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Ärzte wollen Praxen schließen

Verschlossene Türen und volle Wartezimmer - im Honorarstreit mit den Krankenkassen drohen die Mediziner mit Streiks. Schon ab Montag könnten die Praxen geschlossen bleiben, sollten die Verhandlungen am Wochenende scheitern.

Von Gerhard Schröder |
    Schon vom kommenden Montag an müssen Patienten bundesweit mit langen Wartezeiten beim Arzt oder geschlossenen Praxistüren rechnen. 75 Prozent der befragten Ärzte votierten in einer Urabstimmung für Praxisschließungen. 49 Prozent der niedergelassenen Mediziner hatten sich an der Befragung beteiligt. Für Dirk Heinrich, den Bundesvorsitzenden des Ärzteverbandes NAV-Virchow-Bund und Sprecher einer Allianz von 35 Berufsverbänden, ein sensationelles Ergebnis.

    "Sie erleben zurzeit die größten Ärzteproteste seit dem Jahr 2006. Das liegt daran, das die Preise für ärztliche Leistungen seit 2009 praktisch unverändert geblieben sind."

    Die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV hatte elf Prozent mehr Geld für die insgesamt 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten gefordert, umgerechnet 3,5 Milliarden Euro. Die Krankenkassen hatten sich jedoch vor zwei Wochen mit einem neutralen Schlichter - gegen die Stimmen der Ärzte - auf ein Plus von nur 0,9 Prozent verständigt. Für KBV-Chef Andreas Köhler ist daher klar, wer für die Eskalation im Honorarstreit verantwortlich ist.

    "Das zeugt davon, das in der Ärzteschaft ein Punkt erreicht worden ist, an dem es heißt, 'Liebe Krankenkassen, bis hierher und nicht weiter'."

    Noch aber gibt es für Köhler wie auch Heinrich noch eine Chance, flächendeckende Ärzteproteste zu verhindern. Am kommenden Samstag sitzen Ärzteschaft und Krankenkassen noch einmal am Verhandlungstisch. Dann wird erneut ums Geld gefeilscht. KBV-Chef Köhler appellierte an die Verantwortung der Krankenkassen, die auf milliardenschweren Überschüssen säßen. Auch Ärztesprecher Dirk Heinrich erwartet, dass die gesetzlichen Versicherer der Ärzteschaft entgegenkommen:

    "Die Krankenkassen haben den Schlüssel in der Hand, Praxisschließungen zu verhindern. Dazu braucht es nur einen fairen und guten Vertragsabschluss am Samstag."

    Was aber ist ein fairer Abschluss? Heinrich verteidigte erneut die Forderung der Ärzte nach einem Plus von elf Prozent, damit würde lediglich der Kostenanstieg der vergangenen Jahre ausgeglichen. Die Krankenkassen sehen das ganz anders. Wir haben kein Verständnis für die angekündigten Praxisschließungen, sagte Jürgen Graalmann, der Chef des AOK-Bundesverbandes gegenüber diesem Programm. Wir sind zu einem vernünftigen Ergebnis bereit, versicherte Graalmann. Spielraum für große Sprünge sieht er aber nicht.

    "Also wir sind gerne zu den Sprüngen bereit, die realistischerweise nachvollziehbar sind. Keine Zahlen aus dem Wolkenkuckucksheim, das muss schon vernünftig begründet sein, ich glaube, da findet man vernünftige Lösungen."

    In der ersten Verhandlungsrunde hatten Kassen und Ärzte über die Preise für die medizinischen Leistungen gesprochen, jetzt geht es noch um die Mengen, die bezahlt werden, und um einen Ausgleich für höhere Krankheitslasten.

    Mit einem durchschnittlichen Brutto Einkommen von 160 000 Euro gehörten die Ärzte zu den wirklich Gutverdienenden im Land sagte Graalmann und warnte die Ärzte, den Honorarstreit auf dem Rücken der Ärzte auszutragen. Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung zeigte sich - so wörtlich - maßlos enttäuscht über die angekündigten Praxisschließungen. Ärztesprecher Heinrich dagegen versicherte, eine Notfallversorgung werde in jedem Fall aufrecht erhalten. Kein Patient - so Heinrich - werde zu Schaden kommen, wenn die Arztpraxen geschlossen blieben.