Bettina Klein: Entscheidende Runde im Tarifkonflikt der Krankenhausärzte, hieß es gestern. Vermutet wurde eine lange Nachtsitzung mit Ergebnis im Morgengrauen. Aber nichts da. Schon zu abendlich friedlicher Zeit um 22 Uhr hieß es: Gespräche wiederum vertagt.
Am Telefon begrüße ich jetzt den Chef des Marburger Bundes, der Ärztevertretung, Frank Ulrich Montgomery. Schönen guten Morgen!
Frank Ulrich Montgomery: Guten Morgen!
Klein: Herr Montgomery, die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder sind Sie schon über dieses Stadium hinaus?
Montgomery: Na ja, wir erleben momentan eher Irrungen und Wirrungen, weil wir waren schon zentimeternah an einem Ergebnis dran. Aber die Arbeitgeberseite ist derartig zerstritten und derartig uneins untereinander, die müssen sich jetzt erst mal zusammenfinden. Wir sind kompromissbereit, und wir stehen für eine Lösung zur Verfügung. Allerdings - das habe ich klar gemacht bei weiteren Gesprächen - ein weiteres Runterhandeln oder so salamiartig, scheibchenartig uns runterziehen, das wird es nicht geben.
Klein: Woran hat es denn gestern konkret gelegen, dass der erwartete Durchbruch dann doch nicht gekommen ist?
Montgomery: Gestern hat es konkret daran gelegen, dass die Arbeitgeber fünf Minuten vor Beginn der Verhandlungen ihre Taktik total geändert haben. Ich erhielt plötzlich einen Anruf des niedersächsischen Finanzministers, es würde überhaupt kein Angebot geben, und er braucht ein Spitzengespräch. Er will sich also noch mal mit mir treffen, und er will seine Vertreter dabei haben. Das halte ich für vernünftig. Ich habe ihm aber klar gesagt, dass wir natürlich im Kern ein Angebot brauchen und nicht irgendwelche weiteren Gespräche. Aber wenn er das braucht, stehen wir für Gespräche zur Verfügung. Nur bis wir ein Angebot vorliegen haben, das man ernsthaft und verhandelbar nennen kann, werden wir unsere Streiks nicht zurückfahren.
Klein: Also ein weiteres Spitzengespräch. Was soll da besprochen und verhandelt werden, was zwischen Ihnen beiden noch nicht besprochen worden ist?
Montgomery: Es hat bereits zehn Verhandlungsrunden und zwei oder drei Spitzengespräche teils am Telefon, teils persönlich gegeben, die alle, wie Sie ja wissen, nicht sonderlich viel gebracht haben bis auf die letzte Verhandlungsrunde in München, wo man sich zentimeternah genähert hatte. Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, was das Spitzengespräch bringen soll. Wahrscheinlich geht es darum, dass man die Summe, die man vereinbart hat, das Volumen nenne ich es mal, an Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelt, so hinschüttelt, dass es auch für ärmere Länder, auch für kleinere Universitätskliniken erträglich ist. Natürlich müssen wir daran denken: Wir verhandeln hier nicht mit Wirtschaftskapitänen. Wir verhandeln mit Politikern. Da geht es sehr oft auch um Gesichtswahrung und um Prestige.
Klein: Hinschüttelt, sagen Sie. Sagen Sie uns konkret, wo Ihre Vereinigung bereit ist, sich, auch wenn es nur noch Millimeter sind ,zu bewegen?
Montgomery: Wir sind angetreten, weil wir vor allem eine Verbesserung von Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen brauchten. Die Arbeitsbedingungen der Krankenhausärzte haben sich dramatisch verschlechtert in den letzten Jahren. Dazu hat man ihnen viel Geld genommen. Und wir haben ein Paket geschnürt, das viele, viele Stellschrauben hat. Wenn sie den Menschen weniger Arbeitszeit zumuten, dann hat das Auswirkungen auf das Entgelt. Man kann also ein sehr intelligentes Paket schnüren über Bereitschaftsdienste, über Schichtlängen.
Klein: Sagen Sie uns ein Beispiel. Wo ist noch eine Veränderung möglich aus Ihrer Sicht im Vergleich zu dem, was jetzt in Rede steht?
Montgomery: Nehmen Sie ein ganz einfaches Beispiel. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und vor allem Herr Möllring in Niedersachsen haben das Weihnachtsgeld komplett gestrichen, haben damit durch Federstrich sieben Prozent des Einkommens für junge Ärzte entfernt. Wir selber hängen überhaupt nicht an einem Weihnachtsgeld. Ob das nun im November oder im Dezember gezahlt wird, ist uns völlig egal. Wenn dieses Volumen an Gehalt gezwölftelt auf das Gehalt draufkommt, soll uns das völlig recht sein.
Zweitens: Wir wollen wegkommen von dem Tarifsystem des öffentlichen Dienstes. Wir wollen keinen TVÖD. Wir wollen auch nicht so bezahlt werden wie die Verwaltung, denn wir produzieren nicht Papier, wir produzieren nicht Verwaltung, wir produzieren Gesundheit. Da kann man wirklich durch geschicktes Drehen an bestimmten Stellschrauben ein schönes Paket schnüren.
Klein: Fragt sich natürlich, warum dieses geschickte Drehen nach zwei Monaten noch immer nicht zum Erfolg geführt hat?
Montgomery: Ja. Das liegt an der Uneinigkeit der Arbeitgeberseite, weil dort von Verhandlung zu Verhandlung die Taktik gewechselt wird. Offensichtlich ist man sich untereinander so uneins, dass man halt nicht ohne weiteres zu einer Lösung kommt. Das ist aber ein Problem, das kann ich gar nicht lösen.
Klein: Das ist natürlich für Sie auch sehr praktisch, Herr Montgomery. Jetzt hat man einen Sündenbock. Die Verhandlungstaktik der Länder steht tatsächlich in der Kritik. Aber ist es nicht auch ein bisschen einfach zu sagen, die eine Seite hat Schuld. Haben Sie vielleicht auch mit der Signalwirkung 30 Prozent nicht den erwünschten Erfolg erreicht?
Montgomery: Erstens geht es doch überhaupt nicht um Schuld, sondern es geht um die Frage, wie man zueinander kommt und aus welchen Motiven der eine oder der andere nicht abschlussbereit ist. Das hat mit Schuld in erster Linie überhaupt nichts zu tun, schon aber mit Konsequenzen. Wer also nicht in der Lage ist, trotz zentimeternaher Annäherung ein Angebot vorzulegen oder diese Annäherung dann auch schriftlich rüberzureichen und damit zur Basis weiterer Überlegungen zu machen, der muss sich dann vorwerfen lassen, dass zumindest die Streiks weitergehen. Aber mit Schuld in dem Sinne hat das doch gar nichts zu tun.
Klein: Streiks würden weitergehen im Falle, dass es jetzt keine Einigung diese Woche gibt. Viele Kliniken klagen inzwischen über die massiven Kosten des Streiks, die einige möglicherweise nicht mehr schultern können. Wie lange können Sie das den Kliniken noch zumuten?
Montgomery: Das ist ja genau das Ziel eines Streiks, und eigentlich sehen Sie daran, wie intelligent wir das gemacht haben, dass die Kliniken zwar über die Erlösausfälle sich beklagen, dass die Patienten aber gleichzeitig zu 80 Prozent nach wie vor hinter uns stehen und erkennen, dass dieser Streik nötig ist und dass die Aktion nötig ist, weil auch die Patienten natürlich ausgeruhte und gut bezahlte Ärzte haben wollen, die sich um sie kümmern können. Wir können das noch sehr lange durchhalten, weil wir haben eine Streiktaktik, bei der es uns gelingt, vor allem die wirtschaftliche Seite der Kliniken zu treffen, ohne den Patienten Schaden zuzufügen, denn das ist immer noch unser oberstes Gebot, dass die Patientensicherheit ganz vorne an steht.
Klein: Patienten, die im Moment in Unikliniken zu tun haben, sagen natürlich schon, dass es gewisse Auswirkungen gibt, wo sich natürlich auch die Frage stellt, wie lange werden die Patienten, auch wie lange werden die Kliniken bereit sein, das mitzutragen? Aber Sie rechnen damit, dass Sie das noch lange durchhalten können oder?
Montgomery: Ich bin wie Sie der festen Überzeugung, dass wir sehr aufpassen müssen, dass die Patienten verstehen, warum wir das machen. Bisher haben wir das immer geschafft. Es ist uns immer gelungen, den Patienten klar zu machen, warum wir diesen Streik momentan durchführen müssen, dass wir vor allem eine insofern doch etwas atypische Gewerkschaft sind, weil wir sogar selber den Notdienst organisieren. Das gibt es ja nirgendwo sonst in irgendeinem Streikbereich, dass der Streikende selber den Notdienst organisiert. Das verstehen die Patienten, und sie sind unsere wichtigsten Unterstützer. Ich will sie auf gar keinen Fall verlieren.
Klein: Herzlichen Dank. Das war Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Marburger Bundes. Viel Erfolg, Herr Montgomery, und einen schönen Tag,
Montgomery: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.
Am Telefon begrüße ich jetzt den Chef des Marburger Bundes, der Ärztevertretung, Frank Ulrich Montgomery. Schönen guten Morgen!
Frank Ulrich Montgomery: Guten Morgen!
Klein: Herr Montgomery, die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder sind Sie schon über dieses Stadium hinaus?
Montgomery: Na ja, wir erleben momentan eher Irrungen und Wirrungen, weil wir waren schon zentimeternah an einem Ergebnis dran. Aber die Arbeitgeberseite ist derartig zerstritten und derartig uneins untereinander, die müssen sich jetzt erst mal zusammenfinden. Wir sind kompromissbereit, und wir stehen für eine Lösung zur Verfügung. Allerdings - das habe ich klar gemacht bei weiteren Gesprächen - ein weiteres Runterhandeln oder so salamiartig, scheibchenartig uns runterziehen, das wird es nicht geben.
Klein: Woran hat es denn gestern konkret gelegen, dass der erwartete Durchbruch dann doch nicht gekommen ist?
Montgomery: Gestern hat es konkret daran gelegen, dass die Arbeitgeber fünf Minuten vor Beginn der Verhandlungen ihre Taktik total geändert haben. Ich erhielt plötzlich einen Anruf des niedersächsischen Finanzministers, es würde überhaupt kein Angebot geben, und er braucht ein Spitzengespräch. Er will sich also noch mal mit mir treffen, und er will seine Vertreter dabei haben. Das halte ich für vernünftig. Ich habe ihm aber klar gesagt, dass wir natürlich im Kern ein Angebot brauchen und nicht irgendwelche weiteren Gespräche. Aber wenn er das braucht, stehen wir für Gespräche zur Verfügung. Nur bis wir ein Angebot vorliegen haben, das man ernsthaft und verhandelbar nennen kann, werden wir unsere Streiks nicht zurückfahren.
Klein: Also ein weiteres Spitzengespräch. Was soll da besprochen und verhandelt werden, was zwischen Ihnen beiden noch nicht besprochen worden ist?
Montgomery: Es hat bereits zehn Verhandlungsrunden und zwei oder drei Spitzengespräche teils am Telefon, teils persönlich gegeben, die alle, wie Sie ja wissen, nicht sonderlich viel gebracht haben bis auf die letzte Verhandlungsrunde in München, wo man sich zentimeternah genähert hatte. Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, was das Spitzengespräch bringen soll. Wahrscheinlich geht es darum, dass man die Summe, die man vereinbart hat, das Volumen nenne ich es mal, an Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelt, so hinschüttelt, dass es auch für ärmere Länder, auch für kleinere Universitätskliniken erträglich ist. Natürlich müssen wir daran denken: Wir verhandeln hier nicht mit Wirtschaftskapitänen. Wir verhandeln mit Politikern. Da geht es sehr oft auch um Gesichtswahrung und um Prestige.
Klein: Hinschüttelt, sagen Sie. Sagen Sie uns konkret, wo Ihre Vereinigung bereit ist, sich, auch wenn es nur noch Millimeter sind ,zu bewegen?
Montgomery: Wir sind angetreten, weil wir vor allem eine Verbesserung von Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen brauchten. Die Arbeitsbedingungen der Krankenhausärzte haben sich dramatisch verschlechtert in den letzten Jahren. Dazu hat man ihnen viel Geld genommen. Und wir haben ein Paket geschnürt, das viele, viele Stellschrauben hat. Wenn sie den Menschen weniger Arbeitszeit zumuten, dann hat das Auswirkungen auf das Entgelt. Man kann also ein sehr intelligentes Paket schnüren über Bereitschaftsdienste, über Schichtlängen.
Klein: Sagen Sie uns ein Beispiel. Wo ist noch eine Veränderung möglich aus Ihrer Sicht im Vergleich zu dem, was jetzt in Rede steht?
Montgomery: Nehmen Sie ein ganz einfaches Beispiel. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und vor allem Herr Möllring in Niedersachsen haben das Weihnachtsgeld komplett gestrichen, haben damit durch Federstrich sieben Prozent des Einkommens für junge Ärzte entfernt. Wir selber hängen überhaupt nicht an einem Weihnachtsgeld. Ob das nun im November oder im Dezember gezahlt wird, ist uns völlig egal. Wenn dieses Volumen an Gehalt gezwölftelt auf das Gehalt draufkommt, soll uns das völlig recht sein.
Zweitens: Wir wollen wegkommen von dem Tarifsystem des öffentlichen Dienstes. Wir wollen keinen TVÖD. Wir wollen auch nicht so bezahlt werden wie die Verwaltung, denn wir produzieren nicht Papier, wir produzieren nicht Verwaltung, wir produzieren Gesundheit. Da kann man wirklich durch geschicktes Drehen an bestimmten Stellschrauben ein schönes Paket schnüren.
Klein: Fragt sich natürlich, warum dieses geschickte Drehen nach zwei Monaten noch immer nicht zum Erfolg geführt hat?
Montgomery: Ja. Das liegt an der Uneinigkeit der Arbeitgeberseite, weil dort von Verhandlung zu Verhandlung die Taktik gewechselt wird. Offensichtlich ist man sich untereinander so uneins, dass man halt nicht ohne weiteres zu einer Lösung kommt. Das ist aber ein Problem, das kann ich gar nicht lösen.
Klein: Das ist natürlich für Sie auch sehr praktisch, Herr Montgomery. Jetzt hat man einen Sündenbock. Die Verhandlungstaktik der Länder steht tatsächlich in der Kritik. Aber ist es nicht auch ein bisschen einfach zu sagen, die eine Seite hat Schuld. Haben Sie vielleicht auch mit der Signalwirkung 30 Prozent nicht den erwünschten Erfolg erreicht?
Montgomery: Erstens geht es doch überhaupt nicht um Schuld, sondern es geht um die Frage, wie man zueinander kommt und aus welchen Motiven der eine oder der andere nicht abschlussbereit ist. Das hat mit Schuld in erster Linie überhaupt nichts zu tun, schon aber mit Konsequenzen. Wer also nicht in der Lage ist, trotz zentimeternaher Annäherung ein Angebot vorzulegen oder diese Annäherung dann auch schriftlich rüberzureichen und damit zur Basis weiterer Überlegungen zu machen, der muss sich dann vorwerfen lassen, dass zumindest die Streiks weitergehen. Aber mit Schuld in dem Sinne hat das doch gar nichts zu tun.
Klein: Streiks würden weitergehen im Falle, dass es jetzt keine Einigung diese Woche gibt. Viele Kliniken klagen inzwischen über die massiven Kosten des Streiks, die einige möglicherweise nicht mehr schultern können. Wie lange können Sie das den Kliniken noch zumuten?
Montgomery: Das ist ja genau das Ziel eines Streiks, und eigentlich sehen Sie daran, wie intelligent wir das gemacht haben, dass die Kliniken zwar über die Erlösausfälle sich beklagen, dass die Patienten aber gleichzeitig zu 80 Prozent nach wie vor hinter uns stehen und erkennen, dass dieser Streik nötig ist und dass die Aktion nötig ist, weil auch die Patienten natürlich ausgeruhte und gut bezahlte Ärzte haben wollen, die sich um sie kümmern können. Wir können das noch sehr lange durchhalten, weil wir haben eine Streiktaktik, bei der es uns gelingt, vor allem die wirtschaftliche Seite der Kliniken zu treffen, ohne den Patienten Schaden zuzufügen, denn das ist immer noch unser oberstes Gebot, dass die Patientensicherheit ganz vorne an steht.
Klein: Patienten, die im Moment in Unikliniken zu tun haben, sagen natürlich schon, dass es gewisse Auswirkungen gibt, wo sich natürlich auch die Frage stellt, wie lange werden die Patienten, auch wie lange werden die Kliniken bereit sein, das mitzutragen? Aber Sie rechnen damit, dass Sie das noch lange durchhalten können oder?
Montgomery: Ich bin wie Sie der festen Überzeugung, dass wir sehr aufpassen müssen, dass die Patienten verstehen, warum wir das machen. Bisher haben wir das immer geschafft. Es ist uns immer gelungen, den Patienten klar zu machen, warum wir diesen Streik momentan durchführen müssen, dass wir vor allem eine insofern doch etwas atypische Gewerkschaft sind, weil wir sogar selber den Notdienst organisieren. Das gibt es ja nirgendwo sonst in irgendeinem Streikbereich, dass der Streikende selber den Notdienst organisiert. Das verstehen die Patienten, und sie sind unsere wichtigsten Unterstützer. Ich will sie auf gar keinen Fall verlieren.
Klein: Herzlichen Dank. Das war Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Marburger Bundes. Viel Erfolg, Herr Montgomery, und einen schönen Tag,
Montgomery: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.