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Agrar-Modellregion Chiemgau

Für den Bio-Landwirt Joseph Hohlweger ist die Begegnung noch immer beeindruckend. Renate Künast auf seinem oberbayrischen Hof in Ruhpolding. Damals im Frühjahr 2002 hatte er gerade das Büro der neuen "Region Aktiv" eingerichtet. Im selben Zimmer wie seine Frau, die die gemeinsame Ziegenzucht nach Demeter-Richtlinien betreut.

Susanne Lettenbauer |
    Nach dem Sieg im Wettbewerb um die bundesdeutschen Modellregionen hatten er und sein frisch gegründeter Verein voller Elan vor allem ein Ziel: Stärkung der Innovationsbereitschaft durch Qualifizierung der ländlichen Bevölkerung, sprich: Mit Projekten den Bewohnern auf dem Lande zu zeigen, wie sie von und mit ihrer nächsten Umgebung leben können. Im Blickpunkt immer die ökologisch-naturverträgliche Ausrichtung.
    Heute hat seine Frau wieder mehr Platz im häuslichen Arbeitszimmer. Die Geschäftsstelle der "Region Aktiv" ist nach Altötting gezogen und Josef Hohlweger nur noch auf der veralteten Website der Geschäftsführer. Der Grund:

    Es wurde sehr stark in Richtung Landwirtschaft gehandelt, das natürlich sehr wichtig ist, gerade für uns, da wir ja stark landwirtschaftlich geprägt sind. Aber wir haben auch viele andere Interessengruppen, wie z.B. den Tourismus, das regionale Handwerk, die berücksichtigt werden müssen. Und die natürlich auch Partner der Landwirtschaft sind und als solche anerkannt werden müssen. Das war eigentlich der auslösende Faktor, dass man sich zu wenig um diese Klientel gekümmert hat und auch deren Interessen nicht wahrgenommen hat.

    Mit dieser Meinung ist Joseph Hohlweger nicht allein.

    Hans Urbauer ist seit über 25 Jahren Biolandwirt in Kienberg, Mitbegründer von Region Aktiv und Mitbetreiber des Bauernladens in Freilassing:

    Es war personell unterbesetzt, also von den Hauptamtlichen her. Es ist auch von der Ausrichtung her mehr von oben herab ausgerichtet gewesen und eine Geschichte, die aufs Geldverteilen ausgerichtet war. Also da sind Funktionäre nach außen aufgetreten, die gesagt haben: Wir haben einen Haufen Geld, kommt's und ihr kriegt es eines und haben dann erwartet, dass sie für dieses Geldverteilen auch entsprechend gelobt werden hinterher. Das Interessante war dann, dass die Aussicht auf dieses Geld eine Intrigenwelle in Gang gesetzt hat, wo ich gesagt hab, also unter diesen Bedingungen gehe ich nicht in den Vorstand .

    13 Projekte wurden bislang trotz allem auf den Weg gebracht, darunter die Konzeption und Machbarkeit der mobilen Käserei auf der Kallbrunnalm, ein Monitoring Tauernschecken - innovative Ziegenbeweidung am Burgberg Burghausen, aber auch die Durchführung einer Milchtagung, die Ingangsetzung eines regionalen Wirtschaftskreislauf zur Nutzung von Pflanzenöl als Fahrzeug-Treibstoff und die Vorbereitung zur Landesgartenschau 2004 in Burghausen waren dem Berliner Landwirtschaftsministerium Gelder wert. Von den wochenlangen Querelen, ehe diese Projekte überhaupt bearbeitet wurden im fernen Berlin, redet man lieber nicht mehr. Auch nicht von den Akzeptanzproblemen, die ein Projekt einer Grünen-Politikerin in Oberbayerns CSU-Landschaft hat.

    Und natürlich sahen die bereits existierenden Vereine der Region wie das Ökomodell Achental der "von oben" finanzierten Modellregion argwöhnisch über die Schulter. Andere gemeinnützige Vereine kannten bis zu einem kürzlich im Landratsamt Traunstein anberaumten ersten Treffen noch nicht einmal von der Existenz der Modellregion "Region Aktiv". Erst bei mehreren Einzel-Informationstreffen mit Initiativen seiner Region wurde Landrat Hermann Steinmaßl bewusst, wie viele Ehrenamtliche parallel an der Entwicklung ihres und seines ländlichen Raumes herumlaborieren, ohne sich untereinander zu kennen.

    Joseph Hohlweger, Ex-Geschäftsführer der "Künastregion" kann hingegen dem Wirrwarr nicht nur im Chiemgau-Inn-Salzach-Gebiet sondern auch im Hinblick auf die 17 Schwestern-Modellregionen noch etwas Positives abringen:

    Es war also in allen 18 Regionen so, dass man sich halt untereinander verständigt hat und gefragt hat, wie macht ihr dies, wie macht ihr das. Es war letztendlich ein Erfahrungsaustausch untereinander und ein Langhangeln an verschiedenen Paragrafen und Vorschriften, um zu schauen, dass man nicht irgendwo aneckt, aber ansonsten war es schon eine sehr freie Spielwiese.

    Ob durch die bewilligten Projekte das einstmals angestrebte Ziel "Stärkung der Innovationsbereitschaft durch Qualifizierung der ländlichen Bevölkerung" erreicht werden konnte und die Vermarktung regionaler Produkte die 5% Marke überschritten hat, wird man erst im Jahr 2005 mit Auslaufen der Förderung wissen. Hans Urbauer als Initiator der Bewerbung um "Region-Aktiv" war sich vorab schon sicher, dass das Projekt nur eine Art Anschubfinanzierung sein kann. Diese großen Summen von 3,3 Mill. Euro für 3 Jahre, so seine Meinung, sind in Zukunft nicht mehr nötig, wenn man 2-3 hoch motivierte Mitstreiter an die Spitze einer Region stellt: Um Netzwerke zu entwickeln und zu pflegen sowie bei Förderanträgen zu helfen. Begriffe wie Sparsamkeit, Effizienz stehen für ihn sowieso an erster Stelle. Dass die Künast-Regionen gescheitert sind, mag er so definitiv nicht sagen, eher hat man in Berlin zuerst gehandelt und dann nachgedacht. Derselben Meinung ist auch Joseph Hohlweger.
    Sein Fazit:

    Es war ein Schnellschuss in meinen Augen, das ist auch so vom Ministerium mittlerweile zugegeben worden. Es ging darum, etwas zu initiieren. Hintergrund der Sache ist, dass man auch Entwicklung feststellen kann, wie kann ich eine Region weiter bringen, wie kann ich die Landwirtschaftsförderung effektiver gestalten. Das ist eigentlich der Kernpunkt. Dazu waren aber die Strukturen nicht vorhanden.

    Sicher ist auf jeden Fall eines:
    Wenn am 13. und 14. November rund 1.000 Landwirtschafts-Experten der EU die "Entwicklung des ländlichen Raumes" in Salzburg erörtern und mit EU-Agrarminister Franz Fischler sowie Renate Künast die Region Chiemgau besuchen werden, dann wird der Hof von Jospeh Hohlweger nicht mit auf dem Programm stehen.