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Ärger mit britischen Jugendlichen

Billigflieger machen Riga zum begehrten Reiseziel für Wochenendtouristen aus Westeuropa. In Großbritannien gilt die lettische Hauptstadt mittlerweile als Eldorado für Junggesellenabschiede. Mehrere Agenturen haben dafür Pauschalangebote ins Internet gestellt, inklusive lettischer Führerinnen, die die jungen Männer in Nachtklubs und in Kneipen begleiten. Diese Partys arten jedoch regelmäßig in Saufgelage aus. Seit Monaten diskutiert die Öffentlichkeit darüber, wie mit den randalierenden Briten umzugehen ist. Frauenorganisationen prangern diese Touren sogar als verdeckten Sextourismus an. Berthold Forssman und Friederike Schulz waren für "Europa heute" in Rigas Kneipenviertel unterwegs.

05.12.2008
    Direkt gegenüber einem Fast-Food-Restaurant, am Anfang der Rigaer Fußgängerzone, liegt der Eingang zum "Roxy", einem zwielichtigen Nachtklub. Ein breitschultriger Türsteher wacht darüber, wer hinein darf und wer nicht. Misstrauisch beäugt er fünf junge Männer, die aus der Kneipe nebenan torkeln. "Riga ist toll", erzählen sie ihm. Sie seien mit dem Nachmittagsflieger einer Billiglinie aus Wales gekommen, um hier den Junggesellenabschied ihres Kumpels Gerald zu feiern.

    "Hier gibt es viele Frauen, viele Pubs, viel zu trinken, jeder kann sich hier vergnügen."

    "Wir wollen Spaß haben. Ich habe gehört, dass es ein guter Ort zum Ausgehen ist: das Essen, Entspannung, die Sonne, der Sex, wir wollen Jet-Ski fahren. Ich hoffe, wir finden ein nettes Mädchen, das uns mit nach Hause nimmt."

    Der Türsteher verdreht zwar die Augen, lässt die Gruppe aber durch. Dann zieht auch schon die nächste Horde johlend vorbei. Mehr als 20 Männer, alle tragen einheitliche weiße T-Shirts, bedruckt mit dem Foto einer leicht bekleideten Nachtklubtänzerin. In ihrer Mitte: der Bräutigam in Spe - mit rosa Perücke, Netzstrümpfen und Mini-Rock.

    "Wir kommen zum Trinken, Essen, Spaß haben. Ich habe einen Kumpel, der mir Riga empfohlen hat. Er hat gesagt, dass es der beste Ort auf der Welt für einen Junggesellenabschied ist. Es gibt eine Menge Dinge, die wir hier machen können, die zu Hause nicht möglich wären. Alles wird einem hier geboten: Go-Cart, Golf, Schießen, Party, Trinken, Essen. Das würde man nirgendwo anders alles so geballt bekommen. Ich bin sicher, dass wir hier eine Menge Spaß haben werden."

    Vorneweg läuft eine schwarz gekleidete junge Frau, die sich als Agnija vorstellt. Sie lotst die Gruppe in ein Restaurant, ruft auf lettisch den Kellner, hilft bei der Bestellung. Als jeder ein Bier vor sich hat, setzt sich Agnija vorn an den Tisch.
    "Ich arbeite für eine Event-Agentur. Wir werden angefragt, wenn man einen Junggesellenabschied in Riga organisieren will. Wir führen die Jungs dann in die richtigen Klubs. Wir bereiten auch Überraschungen vor, kleine Späßchen, zum Beispiel um Geld betteln, auf dem Tisch tanzen. Die meisten wollen allerdings in Striptease- und Nachtlokale. Es gibt ganz nette Gruppen, die sehr höflich und gesprächig sind, aber es gibt auch solche, die sich besaufen und prügeln, aber im Großen und Ganzen ist es okay."

    Eine Einschätzung, die nicht alle Rigaer Einwohner teilen. Seit Monaten berichten die Zeitungen immer wieder über Horden von betrunkenen Briten, die andere Gäste belästigen. Wütende Anwohner beschweren sich über den Lärm, einheimische Kneipengänger meiden die einschlägigen Pubs. Auch die britischen Junggesellen im Restaurant werden misstrauisch beäugt. Ein junges Paar am Nebentisch beeilt sich, die Rechnung zu bestellen.

    "Wir haben schon einige schlechte Erfahrungen gemacht. Als wir neulich ausgegangen sind, kamen zehn bis fünfzehn betrunkene Briten rein, und beschlagnahmten sofort das ganze Café. Wir sind sofort aufgestanden und gegangen, denn man konnte sich überhaupt nicht mehr unterhalten. So benehmen sie sich auch hier in der Altstadt von Riga. Es sind viele Betrunkene auf der Straße, die aufdringlich werden, manchmal Frauen belästigen und ans Freiheitsdenkmal pinkeln. Das beweist, dass die Leute das vergessen haben, was man als kulturelle Normen bezeichnen würde. Nur weil sie woanders sind, glauben sie, sich alles erlauben zu können."

    Noch drastischer sieht es die Frauenorganisation Marta. Ihrer Einschätzung nach hat mit den Billigfliegern auch die Zahl der Sextouristen drastisch zugenommen. Immer häufiger riefen bei Marta verzweifelte junge Frauen an. Sie würden mit falschen Versprechungen in die Hauptstadt gelockt und dann gezwungen, ihre Körper an ausländische Touristen zu verkaufen, erzählt Nikola, eine der Mitarbeiterinnen:

    "Wir zahlen jetzt den Preis dafür, dass Lettland Mitglied in der EU geworden ist. Die Billigflieger bringen ziemlich viele von diesen Abenteurern hierher, die sexuelle Vergnügen suchen, denn es ist nicht so weit. Eine Reise nach Riga ist verhältnismäßig preiswert, und an den Wochenenden ist der Flughafen voll mit diesen potenziellen Sextouristen. Schon in den Flugzeugen gibt es Werbung für die Mädchen. Am schlimmsten sind diese Junggesellenabschiede."

    Ein Gesetz, das die Freier kriminalisiert, ist bisher nicht in Sicht. Die britische Botschaft will sich zu den Vorwürfen nicht äußern; auch die Lokalpolitiker scheuen eine offizielle Stellungnahme. Schließlich profitieren die Gastwirte der einschlägigen Kneipen von den Sauftouristen. Immerhin hat die Stadtregierung die Zahl der Polizisten in der Altstadt erhöht, nachdem vor kurzem ein Beamter von randalierenden Briten zusammengeschlagen wurde. Auch vor dem Freiheitsdenkmal steht ein Streifenwagen, für den Fall, dass wieder mal ein betrunkener Tourist den Weg zur öffentlichen Toilette nicht findet.