" Sextett op.55 g-Moll - I. Allegro con passione "
Wer dieses Stück nicht kennt - und wer kennt es schon? - der wird seine lieben Schwierigkeiten haben, es irgendwo einzuordnen. Und wenn er es dann doch einordnet, trotz einiger Unstimmigkeiten zeitlich vermutlich ins späte 19. Jahrhunderts setzt, irgendwo in Wien beheimatet, als Werk eines gutgelaunten Nachfahren von Franz Schubert, der wird sich wundern: Denn entstanden ist das eigentümlich besetzte Sextett unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs unter erbärmlichen Umständen: in einem Behelfskrankenhaus in Partenkirchen, geschrieben von einem alten, verbitterten, halbblinden Komponisten auf einem Notenpapier, dessen Qualität so schlecht war, dass es von der Schreibfeder ständig zerrissen wurde. Und wer das Stück, ohne Kenntnis seiner Herkunft, in seiner von Ehrgeiz kaum beschwerten Leichtigkeit am Ende sogar lieb gewinnt, der wird vermutlich kräftig schlucken, wenn er erfährt, dass Hans Pfitzner sein Autor ist.
" Sextett op.55 g-Moll - I. Allegro con passione "
Den meisten Musikern, die in der Zeit des Nationalismus eifrig mitgeschwommen waren im braunen Strom, hat das Publikum schnell verziehen: Furtwängler, Karajan oder Karl Böhm, Walter Gieseking oder Georg Kuhlenkampf, Carl Orff oder auch Richard Strauss. Hans Pfitzner aber hatte, salopp formuliert, den Bogen überspannt, hatte noch nach 1945 über Hitler, Deutschland und die Juden Dinge gesagt, die man nicht wiederholen möchte. Pfitzner, der letzte Romantiker, als der er einstmals galt, hatte sich endgültig erledigt.
Seine Musik zu spielen, ist bis heute ästhetisch prekär, politisch ein Wagnis. Dass der Geiger Ulf Hoelscher mit einigen Kollegen beim Label CPO dieses Wagnis unternimmt und neben dem späten Sextett auch das fast 40 Jahre zuvor entstandene Klavierquintett vorstellt, ist eine nicht unerhebliche Herausforderung für den Hörer. Schwer genug, mit einer geschichtlich so dermaßen verspäteten Musik zurecht zu kommen: Während Pfitzner sich noch in der Romantik wähnte, komponierte Pierre Boulez gerade seine "Douze notations", Messiaen seine "Mode de valeurs", war Anton Webern bereits tot.
Noch schwerer aber ist eben, eine innere Haltung zu einer Kunst zu finden, die sich ein Komponist ausdachte, der noch im Sommer 1944 dem späten hingerichteten Generalgouverneur von Polen, dem Kriegsverbrecher Hans Frank, ein freundschaftliches Ständchen schrieb. Wie konnte ein derart übel gesinnter, verbohrter Mann eine so sympathische, in ihrer formalen Freiheit und motivischen Eleganz so außerordentlich lässige Musik schreiben?
" Sextett op.55 g-Moll - II. Quasi minuetto "
Hin- und hergerissen ist man bei dieser Aufnahme auch deshalb, weil sie schlichtweg so gut ist und so gut klingt. Nicht nur, dass hier ein böser Mensch eine gar nicht böse Musik geschrieben hat, diese Musik widerspricht auch in der vorliegenden Einspielung dem überlieferten Bild von Pfitzner als schroffem Langeweiler. Die federnde Leichtigkeit des Spätwerks, dem das Ensemble Ulf Hoelscher einen wunderbar jugendlichen, sorglosen Zug verleiht, aber auch das kontrapunktisch und harmonisch gedrängte, zuweilen zu sinfonischer Massigkeit geballte Klavierquintett - das ist an keiner Stelle öde: Pfitzners in der Theorie so manisches Beharren auf einer Ästhetik des thematischen Einfalls, diese Theorie klingt hier nicht manisch, sondern belebt eine durch und durch launische Musik, bei der man nie so recht weiß, was sie als nächstes im Schilde führt. Die improvisatorischen Qualitäten von Pfitzners Schreibweise finden im Ensemble Ulf Hoelscher kongeniale Interpreten: Hoelscher lässt mit seinen Kollegen die Musik laufen, ohne die Kontrolle zu verlieren: Mal sind die Zügel locker, mal sind sie fester angezogen, nie jedoch so straff, dass die einzelnen Stimmen aus einem Moment der Ruhe heraus im nächsten Moment nicht plötzlich wieder nach vorne schnellen könnten.
" Klavierquintett op.23 C-Dur - I. Allegro, ma non troppo "
Einmal zumindest geht die Musik dann doch durch mit den Interpreten - nicht dem Ensemble Ulf Hoelscher allerdings ist das anzulasten. Wohl um das Klavierquintett der gespenstischen Verlorenheit des vorangegangenen Adagios zu entreißen, hat Hans Pfitzner im Jahre 1908 seinem op. 23 ein Finale spendiert, dessen derbe Rohheit deutlich über das Ziel hinausschießt: Die Potpourri-artige Verzahnung von Wanderlied-Motiven wirkt notdürftig und ein wenig zwanghaft und verdirbt den guten Eindruck, den das Werk bis dahin macht. Ganz knapp vor Schluss, in dem, was man trotz der krausen Form "Coda" nennen möchte, bekommt Pfitzner dann aber doch wieder die Kurve: aller Grobschnitt ist mit einem Mal passé, und Pfitzner, ob im Ernst oder mit einem Augenzwinkern, pendelt seine Musik irgendwo zwischen Schubert, Schumann und Brahms aus, in einer Zeit jedenfalls, die längst nicht mehr die seine ist.
" Klavierquintett op.23 C-Dur - IV. Finale "
Ulf Hoelscher und Mayra Salinas, Violine, Roland Glassl, Viola, Gustav Rivinius, Violoncello, Christoph Schmidt, Kontrabass, Wolfgang Meyer, Klarinette und Ian Fountain, Klavier - das Ensemble Ulf Hoelscher spielt Werke von Hans Pfitzner, erschienen bei CPO und einem kritischen Hören entschiedenen empfohlen von Raoul Mörchen.
Diskographie:
Hans Pfitzner:
Klavierquintett
Sextett
Ensemble Ulf Hoelscher
CPO 777 395-2
Wer dieses Stück nicht kennt - und wer kennt es schon? - der wird seine lieben Schwierigkeiten haben, es irgendwo einzuordnen. Und wenn er es dann doch einordnet, trotz einiger Unstimmigkeiten zeitlich vermutlich ins späte 19. Jahrhunderts setzt, irgendwo in Wien beheimatet, als Werk eines gutgelaunten Nachfahren von Franz Schubert, der wird sich wundern: Denn entstanden ist das eigentümlich besetzte Sextett unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs unter erbärmlichen Umständen: in einem Behelfskrankenhaus in Partenkirchen, geschrieben von einem alten, verbitterten, halbblinden Komponisten auf einem Notenpapier, dessen Qualität so schlecht war, dass es von der Schreibfeder ständig zerrissen wurde. Und wer das Stück, ohne Kenntnis seiner Herkunft, in seiner von Ehrgeiz kaum beschwerten Leichtigkeit am Ende sogar lieb gewinnt, der wird vermutlich kräftig schlucken, wenn er erfährt, dass Hans Pfitzner sein Autor ist.
" Sextett op.55 g-Moll - I. Allegro con passione "
Den meisten Musikern, die in der Zeit des Nationalismus eifrig mitgeschwommen waren im braunen Strom, hat das Publikum schnell verziehen: Furtwängler, Karajan oder Karl Böhm, Walter Gieseking oder Georg Kuhlenkampf, Carl Orff oder auch Richard Strauss. Hans Pfitzner aber hatte, salopp formuliert, den Bogen überspannt, hatte noch nach 1945 über Hitler, Deutschland und die Juden Dinge gesagt, die man nicht wiederholen möchte. Pfitzner, der letzte Romantiker, als der er einstmals galt, hatte sich endgültig erledigt.
Seine Musik zu spielen, ist bis heute ästhetisch prekär, politisch ein Wagnis. Dass der Geiger Ulf Hoelscher mit einigen Kollegen beim Label CPO dieses Wagnis unternimmt und neben dem späten Sextett auch das fast 40 Jahre zuvor entstandene Klavierquintett vorstellt, ist eine nicht unerhebliche Herausforderung für den Hörer. Schwer genug, mit einer geschichtlich so dermaßen verspäteten Musik zurecht zu kommen: Während Pfitzner sich noch in der Romantik wähnte, komponierte Pierre Boulez gerade seine "Douze notations", Messiaen seine "Mode de valeurs", war Anton Webern bereits tot.
Noch schwerer aber ist eben, eine innere Haltung zu einer Kunst zu finden, die sich ein Komponist ausdachte, der noch im Sommer 1944 dem späten hingerichteten Generalgouverneur von Polen, dem Kriegsverbrecher Hans Frank, ein freundschaftliches Ständchen schrieb. Wie konnte ein derart übel gesinnter, verbohrter Mann eine so sympathische, in ihrer formalen Freiheit und motivischen Eleganz so außerordentlich lässige Musik schreiben?
" Sextett op.55 g-Moll - II. Quasi minuetto "
Hin- und hergerissen ist man bei dieser Aufnahme auch deshalb, weil sie schlichtweg so gut ist und so gut klingt. Nicht nur, dass hier ein böser Mensch eine gar nicht böse Musik geschrieben hat, diese Musik widerspricht auch in der vorliegenden Einspielung dem überlieferten Bild von Pfitzner als schroffem Langeweiler. Die federnde Leichtigkeit des Spätwerks, dem das Ensemble Ulf Hoelscher einen wunderbar jugendlichen, sorglosen Zug verleiht, aber auch das kontrapunktisch und harmonisch gedrängte, zuweilen zu sinfonischer Massigkeit geballte Klavierquintett - das ist an keiner Stelle öde: Pfitzners in der Theorie so manisches Beharren auf einer Ästhetik des thematischen Einfalls, diese Theorie klingt hier nicht manisch, sondern belebt eine durch und durch launische Musik, bei der man nie so recht weiß, was sie als nächstes im Schilde führt. Die improvisatorischen Qualitäten von Pfitzners Schreibweise finden im Ensemble Ulf Hoelscher kongeniale Interpreten: Hoelscher lässt mit seinen Kollegen die Musik laufen, ohne die Kontrolle zu verlieren: Mal sind die Zügel locker, mal sind sie fester angezogen, nie jedoch so straff, dass die einzelnen Stimmen aus einem Moment der Ruhe heraus im nächsten Moment nicht plötzlich wieder nach vorne schnellen könnten.
" Klavierquintett op.23 C-Dur - I. Allegro, ma non troppo "
Einmal zumindest geht die Musik dann doch durch mit den Interpreten - nicht dem Ensemble Ulf Hoelscher allerdings ist das anzulasten. Wohl um das Klavierquintett der gespenstischen Verlorenheit des vorangegangenen Adagios zu entreißen, hat Hans Pfitzner im Jahre 1908 seinem op. 23 ein Finale spendiert, dessen derbe Rohheit deutlich über das Ziel hinausschießt: Die Potpourri-artige Verzahnung von Wanderlied-Motiven wirkt notdürftig und ein wenig zwanghaft und verdirbt den guten Eindruck, den das Werk bis dahin macht. Ganz knapp vor Schluss, in dem, was man trotz der krausen Form "Coda" nennen möchte, bekommt Pfitzner dann aber doch wieder die Kurve: aller Grobschnitt ist mit einem Mal passé, und Pfitzner, ob im Ernst oder mit einem Augenzwinkern, pendelt seine Musik irgendwo zwischen Schubert, Schumann und Brahms aus, in einer Zeit jedenfalls, die längst nicht mehr die seine ist.
" Klavierquintett op.23 C-Dur - IV. Finale "
Ulf Hoelscher und Mayra Salinas, Violine, Roland Glassl, Viola, Gustav Rivinius, Violoncello, Christoph Schmidt, Kontrabass, Wolfgang Meyer, Klarinette und Ian Fountain, Klavier - das Ensemble Ulf Hoelscher spielt Werke von Hans Pfitzner, erschienen bei CPO und einem kritischen Hören entschiedenen empfohlen von Raoul Mörchen.
Diskographie:
Hans Pfitzner:
Klavierquintett
Sextett
Ensemble Ulf Hoelscher
CPO 777 395-2