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AfD
Parteitag verweigert Leitlinien-Beschluss

Deutschland zuerst, aber wohin? Auch nach dem turbulenten Erfurter Europaparteitag bleibt die politische Ausrichtung der Alternative für Deutschland unklar. Stattdessen übte sich die Partei lustvoll in Basisdemokratie: AfD-Chef Lucke musste zwei herbe Niederlagen einstecken.

Von Henry Bernhard | 23.03.2014
    Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland (AfD) verfolgen am 22.03.2014 den Europaparteitag in Erfurt (Thüringen). Die AfD will auf dem zweitägigen Parteitag unter anderem ihr Programm für die Europawahl am 25. Mai beschließen.
    Viele AfD-Delegierte fühlten sich von Parteichef Bernd Lucke überrumpelt. (Hendrik Schmidt/dpa)
    Finanzen, die Schiedsordnung, die Ukraine – die knapp Tausend AfD-Mitglieder arbeiteten sich durch eine Vielzahl von Themen. Wie auch gestern begleitet von heftigen Auseinandersetzungen: Weniger um Inhalte, vielmehr um Fragen des Vorgehens. Dem daraus resultierenden Zeitmangel fiel auch die Diskussion über die Leitlinien zum Opfer. Parteichef Bernd Lucke warb heftig für dieses Rumpfprogramm der AfD. Denn momentan herrsche ein programmatisches Vakuum mit unangenehmen Folgen für die Partei: "Dass die AfD immer stärker wie selbstverständlich eingeordnet wird von der Presse als eine Partei, die sich rechts von der CDU befände. Das ist eine völlige Fehlwahrnehmung unserer Partei, aber wir müssen, denke ich, gegen diese Fehlwahrnehmung auch angehen, indem wir eine Selbstpositionierung beschließen."
    Wenn das nicht geschehe, so Lucke, würden viele Wähler, die von der SPD, der Linken, der CDU kämen, verprellt. Und das koste Stimmen: "Diese Leute, die werden von uns abgespalten, wenn man den Eindruck entstehen lässt, wir seien eine Partei rechts von der CSU."
    Kern der Vorlage: Die AfD stehe – im Gegensatz zu den etablierten Parteien – für Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung und soziale Marktwirtschaft. Gesetze sollten verständlicher werden, Entscheidungen dort getroffen, wo sie sich auswirken. Die Bürger sollen mehr direkt bestimmen können – bis hin zum Einsatz der Bundeswehr. Zuwanderung wird begrüßt, allerdings nur für qualifizierte Immigranten und nur so lange, wie die Deutschen zu wenig Kinder bekämen. Ohne es direkt zu benennen verurteilt eine Leitlinie Ausländerkriminalität und die Anwendung der Scharia in islamischen Gemeinschaften in Deutschland.
    Darüber sollten die Delegierten abstimmen, aber viele fühlten sich überrumpelt. Die Diskussion wurde ins Internet vertagt. Die zweite Schlappe für Parteichef Lucke, der schon damit gescheitert war, eine neue Satzung zu verabschieden, die der Parteispitze deutlich umfangreichere Rechte einräumen sollte. Lucke zeigte sich verblüfft von der Lust der Basis an der Debatte: "In Bezug auf die Satzung ist es so, dass ich die Widerstände unterschätzt habe. Das war wahrscheinlich ein Kommunikationsproblem, sodass es für mich etwas bedauerlich, weil ich die neue Satzung gerne gehabt hätte. Aber vom demokratischen Ablauf ist das alles nachvollziehbar."
    Der Parteitag beschloss zudem, eine parteinahe Stiftung zu gründen – wenn auch hier nicht ohne Widerspruch. Ein Delegierter: "Und wer jetzt glaubt, wir können uns die vergiftete Frucht des Parteienstaates reichen lassen und werden dann anders sein, als die anderen, der täuscht sich."
    In einer Resolution zur Krim-Krise sprach sich der Parteitag gegen Sanktionen gegen Russland aus. "Deutschland zuerst" war das zugrunde liegende Motto. Mit weniger EU, weniger NATO und weniger USA. Die Alternative für Deutschland übte sich zwei Tage lang mit Lust in Basisdemokratie – wohin sie politisch will, ist noch unklar. In einem aber sind sich alle sicher, auch der Kandidat für die Europawahl, Hans-Olaf Henkel: "Die nächsten Wahlen, das sind die drei Wahlen in Ostdeutschland. Und mit Sicherheit werden wir mit einem großartigen Ergebnis auch in diese drei Landtage einziehen."