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Agavendicksaft und Co.
"Das ist eigentlich genau wie Zucker"

Saft, Limo, Kuchen, Ketchup: Die Deutschen essen zu viel Zucker - und zum Teil sei ihnen das gar nicht bewusst, sagte Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung im Dlf. Selbst vermeintliche Alternativen wie Agavendicksaft seien ernährungsphysiologisch nicht besser als Haushaltszucker.

Antje Gahl im Gespräch mit Georg Ehring | 02.01.2019
    Alternative Süßungsmittel wie Ahornsirup, Agavendicksaft und Honig stehen zusammen auf einem Tisch
    Ahornsirup, Agavendicksaft und Honig sind laut DGE-Expertin Antje Gahl nur vermeintliche Alternativen zum Zucker (picture alliance/ imageBROKER)
    Georg Ehring: Frau Gahl, wie viel Zucker nehmen wir eigentlich zu uns im Schnitt, und wie viel sollte es sein?
    Gahl: Wir nehmen natürlich Zucker nicht nur in Reinform als Haushaltszucker zu uns, sondern wir essen insgesamt auch Kohlenhydrate. Das heißt, wir essen Nudeln, wir essen Kartoffeln, Reis. Das sind die sogenannten komplexen. Aber wo wir so ein bisschen Augenmerk drauf haben, ist der Zucker, den wir als freien Zucker oder als zugesetzten Zucker zunehmen. Das heißt, alles das, was wir über Süßwaren, über zuckerhaltige Getränke zu uns nehmen oder auch in verarbeiteten Lebensmitteln. Da sind wir doch recht weit gediehen, das heißt, wir nehmen an diesen Zuckern schon über 60 Gramm bei den Frauen und fast 78 Gramm bei den Männern auf. Das ist eine tägliche Zuckerzufuhr, die doch insgesamt sehr hoch ist, und da wünschen wir uns, dass das etwas geringer sein könnte.
    Vermeintliche Zuckeralternativen nicht besser
    Ehring: Auf wie viel ungefähr?
    Gahl: Also, wenn wir mal von einer durchschnittlichen Gesamtenergiezufuhr von 2.000 Kalorien ausgehen, die wir so als sitzender Mensch täglich in unserer Umwelt verbrauchen ungefähr, dann bräuchten wir nicht mehr als 50 Gramm Zucker. Was heißt bräuchten - also das heißt, das ist keine empfohlene Zufuhr. Das ist aber sowas wie eine verträgliche Zufuhr, wo man sagt: Das ist in einem gewissen Maß, wo man Genuss und Gesundheit miteinander verbinden kann.
    Ehring: Was zählt denn dann alles dazu? Sie haben schon so ein bisschen aufgezählt, aber es gibt ja zum Beispiel Honig und Agavendicksaft. Das sind Dinge, die als Alternativen zum Zucker propagiert werden, oder muss man die auch dazuzählen?
    Gahl: Also, die muss man auf jeden Fall auch dazuzählen! Wir haben uns da an die Weltgesundheitsorganisation, an deren Definition, gehalten. Die sprechen von freien Zuckern. Das sind: der Haushaltszucker, der Honig, die Sirupe oder auch der Agavendicksaft, den wir oder Hersteller den Lebensmitteln zusetzen. Was auch dazuzählt sind noch die natürlich enthaltenen Zucker, in Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten. Ansonsten sagen wir von den natürlich enthaltenen Zuckern, die in der Milch vorkommen oder im Obst oder Gemüse, die werden nicht dazugezählt. Wir haben natürlich ganz viele von diesen Alternativen, wie Sie auch schon ansprachen: ob es der Agavendicksaft oder der Honig ist, den wir dann zusetzen. Wo wir sagen: Ach, das ist die vermeintlich gesündere Alternative. Das ist eigentlich genauso wie Zucker zu sehen. Das ist auch ernährungsphysiologisch oder von der Zusammensetzung her nicht besser.
    Zurückhaltung auch bei Süßungsmitteln geboten
    Ehring: Aber Süßstoffe sind schon was anderes?
    Gahl: Süßstoffe sind etwas anderes. Das sind künstlich hergestellte Süßungsmittel. Die haben im Vergleich zu Zucker keine Kalorien, aber natürlich einen sehr süßen Geschmack. Natürlich kann das eine Alternative sein oder kann unterstützend eingesetzt werden. Wer jetzt wirklich sehr viel Zucker verzehrt und versucht, Gewicht abzunehmen und da ein bisschen Schwierigkeiten hat, kann natürlich auch mit solchen Süßstoffen gerade in Getränken sicherlich einiges an Kalorien einsparen. Dennoch sage ich auch immer: Wir haben trotzdem diesen süßen Geschmack. Also ich will jetzt nicht sagen, wir gaukeln dem Körper was vor. Aber dennoch, der Süßgeschmack ist immer noch da, auch wenn wir Süßstoffe verwenden. Und auch da würden wir zu einem überlegten Einsatz raten. Also nicht einfach jetzt den Zucker überall durch Süßstoffe ersetzen, sondern vielleicht überlegen: Wo kann ich darauf verzichten? Muss ich in meinem Kaffee ein, zwei Teelöffel Zucker haben? Muss ich überall süßen? Das ist eher so die Überlegung.
    Ehring: Wie komme ich denn runter von zu hohem Zuckerkonsum? Gibt es da praktische Empfehlungen?
    Gahl: Ja, natürlich. Natürlich weiß jeder, dass Süßwaren, Kuchen und die Weihnachtsplätzchen sicherlich süß sind. Aber gerade bei den Getränken - insbesondere auch den Limonaden, Fruchtsaftgetränken, Fruchtnektaren - können wir sicherlich sehr viel einsparen, insbesondere wenn man da sehr viel von trinkt. Also da kann man sagen, bei Getränken am besten merken: Nehmen Sie die kalorienfreien Getränke. Zum Durstlöschen am besten Wasser trinken oder auch kalorienfreie Getränke wie ungesüßten Tee. Das sage ich auch immer beim Kaffee. Natürlich, wir lieben alle Kaffee. Da kann man vielleicht gucken: Brauche ich den mit Zucker? Oder muss dann vielleicht der Latte Macchiato noch mit Zucker zugesetzt sein? Oder dass ich da auch nicht so viel von trinke. Das sind einfach manchmal so Kalorienfallen, die einem gar nicht so bewusst sind. Ansonsten steckt viel Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln, unter anderem in Milchprodukten, zum Beispiel die Fruchtjoghurts, Fruchtquarks, Milchmischgetränke, Kakaos. Da können wir sicherlich einiges einsparen. Aber auch in vielen Fertigsaucen - gewürzten Saucen wie Ketchup oder Salatdressings - können sich auch schon relativ hohe Zuckermengen verbergen. Also auch da kann man was einsparen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.