an ein paar Beispielen klarmachen, wie kompliziert das ist. Also eine relativ simple Sache, die Bibliotheksausstattung ist ein wesentlicher Faktor beim CHE-Ranking, ist für Studierende auch eine wichtige Information. Sie können relativ einfach erfassen, wie viel Stunden eine Bibliothek geöffnet hat. Das ist wichtig und auch eine Information, die für Studierende eine Orientierung bietet. Wie viel aktuelle Bücher eine Bibliothek enthält, aus welchen Bereichen diese aktuellen Bücher stammen und solche mindestens genauso wichtigen Fragen, können Sie schon nicht mehr erfassen. Sie können genauso, wenn Sie einzelne Fächer nehmen und Rankings vergleichen - ich nehme jetzt auch wieder mal zwei, die einen relativ guten Ruf haben, das CHE und das der Londoner "Times", "Higher Education Supplement", da erinnere ich mich, das ist drei oder vier Jahre her, da war dieselbe medizinische Fakultät in Deutschland bei der "Times" unter den fünf Besten in Deutschland, beim CHE im Schlussdrittel. Und so könnte man das jetzt weiter durchexerzieren, das hängt eben sehr stark davon ab, was man fragt, wen man fragt, und es gibt eine Reihe methodischer Probleme, und selbst bei den solide gemachten sind die methodischen Probleme doch gravierend. Also wenn man sich das vom CHE anguckt, die haben in den letzten neun Jahren, wenn ich es richtig weiß, ich glaube 300.000 deutsche Studierende gefragt. Das ist aber eben nicht nach sozialwissenschaftlichen Kriterien gefragt, sondern da haben sich Leute einfach gemeldet - ob mehrfach oder einfach, ist nicht zu überprüfen. Und wie die Auswahl dieser Studierenden ist, ob das ein Durchschnitt ist oder nicht, wenn man pro Jahr sagt ungefähr 30.000, so ist das nicht ungewöhnlich viel für eine Gesamtzahl von über zwei Millionen, und dementsprechend lässt sich zumindest fragen, ob die Aussagekraft ausreicht. Und die Schweizer Hochschulen haben ja jüngst zu Beginn dieses Jahres beschlossen, aus dem CHE-Ranking wieder auszusteigen, weil ihrer Meinung nach die Aussagekraft zu gering ist.

    Burgwinkel: Wenn wir jetzt von diesen Schwächen mal absehen, könnte es nicht doch Abiturienten helfen, sagen wir mal Geisteswissenschaftlern, denen ja im Grunde genommen offen steht, wo sie studieren wollen. Nutzen die das überhaupt?

    Hartmann: Soweit ich das beurteilen kann, gibt es bei der Nutzung ganz eindeutige Schwerpunkte, und gerade die Geisteswissenschaftler nutzen es relativ wenig, weil die Aussagekraft von Fach zu Fach natürlich auch sehr unterschiedlich ist. Also wenn man die Forschungsleistung sich anguckt, so kann man sagen bei aller Kritik, ist in den naturwissenschaftlichen Fächern dieser "Citation Index" und das Auftauchen von Artikeln in den berühmten Zeitschriften wie "Science" und "Nature" schon ein relativ gutes Indiz. So was gibt es in den Geisteswissenschaften aber nicht. Da können Sie mit solchen Kriterien kaum eine Orientierung schaffen, und die Studierenden, die sich - soweit es Untersuchungen gibt - am stärksten bisher an solchen Rankings orientieren, das sind die Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Die orientieren sich wiederum aber vor allem an den Rankings der Wirtschaftszeitschriften, wo Personalchefs gefragt werden, von welchen Unis rekrutieren Sie am liebsten. Und wenn man sich anguckt, wann die studiert haben, so kann man sagen: Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit spiegeln die einfach die Vorlieben ihrer Zeit wider. Also jemand, der im Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe oder Darmstadt studiert hat und das gut gefunden hat, wird wenig Veranlassung haben zu sagen, das sind Leute, die nehme ich nicht, sondern er wird das weiterempfehlen.

    Burgwinkel: Das heißt, Bürgerkinder stellen wiederum Bürgerkinder ein bzw. Absolventen der TU in München stellen natürlich auch wieder bevorzugt solche Leute ein. Also für die ist das Ranking im Grunde genommen auch nicht gemacht, oder es hilft ihnen nicht weiter, sagen wir so.

    Hartmann: Es hilft ihnen nicht wirklich weiter, denn man bekommt eigentlich nur mitgeteilt, wie der augenblickliche Stand ist, das heißt, welche Personalchefs - man weiß ja nicht mal, in welchen Unternehmen - nun wen gerne einstellen. Also wenn Sie jetzt ein Beispiel nehmen, ich sag mal DaimlerChrysler. Zu Zeiten, als Schrempp noch Chef bei DaimlerChrysler war, haben FH-Absolventen sicherlich bessere Karten gehabt als zu den Zeiten vorher und hinterher, wo klassische TU-Absolventen dort waren, weil jemand, der selbst auf einer FH war, eine FH positiver in der Regel bewertet als jemand, der auf einer TU war, für den eine FH allenfalls zweite Liga ist. Sodass die Aussagekraft all dieser Rankings, egal wen Sie fragen, und Sie müssen ja auch nur in den Wirtschaftszeitschriften die Rankings vergleichen, die Ergebnisse sind zum Teil so unterschiedlich, dass man aus meiner Sicht als Orientierungshilfe diese Rankings kaum nutzen kann.

    Burgwinkel: Als was kann man sie denn nutzen, Herr Hartmann?

    Hartmann: Ja, sie werden ja genutzt. Sie haben den Boden dafür vorbereitet, die ersten Rankings hat es Ende der 80er Jahre gegeben, für eine Politik, die in den letzten drei, vier Jahren ja massiv vorangetrieben worden ist, für eine Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft. Mit den Rankings ist in den Köpfen das Bewusstsein verankert worden. Es gibt große Unterschiede, obwohl die deutsche Hochschullandschaft im internationalen Vergleich meines Erachtens zu Recht den Ruf hat, dass die Unterschiede zwischen den Hochschulen relativ gering sind. Also das ist ganz anders als in den USA, Frankreich oder Großbritannien. Diese Rankings vermitteln aber das Gefühl, es gibt diese Differenz. Und ich will mal ein Beispiel sagen, das ist jetzt auch zwei Jahre her, glaube ich, ein "Spiegel"-Ranking, wie solche Rankings auch erstellt werden. Das fand ich grob manipulativ, die haben genau wie das CHE - nur weniger sorgfältig - Spitze, Mittel und Schlussgruppe gebildet, und die Unterschiede, wenn man sich die einzelnen Fächer angeguckt hat zwischen der Spitzen- und der Schlussgruppe betrugen zum Teil nicht mehr als drei, vier oder fünf Punkte. Also es bewegte sich alles zwischen 50 und 60 Punkten. Sie haben dann aber einfach für alle diese drei Gruppen unterschiedliche Punktzahlen vergeben - Spitzengruppe 3, Schlussgruppe 1 -, und so kam dann raus, dass Universitäten, die real, wenn man sich die realen Punktwerte anguckt, in den Fächern vielleicht vier oder fünf Punkte auseinander lagen, also zwischen 54 und 59. Die einen waren mit 3,0 oder 2,9 in der Spitzengruppe, die anderen mit 1,3 in der Schlussgruppe. Und wenn man solche Rankings regelmäßig publiziert, in publikumswirksamen Zeitschriften wie "Spiegel", "Stern" oder jetzt der "Zeit", und man knüpft natürlich bei der Bevölkerung an den Wunsch an, klare Orientierung zu haben, das ist wie bei der Bundesliga, dann hat man halt solche Tabellen oder zumindest Schlussgruppe, Mittelgruppe, Spitzengruppe. Und so hat man das Gefühl über die Jahre vermittelt, es gibt in Deutschland doch riesige Unterschiede zwischen den einzelnen Universitäten, was dann wiederum die Voraussetzung meines Erachtens dafür war, dass man politisch relativ schnell mit der Exzellenz-Initiative diese Differenzierung auch tatsächlich vorantreiben konnte.

    Burgwinkel: Also ein hervorragend geeignetes Marketinginstrument.

    Hartmann: Ja, es ist ein hervorragend geeignetes Marketinginstrument, was alle Universitäten, wenn was Positives dabei rauskommt, auch immer nutzen.