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Afrikanische Kunst statt Kunsthandwerk

Afrika wird gemeinhin eher als Standort der Produktion von Kunsthandwerk betrachtet. Doch auch auf dem schwarzen Kontinent wird ernsthaft Kunst und Design betrieben. Mit Vorurteilen aufräumen wollen jetzt die Macher der Ausstellung "The Global Africa Project" im Museum of Arts and Design in New York.

Von Sacha Verna |
    Bis vor Kurzem nahm man den afrikanischen Weidenkorb gerne mit zum Einkaufen auf den Gemüsemarkt. Auf den Cocktailempfang ging man aber dann doch lieber mit dem Gucci-Täschchen. Das soll sich nun ändern:

    "Die Vorstellung von Afrika und dem afrikanischen Volk als primitive Kunsthandwerker ist fasch. Die Kunsthandwerker im Afrika von heute verbinden Tradition mit Zukunft. Sie reagieren auf die Bedürfnisse des Marktes und sind sehr gut organisiert. Sogar das nomadische Volk der Massai verfügt über eine Website. Kreativität in der afrikanischen Welt geht weit über Weidenkörbe hinaus, und selbst was die Weidenkörbe betrifft, besteht ein starkes Marketing- und Designkonzept."

    Sagt Lowery Stokes Sims, die Co-Kuratorin von "The Global Africa Project". Es ist dies eine der ersten und umfangreichsten Ausstellungen, die dazu beitragen will, dass Kunst, Kunsthandwerk und Design aus dem zeitgenössischen Afrika das Etikett des Dritte-Welt-Gebastel endlich loswird. Über hundert Künstler sind darin vertreten, deren Kreationen von Möbeln, Mode und Keramik bis zur bildenden Kunst reichen.

    Zu den Namhaftesten gehört Kehinde Wiley. Der in New York lebende Maler zeigt hier eines jener naturalistischen Porträts urbaner Afro-Amerikaner, für die er bekannt ist. Doch die eigentliche Aufmerksamkeit gilt den schicken mitternachtsblauen Turnschuhen und den T-Shirts, die Wiley im Auftrag des Sportartikelherstellers Puma für die Fußballweltmeisterschaft in Afrika entworfen hat.

    Die Grenzen zwischen Kunst und Design seien längst nicht mehr klar definierbar, meint Lowery Stokes Sims. So ist das mehrstöckige schwarze Objekt aus der Harlem's Heaven Hat Boutique Skulptur und warmer Filzhut in einem. Und der kunterbuntscheckige Quilt aus der Siddi Women's Quilting Cooperative eignet sich als Bettüberwurf ebenso wie als Wandschmuck.

    Bei den Vorbereitungen für diese Ausstellung sei unweigerlich die Frage aufgekommen, was besser sei für Afrika, Investitionen oder Entwicklungshilfe, sagt Lowery Stokes Sims:

    "Ich erinnerte mich an das Werk des peruanischen Ökonomen Hernando de Soto, der über den sogenannten Dritten Weg schrieb, über die Möglichkeiten zur Gründung selbstständiger Unternehmen trotz fehlender Infrastruktur. Ich sehe Kunst, Kunsthandwerk und Design als Dritten Weg für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas."

    Bis das Label "Made in Africa" ein Bestseller ist, wird es noch eine Weile dauern. Doch was Weidenkörbe an Cocktailempfängen angeht: Die Gahaya Links Weaving Association, ein Gemeinschaftsunternehmen von Hutu- und Tutsi-Frauen in Ruanda, beschäftigt inzwischen 4000 Angestellte. Zu ihren Hauptkunden zählt Macy's, Amerikas prestigeträchtigste Kaufhauskette. Wer dem Trend voraus sein möchte, ersetzt also besser jetzt schon das Gucci-Täschen durch afrikanisches Flechtwerk.

    Die Ausstellung "The Global Africa Project" im Museum of Arts and Design in New York dauert bis 15. Mai. Dazu ist unter demselben Titel ein 280-seitiger Katalog erschienen. Er kostet 49.95 Dollar.