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Affen sehr menschlich

Verhaltensforschung. – Den Affenforscher auf dem 2. Europäischen Primatologentagung in Prag geht es darum, Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Affen herauszufinden. Immer sind es Menschenaffenarten, die durch besondere Leistungen auffallen. Umso überraschter war die Zunft der Affenforscher als eine italienische Primatologin ihre Daten präsentierte. Sie hat gewöhnlichen südamerikanischen Kapuzineraffen das Einkaufen beigebracht.

Von Kristin Raabe | 07.09.2007
    Unter den Affen Südamerikas sind sie die Stars. Kapuzineraffen sind nicht besonders groß und haben ein eher unscheinbares braunes Fell, aber sie sind schlau. Das haben sie bereits vor einigen Jahren bewiesen, als Verhaltensforscher bei Beobachtungen im Dschungel feststellten, dass diese Affen zum Öffnen von Nüssen Werkzeuge - etwa Steine – benutzen. Das war bislang nur von Schimpansen bekannt und nicht von gewöhnlichen Affen. Im Institut für Kognitionsforschung in Rom mussten die Kapuzineraffen nun erneut ihr Können unter Beweis stellen. Die Verhaltensforscherin Elsa Addessi brachte ihnen bei, dass graue oder beige Chips gegen eine vorher festgelegte Anzahl von Erdnüssen eingetauscht werden können. Addessi:

    "”Diese Chips sind Objekte, die keinen Wert an sich besitzen. Erst durch den Tausch gegen Nahrungsmittel, erlangen sie letztlich einen Wert. Chips, die beim Pokern eingesetzt werden, haben mit einer Banane nichts gemeinsam, aber sie symbolisieren eine Banane, wenn jemand sie gegen eine Banane eintauscht. Wir wollten wissen ob, unsere Kapuzineraffen in der Lage sind, verschiedene Chips mit unterschiedlichem Wert so einzusetzen, dass sie ihren Gewinn maximieren. Dazu müssen sie die Addition beherrschen und die symbolische Bedeutung der Chips begreifen. Aber das Verständnis von Symbolen ist eine Fähigkeit, die eng mit Sprache verknüpft ist und die bislang nur beim Menschen und in geringerem Ausmaß bei Schimpansen gezeigt wurde. Wenn gewöhnliche Kapuzineraffen über diese Fähigkeit verfügen, wäre das unserer Meinung nach wirklich sehr bemerkenswert.""

    Die Chips waren also so etwas wie Geld. Allerdings konnten die Affen nicht kaufen, was sie wollten. In ihrem Supermarkt gab es lediglich Erdnüsse. Ein grauer Chip war nur eine Erdnuss wert und ein beiger drei Erdnüsse. Das hatten die Kapuzineraffen schnell begriffen. In weiteren Tests mussten sie dieses Wissen geschickt einsetzen. Addessi:

    "”Wir ließen den Kapuzineraffen dann die Wahl zwischen zwei Angeboten von Chips. Sie mussten sich beispielsweise zwischen einem Chip entscheiden, der drei Erdnüsse wert war oder konnten stattdessen vier Chips nehmen, die jeweils nur eine Erdnuss wert waren. Das kann eine harte Wahl sein. Nehmen sie den einen Chip bekommen sie durch einen Tauschvorgang gleich drei Erdnüsse. Bei den vier Chip müssen sie viermal tauschen, um lediglich eine Erdnuss mehr zu erhalten.""

    Elsa Addessi stellte die Affen vor immer schwerere Entscheidungen. Sie mussten etwa zwischen fünf Einer-Chips und zwei Dreier-Chips wählen. Einigen Affen fiel es schwer, ihren Impuls zu unterdrücken, sich schnell die große Anzahl Einer-Chips zu sichern. Ging es ihnen lediglich um die Gewinnoptimierung war Kopfrechnen angesagt: fünfmal eins ergibt fünf, zweimal drei ergibt sechs Erdnüsse. Wie gut die Affen solche Rechenschritte beherrschten, zeigte sich nach etlichen Durchgängen mit allen nur möglichen Wahlangeboten von Chips. Addessi:

    "”Wir haben dabei festgestellt, dass sie wirklich ziemlich gut darin waren, ihren Gewinn an Erdnüssen zu maximieren. Das war wirklich sehr überraschend, denn die Fähigkeit zur Addition, wurde bislang eindeutig nur in Schimpansen nachgewiesen. Unsere Kapuzineraffen haben dafür nicht einmal lange üben müssen. Bereits bei den ersten Durchgängen haben sie bewiesen, dass sie gut rechnen können. Dazu waren kein intensives Training oder viele Testläufe notwendig.""

    Von den zehn Kapuzineraffen, die Elsa Addessi getestet hat, waren vier wirklich gute Gewinnmaximierer. Die anderen waren nicht unbedingt schlechter im Rechnen, aber ungeduldiger. Mussten sie sich zwischen vielen Chips mit geringem Wert und wenigen Chips mit hohem Wert entscheiden, dann wählten sie meistens die höherwertigen Chips, auch wenn das weniger Erdnüsse bedeutete. Dafür bekamen sie ihre Nüsse sofort und mussten nicht mehrmals tauschen. Auch das ist ein Zeichen von Intelligenz und hat sogar etwas Menschliches. So mancher zahlt lieber zwanzig Cent mehr für die Butter, nur um nicht beim Discounter in der Schlange zu stehen.