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Afghanistan
Bamiyan ist erste Kulturhauptstadt der SAARC

Von Michael Briefs |
    Die afghanische Provinz Bamiyan ist kulturell reich, aber eines der ärmsten Gebiete der Welt. Die Stadt war lange Haupthandelszentrum an der historischen Seidenstraße. Kaum zu glauben, dass hier im Jahr 2002 die Massengräber mit hunderten getöteter afghanischer Hazara entdeckt wurden. Die Hazara sind eine religiöse und ethnische Minderheit mit asiatischem Aussehen. Viele von ihnen leben in der Provinz Bamiyan. Sie hatten besonders unter den Taliban zu leiden. Deshalb ist die Wahl von Bamiyan zur südasiatischen Kulturhauptstadt für die Einwohner erfreulich. Mohammad Asef Moballegh ist Vizegouverneur der Provinz Bamiyan:
    "Allein in Bamiyan hat die UNESCO acht Kultur-Denkmäler zum Weltkulturerbe erklärt. Darunter die berühmten Buddha-Statuen und die Höhlen im Fuladi-Tal. Für Freunde und Kenner von Kultur und Geschichte hat Bamiyan also viel zu bieten. Bamiyan ist der sicherste Landesteil in Afghanistan."
    Die Zentralregierung in Kabul hat die abgelegene Region nach dem Sturz der Taliban lange Zeit vernachlässigt. Mittlerweile wird in Bamiyan viel gebaut. Die Zahl der Geschäfte und Schulen ist gestiegen. Und selbst in abgelegenen Teilen der Provinz sind Aufbauprojekte verwirklicht worden.
    "Bamiyan ist in vieler Weise eine Ausnahmeprovinz. Erstens ist sie ethnisch relativ homogen, nämlich mehrheitlich Hazara. Klein außerdem. 500.000 Menschen nur in der ganzen Provinz. Ein paar Hochtäler, die nach Osten und Westen abgeschlossen sind. Die man gut kontrollieren kann, sodass ein militärischer Einmarsch durch irgendwelche Taliban gar nicht denkbar ist."
    Alfred Horn ist einer der wenigen ausländischen Ehrenbürger der afghanischen Stadt Herat. Er schwärmt von der Schönheit der ockerfarbenen Landschaft mit ihren tiefblauen Seen und den Reizen der alten buddhistischen Kultur. Der Regionaldirektor der deutschen Hilfsorganisation Help und die Aga-Khan-Stiftung haben einen Aktions- und Budgetplan vorgestellt. Damit wollen sie der bamiyaner Provinzregierung beim Aufbau der kulturellen Infrastruktur helfen. Alfred Horn:
    "Weil Bamiyan eine Perspektive hat, für Öko- und Kulturtourismus ein wirkliches Zentrum in Afghanistan, ja, in ganz Südostasien zu werden."
    Die schönsten Zeugnisse dieser Zeit, die zwei kolossalen Buddha-Statuen in der Felswand wurden im Jahr 2001 von den Taliban gesprengt. Sie stehen trotz diverser internationaler Wiederaufbauplänen zwar noch nicht wieder in ihren Nischen:
    "Sie werden jetzt nicht wieder aufgebaut, aber zusammengefusselt wie ein Puzzlespiel. Das ist aber nicht das Einzige. Es gibt ja 300 Klöster, die in diesem Felsmassiv entstanden sind, die innen bemalt sind. Das ist Weltkultur im besten Sinne."
    An lebendiger Kultur ist viel mehr zu sehen, als man von einem solchen kleinen Ort erwarten könnte. Diesen Frühling wird die Buddha-Villa eröffnet. Das ist ein Kulturzentrum in der frisch restaurierten früheren Parteizentrale der schiitischen Afghanen nahe der Felswand mit den Buddhas. Ausstellungs- und Bildungsräume für Kunst-, Literatur- und Ökologieprojekte wird es da geben, ein Frauencafé und ordentliche Toiletten.
    "Es gibt zum Beispiel eine Filmgruppe. Die Leute gucken sich alte Filme an, diskutieren darüber, machen Filmabende. Bei uns würde man sagen kommunales Kino. Aus dieser Gruppe ist ein kleines Filmteam hervorgegangen. Die machen Dokumentarfilme. Die sind auch schon international auf kleinen Festivals gezeigt worden. Kleine Studiofilme würde man sagen über das Leben in Bamiyan, über Geschichte und so. Dann gibt es in den Dörfern um Bamiyan herum in den Hochtälern eine sehr lebendige Musikszene. Es gibt Leute, die können auf allen möglichen traditionellen Musikinstrumenten spielen, singen und sogar tanzen. Was ihnen ja den großen Zorn der Taliban eingebracht hat, dass die auch tanzen und lustig sind."
    Daneben gibt es zwei Theatergruppen, die regelmäßig auftreten. An der Kunstfakultät der staatlichen bamiyaner Universität lernen Studenten, nicht nur nach traditioneller Weise zu malen, sondern auch internationale Malstile und -techniken. Es gibt Studiengänge für Tourismus, Gastronomie und Design. Die Hazara sind sehr bildungshungrig. Frauen genießen hier mehr Freiheiten als anderswo im Land.
    "Ich fahre und meine Mitarbeiterinnen fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. In Bamiyan ist normales, ziviles Leben möglich. Und deswegen auch Entwicklung."
    Die Offiziellen der SAARC-Länder, die im Frühjahr unter anderem aus Indien und den Malediven nach Bamiyan anreisen, können dort erste Erfolge ihrer Kulturhauptstadt in Augenschein nehmen. Mit Vorsicht kritisiert Vize-Gouverneur Moballegh die Mächtigen in Kabul, die das Projekt Kulturhauptstadt an sich reißen wollen.
    "Auf jeden Fall wollen wir, dass das Aktionskomitee der SAARC-Staaten für die Kulturveranstaltungen hier in Bamiyan ein Büro bekommt und nicht in Kabul."
    Das wird möglich sein, wenn Bamiyan die Chance nutzt, die durch die Deklaration zur Kulturhauptstadt von SAARC, geboten wird.
    "Das ist eine dynamische Gesellschaft. Die ist gezwungen zur Dynamik, damit sie überleben kann, so als kleines Häuflein von Minderheiten von Hazara, so abgeschnitten im Hochland. Das haben die begriffen und nutzen das als Chance, statt sich weiter darüber zu beschweren."