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African Hebrew Israelites in Israel
Essen wie im Paradies

Sie sind aus den USA nach Israel gekommen – die schwarzen African Hebrew Israelites. Sie glauben, dass ihre Vorfahren aus dem Land der Bibel stammen. Sie feiern ähnliche Feste wie die Juden, doch als Juden fühlen sie sich nicht. Und sie essen vegan.

Von Gerald Beyrodt | 23.02.2016
    Ein veganer Burger, u.a. mit Tofu und Guacamole
    Die Tofu-Fabrik der African Hebrew Israelites versorgt vegane Restaurants in ganz Israel, etwa die bekannte Kette Buddha Burger. (imago/Westend61)
    Fleisch hat Surio Ben Israel noch nie gegessen, sein ganzes Leben nicht. Der 32-Jährige ist zweiter Küchenchef in einem veganen Restaurant in Tel Aviv. Es heißt Taste of Life oder Ta'am hachayim, also Geschmack des Lebens. Und es wird betrieben von den African Israelites of Jerusalem. Surio spricht Englisch wie die Schwarzen in den USA, ist aber in Israel geboren und in der Gruppe der "Schwarzen Hebräer" aufgewachsen, Umgangssprache Englisch. Seine Eltern stammen wie viele Black Hebrews aus den USA und sind erst nach Afrika ausgewandert und dann nach Israel eingewandert. Veganes Essen gehört zu den Grundsätzen dieser Gruppe, was religiös begründet wird.
    "Wir mussten uns auf das Buch Genesis besinnen, um zu merken: Die Ernährung verändert das Bewusstsein. Deshalb spielt Essen in unserer Lebensweise eine so wichtige Rolle."
    Im Restaurant Ta'am hachayim, Geschmack des Lebens, bringt Surio ben Israel veganes Essen auf den Tisch: gedämpftes Gemüse, Tofu und Linsen-Burger. Auf der Speisekarte steht auch ein Bibelvers aus dem Buch Genesis: "Gott sprach: Da übergebe ich euch alles Kraut, das Samen führt auf der ganzen Erde, und jeden Baum, woran Frucht ist, welche Samen führt, diese sollen euch zur Speise sein."
    In den biblischen Erzählungen vom Garten Eden ist in der Tat nur von Früchten die Rede, nicht von Fleisch. Und der mittelalterliche jüdische Philosoph Yoseph Albo glaubt, die Menschen seien ursprünglich Vegetarier gewesen. Doch auch wenn die African Israelites of Jerusalem sich auf die Bibel beziehen und einer der verlorenen Stämme Israels sein wollen, von denen in der Bibel die Rede ist – eines wollen sie nicht unbedingt sein: Juden.
    "Ich verstehe mich nicht als Jude. Unsere Gemeinschaft tut das auch nicht. Wir sind die alten hebräischen Israeliten. Natürlich haben die antiken Israeliten und das Judentum als Religion eine Menge miteinander zu tun. Es ist derselbe Rahmen und derselbe Glaube, könnte man sagen. Wir feiern schließlich Pessach wie die Juden und überhaupt die Feiertage. Was uns von Juden unterscheidet? Der Stamm Juda war nur einer der israelitischen Stämme - und zwar der letzte, die aus Israel ins Exil fliehen musste."
    In der Tat sollen Juden die Söhne und Töchter des Stammvaters Juda sein – so die gängige jüdische Überzeugung. Die anderen israelitischen Stämme verschwinden nach dem babylonischen Exil im Dunkel der Geschichte.
    Jetzt sind sie wieder aufgetaucht. Zumindest identifizieren sich zahlreiche afrikanische Ethnien mit den verlorenen israelitischen Stämmen. Doch historisch sind solche Verbindungen kaum nachzuweisen, sagt der Schweizer Judaist Daniel Lis, der zum Thema promoviert hat.
    "Was heute sehr verbreitet ist, in Afrika, ist, dass man sich auf den Lost Tribes-Mythos bezieht, den Mythos der verlorenen Stämme. Und das ist natürlich so gut wie unmöglich, das zu identifizieren. Also wie will man belegen, dass zum Beispiel die Ibu in Nigeria, dass sie zum verlorenen Stamm Gad gehören. Die Geschichte selbst ist auch sehr umstritten, ja. Wie hat das genau stattgefunden, wo sind die hingegangen, hat es überhaupt in der Art und Weise stattgefunden, wie es in den Quellen drin steht. Also da gibt sehr wenig Material. Und dieser Mythos ist heute sehr verbreitet in Afrika. Das hat natürlich auch mit einer gewissen messianischen Vorstellung zu tun. Also, wenn die Stämme gefunden würden, dann würde das messianische Zeitalter anbrechen."
    Der Anspruch zu den verlorenen Stämmen zu gehören, verbindet die African Israelites aus den USA mit den von Völkern aus Afrika. Was sie hingegen unterscheidet: Die sogenannten Schwarzen Israeliten aus den Vereinigten Staaten hatten dort einen viel intensiveren Kontakt mit jüdischen Gemeinden als afrikanische Gruppen.
    "Die schwarz-jüdischen Gemeinschaften in den USA, die "Hebrew Israelites", sind diejenigen, die mit den jüdischen Gemeinschaften am längsten und am engsten schon in Kontakt waren. Zum Beispiel: Sie haben in New York, als die Schwarzen nach Harlem gezogen sind, war da eine große jüdische Gemeinschaft, und sie haben gesehen, wie Judentum heute praktiziert wird, und sie haben sehr vieles adaptiert. Das heißt, diejenigen sind schon am längsten in Kontakt mit dem Judentum, so wie wir es kennen. Hingegen in Nigeria, da gab es kein organisiertes rabbinisches Judentum, das heißt die Leute in Nigeria, die kommen erst jetzt in Kontakt mit dem, sagen wir, normativen Judentum."
    So trägt Surio Ben Israel, der Koch aus dem veganen Restaurant in Tel Aviv, eine Kopfbedeckung, die er Kippa nennt. Wie ein Jude.
    Ursprünglich stammen die "African Hebrew Israelites" aus Chicago. Dort will der ehemalige Stahlarbeiter Ben Carter 1966 eine Vision gehabt haben. Der Erzengel Gabriel habe ihn aufgefordert, sein Volk, die afrikanischen Israeliten, wieder ins "Gelobte Land" zu bringen. Ben Carter, nennt sich fortan hebräisch Ben Ami Ben Israel, also Sohn des Volkes, Sohn Israels. Er ist überzeugt davon: Moses und die Propheten seien schwarz gewesen. Im Jahr 2014 ist Ben Ami Ben Israel in Ber Sheva im Süden Israels verstorben.
    Ihren Exodus aus den USA feiert die Gruppe immer im Mai mit einem eigenen Pessach-Fest. Im Judentum erinnert das Pessach-Fest an den Auszug aus Ägypten, an den schwierigen Weg aus der Sklaverei in die Freiheit.
    "Do we say America was our captivity? Yes. We do say that."
    Auch das Leben der Schwarzen in Amerika sei eine Gefangenschaft gewesen, vergleichbar mit der Gefangenschaft der Israeliten in Ägypten.
    Der Weg nach Israel war ebenfalls schwierig, denn lange musste die Gruppe darum kämpfen, hier leben zu dürfen. Nach langen Querelen wurde ihr 1990 der Touristenstatus zuerkannt. Seit 2003 haben die Mitglieder ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Die meisten Mitglieder der Gruppe leben abgeschieden in Dimona, in der Negev-Wüste. Dort unterhalten sie unter anderem eine Tofu-Fabrik. Die versorgt vegane Restaurants in ganz Israel, etwa die bekannte Kette "Buddha Burger".
    "Als der Schöpfer den Himmel und die Erde schuf und die Bäume, die Früchte tragen, gab er uns die Anweisung, von diesen Bäumen zu essen. Aber unsere Vorväter haben gefehlt – und der Garten Eden war verloren."
    Vegane Ernährung ist ein Geschenk Gottes. Davon ist Surio überzeugt. Ebenso wie die meisten der "Hebrew Israelites". Und so dreht sich bei ihnen fast alles ums Essen – ums Essen wie im Paradies.