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Afrikabeauftragter: Deutschland braucht Zugang zu Rohstoffen

Günter Nooke, G8-Afrikabeauftrager der Bundeskanzlerin, findet es generell wichtig, in Rohstoff liefernden Ländern auch die Weiterverarbeitung aufzubauen. Generell sei für Deutschland der Zugang zu Rohstoffen wichtig.

Günter Nooke im Gespräch mit Jule Reimer | 27.05.2013
    Jule Reimer: Der Ölpreis, der Strompreis und wie billig die Batterien dann sein werden, diese drei Faktoren nannte heute Morgen der Vorsitzende der nationalen Plattform Elektromobilität Henning Kagermann im ZDF-"Morgenmagazin". Dann sei das Ziel von einer Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bis zum Jahr 2020 erreichbar. Nicht nur im Verkehr hängt die Energiewende auch – nicht nur – vom Zugang zu Rohstoffen ab. Um diesen zu sichern, vereinbart die Bundesregierung derzeit gezielt Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern. Derzeit soll so ein Abkommen mit Peru verhandelt werden, Genaues weiß man nicht. Anfang dieses Monats äußerte hier im Deutschlandfunk Carlos Monge von der Nichtregierungsorganisation Revenue Watch die Befürchtung, dass im Zuge eines solchen Abkommens die erst junge Umweltgesetzgebung Perus unter die Räder kommen könnte.

    - Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, mit Günter Nooke zu sprechen. Er war einmal Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, heute ist der der persönliche G8-Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin und er hat in seiner Funktion schon so manche Bergbaumine besucht.

    Ich fragte ihn zuerst, inwieweit Rohstoffabkommen mit Entwicklungsländern sinnvoll sind, in denen die Umweltgesetzgebungen auf schwachen Fundamenten steht.

    Günter Nooke: Und ich würde mal mit dem Gedanken aufräumen wollen, dass die Gesetze in Afrika so viel schlechter sind als anderswo. Also, gerade schwache Regierungen, die nicht so richtig an den Rechtsstaat glauben, haben oft kein Problem damit, sehr weit gehende Gesetze zu beschließen, weil sie im Hinterkopf ja oft denken, wir müssen uns sowieso nicht dran halten. Also, es ist, wenn Sie jetzt den Bergbausektor ansprechen, eher so, dass Deutschland als eines der ältesten Bergbauländer der Welt, ein immer von der Unternehmensseite her dominiertes Bergrecht hat, das sehr unternehmensfreundlich ist und für moderne Entwicklungstheoretiker als sehr viel schlechter angesehen wird, als die meisten Bergbaugesetze, die heute in afrikanischen Ländern gelten. Die Frage ist nur, ob am Ende nicht, weil man sich in Deutschland an das Gesetz halten muss und in Afrika eben nicht, man nicht doch anders produziert. Ich glaube eher, dass es spannend wäre, wenn einzelne Unternehmen wirklich mal zeigen, dass verantwortlicher Bergbau auch in Afrika funktioniert. Und es wäre auch gut, wenn man zeigt, es lässt sich immer auch noch Geld verdienen, selbst wenn man Sozial- und Umweltstandards einhält, Rückstellung für Rekultivierung von Tagebau- oder Bergbauflächen bereithält und eben auch eine vernünftige Förderabgabe für die Länder und für die Einnahmen im Haushalt dort bereithält. Dann kann man immer noch gute Löhne zahlen und an die Sicherheit der Arbeiter denken.

    Reimer: Aber wenn es anders auch geht, ist die Versuchung natürlich doch groß, mehr Geld zu verdienen!

    Nooke: Ja, ich glaube, dass genau aus dem Grund auch deutsche Bergbaufirmen in den 1970er- und 80er-Jahren aus dem Geschäft ausgestiegen sind, weil sie den Wettbewerb, der eher nach unten, was Arbeitsbedingungen und -standards anging, sich bewegte, nicht mitmachen wollten. Oder weil das eben natürlich auch geschäftsschädigend ist für eine Firma, die in Deutschland oder Nordamerika eben Compliance-Richtlinien erfüllen muss. Und von daher glaube ich schon, dass es eben gut wäre, dass man heute zeigt, vielleicht auch mit nicht nur den ganz großen Bergbauunternehmen, dass es eben auch anders geht, dass man mit Renditen von zehn Prozent genauso vielleicht leben kann, wie mit welchen von 30 oder was auch immer. Also, ich bezweifle allerdings, dass das einfach ist. Und ich glaube auch, dass der Bereich Rohstoffwirtschaft einer der kompliziertesten, in jeder Hinsicht kompliziertesten, überhaupt ist und dass Sie natürlich Milliarden von Investitionen im Vorfeld tätigen müssen, und die müssen Sie vorfinanzieren, da müssen Sie an die Rahmenbedingungen, zumindest an eine gewisse Stabilität glauben. Wenn über zehn Jahre Bürgerkrieg ist, können Sie die Mine hinterher vergessen, dann ist sie wahrscheinlich weniger wert, als wenn Sie sie nie aufgemacht hätten. Also, da sind so viele Dinge, die da reinspielen, aber sie sind natürlich auch, wenn Sie einmal so ein Riesenunternehmen anfangen würden in einem Land, ein Faktor, dass auch die politischen Verantwortlichen in diesem Land an Stabilität interessiert sind, weil natürlich mit Bergbau auch relativ viel Investitionen ins Land kommen. Es kommen nicht so viele Arbeitsplätze, deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass man auch die Rohstoffe weiterverarbeitet und natürlich diese in unserem Sinne Rohstoffwirtschaft in diesen Ländern eigentlich aufgebaut wird. Aber das könnte man ja politisch vereinbaren.

    Reimer: Ist es denn sinnvoll, so wie es die Bundesregierung derzeit tut, in allen möglichen Verträgen den Bereich Rohstoff zu verankern? Damit werden ja Entwicklungsländer auch auf eine ganz bestimmte Schiene geschoben, die sie vielleicht gar nicht wollen. Es ist ja auch die Frage, nur Rohstoffabbau kann ja mitunter auch der falsche Weg sein!

    Nooke: Aber ich kenne jetzt nicht die Verträge, die Sie meinen. Es gibt zwei Rohstoffpartnerschaften mit Kasachstan und der Mongolei. Ich glaube, dass das Möglichkeiten sind, die man nutzen kann, wenn die Länder dazu bereit sind. Sie müssen dann aber auch von der Privatwirtschaft von deutscher Seite unterfüttert werden und mit Leben erfüllt werden, das ist gar nicht so ganz einfach. Das Mittel der Wahl ist es eigentlich nicht, denn es kann nicht sein, dass jeder irgendwie versucht, mit einem Land eine Rohstoffpartnerschaft herzustellen. Irgendwann - ich glaube, das ist schon geschehen – kauft dann Toyota in Vietnam die Lagerstätten der seltenen Erden auf für die zukünftigen Elektroautos. Da sind dann gar nicht mehr Staaten beteiligt, sondern da machen dann Privatfirmen Rohstoffpartnerschaften mit den Entwicklungsländern. Das, glaube ich, ist nicht die Idee von freier oder sozialer Marktwirtschaft, die wir haben, und von Ordnungspolitik. Und ich würde schon denken, dass es besser wäre, für Rahmenbedingungen zu sorgen, einfach die Standards zu setzen, indem man sie gemeinsam verwirklicht, umsetzt. Ich denke nicht, dass es gerade wie in Afrika oder auch anderen Entwicklungsländern allzu viel hilft, weiter an der Ausgefeiltheit von Gesetzesvorlagen zu arbeiten. Sondern ich glaube, es geht wirklich darum zu zeigen, wir stehen zu dem, was wir sagen, und wir machen es vielleicht auch ein bisschen anders. Nicht nur anders als die Chinesen, sondern vielleicht auch anders als die Kanadier und Australier.

    Reimer: Von peruanischer Seite haben wir als Deutschlandfunk gehört, dass es Verhandlungen gibt zwischen Peru und Deutschland über ein Rohstoffabkommen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat das weder bestätigt noch dementiert. Peru ist eines der Länder mit sehr vielen Konflikten im Bereich Bergbau. Also, es gibt rund um den Bergbau Bergbauprojekte, Konflikte im zweistelligen, hohen zweistelligen Bereich, wo die Bevölkerung das ablehnt, Sorge hat vertrieben zu werden, dass denen die Lebensgrundlagen entzogen werden, Wasserverschmutzung, da wird ja auch Zugang zu Wäldern et cetera zerstört. Es gab über zwölf Tote seit Amtsantritt von Präsident Humala in Bergbaukonflikten. Ist das klug, in so einer Situation Rohstoffabkommen zu verhandeln?

    Nooke: Also, Sie fragen mich jetzt über eine Sache der Bundesregierung als Afrikabeauftragten der Kanzlerin. Also, ich kann mich und will mich auch gar nicht zu Peru äußern.

    Reimer: Thema Menschenrechte?

    Nooke: Ja, das Thema Menschenrechte spielt in der werteorientierten Außenpolitik eine entscheidende Rolle, wie Außenminister, aber auch Entwicklungsminister Dirk Niebel immer wieder sagen. Und von daher muss man sich überlegen, ob man solche Rohstoffpartnerschaften mit solchen Ländern eingeht, ob die wirklich am Ende so viel bringen. Aber ich glaube auch, dass klar sein muss, dass im Rohstoffbereich natürlich immer Betroffene auch dagegen sein werden. Das ist hier in Deutschland beim Braunkohlentagebau oder wenn wir eine neue Kupfermine aufmachen auch so. Das kann man nicht erwarten, dass das in anderen Ländern anders wäre. Die Frage ist nur, wie löst man solche Konflikte, kann man sich auf solche Länder verlassen, auf die Regierung. Oder ist das alles hoch korrupt und nimmt man das Geld, das man dort für die Dinge bereitstellt, für etwas anderes? Dass eine exportorientierte Wirtschaft wie Deutschland sich auch darum kümmert, eine gewisse Rohstoffsicherheit für die Zukunft herzustellen, das finde ich in Ordnung. Und dass wir inzwischen auch wieder merken, dass es so etwas wie den Primat der Politik gibt und am Ende eben vielleicht doch nicht nach WTO-Regeln, sondern nach politischen Machtverhältnissen entschieden und gespielt wird. Das ist ja vielleicht auch ein Lernprozess, wo ich als Politiker etwas schmunzele und sage, vielleicht hätten das die Wirtschaftsführer auch schon eher bemerken können.

    Reimer: Bergbauumweltgesetze und Menschrechte, das Gespräch mit Günter Nooke, dem Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin, habe ich am Rande einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Spannungsfeld Entwicklungspolitik und Außenwirtschaftsförderung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.