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Afrikas jüngste Diktatur : Journalistenverfolgung in Eritrea

Mit der Nationalhymne beginnt sie jeden Abend :die 20.00 Uhr Tagesschau im eritreischen Staatsfernsehen ERI –TV . Es ist eine sehr lange Tagesschau .Denn alle Nachrichten über die angeblich großartige Politik des eritreischen Präsidenten, seine Exzellenz Isajas Afewerki werden in den vier Landessprachen Eritreas verkündet.

Ralph Sina |
    Unser Programm ist nicht nur vielsprachig, sondern auch vielseitig, schwärmt Generaldirektor Ali Abdul von Eri-TV. Eritreas Staats- Fernsehen zeige hervorragende Filmproduktionen aus Hollywood und der Bundesrepublik.

    Und auch bei der Politikberichterstattung verstehe man sich als weltoffener Sender. Mit direktem Zugang zu dem Filmmaterial von Reuters, bbc und cnn.

    Afrikas jüngster Staat sei ein Arbeitsparadies für junge , dynamische Journalisten und Eritrea ein Eldorado der Meinungsfreiheit in Afrika, behauptet der Generaldirektor des Staatsfernsehens. Schließlich sei der innere und äußere Friede das oberste Ziel der eritreischen Regierung.

    Szenenwechsel. - Mit ihren Kalaschnikow-Maschinengewehren feuern eritreische Grenzsoldaten und Geheimpolizisten vor einem Jahr mehrere Salven auf den 37 alten Zeitungsgründer und Redakteur Aaron Berhane .

    "Die Soldaten stoppten uns an der Grenze zum Sudan. Ich wusste: Du hast jetzt nur eine Chance. Wenn sie Dich kriegen, töten sie Dich. Renn, renn um Dein Leben," das war der einzige Gedanke des eritreischen Journalisten Berhane.

    Ich begann zu rennen. Über die eritreische Grenze in den Sudan. Zusammen mit einem Zeitungskollegen und einem Freund. Obwohl wir längst auf sudanesischem Territorium waren , feuerten die eritreischen Polizisten und Soldaten immer weiter auf uns.

    Sein Freund und sein Redaktionskollege wurden von der eritreischen Soldateska geschnappt.

    Doch Aaron Berhane gelang die Flucht. Zwei Stunden ist er ununterbrochen gerannt, anschließend sieben Stunden marschiert. Immer weiter. Bis zur Bewusstlosigkeit, tief in den Sudan.

    Ich war Gründer und Chefredakteur der ersten unabhängigen Zeitung in Eritrea. Diese Zeitung erschient zunächst wöchentlich. Und schließlich wegen des großen Erfolges täglich. Der Name der Zeitung lautetet Setit.

    Setit erschien zum ersten Mal im August 97. Wegen seiner guten Politikberichterstattung und Themenmischung gewinnt die Zeitung im winzigen Eritrea auf Anhieb über 40.000 Stammleser.

    Berhanes Blatt ist von Anfang an regierungskritisch, fordert eine demokratische Verfassung für Eritrea, berichtet über die mörderischen Verhältnisse in Eritreas Arbeitslagern und über das spurlose Verschwinden von politischen Gefangenen.

    Die innenpolitische Situation in Eritrea wurde nach dem Krieg gegen Äthiopien immer angespannter, erinnert sich Aaron Berhane.

    Eritreas ehemaliger Freiheitskämpfer Afewerki entwickelte sich zum Despoten im Präsidentenamt .Afewerkis Herrschaft sei illegal und verfassungswidrig, werfen ihm 15 seiner engsten ehemaligen Mitkämpfer und Parteifreunde im Juni 2001 in einem offenen Brief vor.

    Nachdem wir diesen offenen Brief der sogenannten Dissidenten in unserer Zeitung abgedruckt hatten, kam es in Eritrea zu erregten Diskussionen, erinnert sich Aaron Berhane. Und zu wütenden Ausfällen der Regierung.

    Tag und Nacht terrorisieren Mitarbeiter des Regierungssprechers und Eritreas nationaler Sicherheitsdienst den Zeitungsherausgeber Berhane. Geheimdienstmitarbeiter lauern ihm vor der Haustür auf. Terrorisieren ihn telefonisch.

    Das ist Deine letzte Chance, schrieen sie. Wenn Du nicht aufhörst das Volk aufzuhetzen, bringst Du Dich selber in höchste Gefahr.

    Am Abend des 11. September 2001, im publizistischen Windschatten der Terrorangriffe auf Amerika, schlägt Eritreas Präsident zu. Afewerki lässt die 15 Verfasser des offenen Briefs in Internierungs-Lager sperren , darunter drei ehemaliger Minister. Der Staatschef verbietet wenige Tage später alle acht unabhängigen Zeitungen . Und lässt neun Journalisten in der Hauptstadt Asmara verhaften.

    Aaron Berhane steht ganz oben auf der Fahndungsliste. Sie wollen Dich umbringen . Tu etwas, rette Dein Leben, appellieren seine Freunde.

    Im Kugelhagel der eritreischen Soldaten flieht Berhane uin den Sudan , von dort weiter nach Kenia.

    Und hält er sich jetzt zehntausende Kilometer von Afrika entfernt versteckt. Immer in der Angst, dass ihn der eritreische Geheimdienst dort aufspürt. Und in permanenter Angst um seine neun Zeitungskollegen, von denen niemand weiß, in welchen eritreischen Gefängnissen sie festgehalten werden.