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Agrarfabriken biologisch

Ökologische Landwirtschaft – darunter stellen sich viele einen kleinen Familienbetrieb vor mit ein paar Kühen, Schweinen und ein wenig Gemüsezucht. Auch in Deutschland gibt es aber mittlerweile riesige, hochspezialisierte Öko-Betriebe, wie das Beispiel der Agrargesellschaft Zingst in Mecklenburg-Vorpommern zeigt.

von Florian Moritz |
    Saftig-grüne Wiesen soweit das Auge reicht, dazwischen kleine Waldstücke und aus dem Norden weht eine frische Ostsee-Brise. Die Halbinsel Fischland-Darss-Zingst, in der Nähe von Rostock, ist nicht nur ein Magnet für Urlauber, sondern auch ein Paradies für Kühe: Auf die rund elftausend menschlichen Bewohner kommen mehr als halb so viele Wiederkäuer. Und die sind nicht etwa auf engen Weiden eingegattert, sondern grasen frei auf kilometerweiten Flächen. Die meisten von ihnen gehören zur Agrargesellschaft Zingst. Der Öko-Betrieb ist mit einer Fläche von 4000 Hektar fast doppelt so groß wie die Insel Norderney und damit einer der größten Bio-Rindfleisch-Produzenten Deutschlands. Geschäftsführer Karl-Heinz Daetz:

    Die Tiere fühlen sich wohl, sie haben insgesamt 10.000 qm pro Tier zur Verfügung. Sie haben freien Auslauf. Die Kälber fühlen sich natürlich besonders wohl im Mutterkuhbereich. Sie bekommen nicht wie herkömmlich in einem Milchviehbetrieb fünfzig, siebzig, achtzig Liter Vollmilch. Unsere können sieben, acht bis zehn Monate bei der Mutter bleiben und verkonsumieren in dieser Zeit bis dreieinhalb tausend Liter Vollmilch. Natürlich gibt’s auch keine Besamung bei uns, dafür haben wir Deckbullen im Bestand. Es läuft wie in der Natur, beim Wild.

    Alle Rinder werden auf dem Hof geboren und ernähren sich ausschließlich von dem Futter, das bei Daetz wächst. Von Dezember bis April sind die Tiere in riesigen Stallanlagen untergebracht – in Laufställen mit rund zehn Quadratmetern Platz pro Tier. Von den fünfeinhalbtausend Rindern der Agrargesellschaft Zingst wird jährlich fast die Hälfte geschlachtet. Ihr Fleisch landet nicht nur im Bioladen, sondern auch in Babynahrung der Firma Hipp, in den Kühlregalen bei Edeka oder auf dem Grill bei McDonald’s – um nur drei von Daetz größten Kunden zu nennen.

    Wir liefern in erster Linie an Großabnehmer. Wir liefern die Tiere alle über den Weidehof, über eine Erzeugergemeinschaft, die wir hier in Mecklenburg Vorpommern gebildet haben. Auch wir in dieser Größenordnung sind zu klein, um alleine gegenüber dem Handel aktiv zu werden. Deshalb die Erzeugergemeinschaft.

    Einen großen Kostenvorteil hat seine Rinderfarm gegenüber kleinen Öko-Höfen nicht, meint Daetz. Er sieht einen anderen Vorteil seines Betriebs: Die einheitliche Qualität des Fleisches in großen Mengen. Großkunden wollten zentral einkaufen und nicht auf unzählige kleinere Bio-Betriebe zurückgreifen.

    Einen Widerspruch zwischen der Massenproduktion und ökologischer Landwirtschaft gibt es für Daetz nicht. Und auch Naturschutzverbände finden, dass groß nicht automatisch schlecht bedeutet. Florian Schöne, Agrar-Referent beim Naturschutzbund Deutschland, NABU:

    Aus Naturschutzsicht ist die Betriebsgröße nicht das entscheidende Kriterium. Es zählt vielmehr die Frage, wie wird der Betrieb bewirtschaftet und hier stellen wir fest, dass auch große Betriebe, sehr große Betriebe durchaus wichtige Naturschutzleistungen erbringen können. Sie können ja auf den großen Flächen durchaus Teilbereiche stilllegen und dort ganz gezielt Naturschutzmaßnahmen umsetzen. In der Tierhaltung ist in erster Linie wichtig, die artgerechte Haltung. Und hier haben wir auf großen Betrieben häufig Mutterkuhhaltung, die ganzjährig auf der Weide stattfindet und das ist aus sowohl Naturschutz- als auch Tierschutz-Sicht sicherlich die ideale Form der Tierhaltung.

    Ein ökologisches Problem ist allerdings die Vermarktung: Große Betriebe, wie die Agrargesellschaft Zingst, verkaufen ihr Fleisch an Großabnehmer in ganz Deutschland. Das heißt: Lastwagen fahren Hunderte von Kilometern, um das Fleisch zu den Kunden zu bringen, verbrauchen nicht erneuerbare Energie und pusten Abgase in die Luft. Das schmerzt Florian Schöne vom NABU. Aber es sei nun mal kaum möglich, die Waren nur in der Region zu verkaufen, wie es kleinere Biohöfe anderswo machten.

    Ein Problem ist natürlich, dass die Großbetriebe überwiegend in extrem dünn besiedelten ländlichen Räumen, vor allem Nord-Ost-Deutschland sind und dort sind einfach nicht die Märkte. Diese Betriebe haben nicht die Möglichkeit in die Direktvermarktung einzusteigen die müssen natürlich sich ihre Absatzmärkte in den Ballungsräumen Berlin, Hamburg oder Ruhrgebiet suchen. Das ist natürlich nicht Ideal aus Sicht der Transportwege aber hier gibt es meines Erachtens keine Alternative und man muss dann natürlich auch in Kauf nehmen, dass die Betriebe überregional vermarkten.