Archiv


Agrarfachleute in Betrieben unterwegs

So richtig spannend hört sich der Termin nicht an: Rindermastbereisung. Und tatsächlich geht es bei diesem alljährlich stattfindenden Ereignis im Bundesland Schleswig-Holstein um die Rindermast. Aber eben nicht nur. Denn bei diesem Treffen sind viele Agrarfachleute dabei - nicht nur aus dem hohen Norden, sondern auch aus anderen Bundesländern und auch aus der europäischen Liga.

Von Annette Eversberg |
    Bei der diesjährigen Rindermastbereisung entlang der deutsch-dänischen Grenze wurde eine erste Bilanz gezogen. Seit Januar dieses Jahres greift die Entkopplung der Prämien von der Produktion im Rahmen der EU-Agrarreform. Das bedeutet, die Rindermäster bekommen keine Prämie mehr für ihre Tiere. Franz Hansen von der Rinderspezialberatung Südtondern entwarf vor Landwirten und Politikern denn auch ein eher düsteres Szenario.

    " In der Bullenmast ist es so, dass starke Verluste hinzunehmen sein werden. Wenn es dabei bleibt, dann wird die Bullenmast in Deutschland sich endgültig verabschieden."

    Die Zahl der Rinder in Deutschland ist bereits im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent gesunken. Doch chancenlos sind die Rindermäster nicht. Wenn es ihnen gelingt, für den Markt zu produzieren. Das bedeutet, die Landwirte müssen sich mehr und mehr als Kaufleute verstehen, die Gewinne erzielen und entsprechend investieren. Und da ist der Bedarf stellenweise groß, wie der niedersächsische Landwirtschaftminister Hans-Heinrich Ehlen für sein Bundesland erläuterte.

    " Wir haben in Niedersachsen eine Umfrage über die Maschinenringe gemacht. Und da ist rausgekommen, dass bei 1000 Betrieben, die befragt wurden, im Schnitt 270.000 Euro Investitionen unbedingt nötig sind. Und dieses würde, wenn die Situation auf den Märkten besser würde, auch sehr schnell realisiert werden."

    Auf dem Rindfleischmarkt scheint es aber derzeit europaweit gar nicht so schlecht auszusehen. Die EU kann insgesamt nicht soviel produzieren, wie die europäische Bevölkerung verzehrt. Nach wie vor muss Rindfleisch importiert werden. Hans Karstens, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft für Rinder der Norddeutschen Fleischzentrale sieht auch künftig gute Möglichkeiten, gezielt in den Markt einzugreifen.

    " Wir haben ein Zeitfenster, wo wir einen Bullen in einer optimalen Schlachtreife liefern können, ungefähr von zwei Monaten. Sobald wir 3000 Bullen in einer Woche mehr schlachten. Das nimmt der Markt nicht auf, und wir kriegen die Retourkutsche: Preis runter. Da müssen wir drauf hinwirken, dass wir dieses Gespür haben, wenn der Markt keine Tiere haben will, auch keine Tiere liefern."

    Hohe Professionalität in der Produktion ist immer mehr gefragt. Das weiß auch Otto Dietrich Steensen, Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes.

    " Wir haben festgestellt, dass wir die Landwirte in vier Gruppen aufteilen: die 25 besten und die 25 da drunter, nach unten. Und bei den untersten 25 Prozent wird dann der Strukturwandel ein Wort mitzureden haben, und es wird auch Landwirte geben in dieser schwierigen Zeit, die aufhören."

    Probleme entstehen unter anderem dadurch, dass in der EU noch nicht alle an einem Strang ziehen. Die Niederlande zahlen derzeit sogar noch ihre Bullenprämie zu 100 Prozent. Allerdings ist dies für Dr. Gerald Thalheim, Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium, kein Grund zum Pessimismus.

    " Da können sich gewisse Wettbewerbsverzerrungen auftun. Allerdings, wenn ich mit den Fachleuten spreche, sind die geringer als befürchtet. Und wir gehen davon aus, dass sich der Entkopplungslösung, die wir in Deutschland getroffen haben, die anderen Länder anschließen werden."

    Die Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln ist groß. Denn aus Brasilien dringt Rindfleisch zu günstigen Preisen auf den europäischen Markt. Eine zusätzliche Anforderung an die Mäster. Ähnlich komplex ist auch das Geschehen auf dem Milchmarkt. Milchquoten können nicht bundesweit gehandelt werden. Denn mit Milchquoten wird nicht nur Marktpolitik gemacht, sondern auch Strukturpolitik. Dazu Reimer Böge, Vizepräsident im Haushaltshausschusses des Europäischen Parlaments.

    " Diese Debatte ist aus Süddeutschland immer ein wenig blockiert worden, weil damit offenkundig die Verlagerung von Produktionskapazitäten verbunden ist, und gerade in Süddeutschland die Frage der flächendeckenden Landwirtschaft in Verbindung mit Tourismus natürlich eine große Rolle spielt. Aber ich glaube auch dort gibt es zunehmend Betriebe, die der Auffassung sind, dass die bundesweite Regelung sinnvoll wäre."

    In diesem Falle kämen Quoten allen wirtschaftenden Betrieben zugute, die für den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen künftig Priorität haben müssen.

    "Wir wollen, dass sie konkurrenzfähig sind. Wir wollen, dass sie im Wettbewerb stehen. Und da geht es darum, dass man die Auflagen, die von der EU kommen und von Berlin kommen, dass die eins zu eins umgesetzt werden. Nicht zusätzliche Kosten, sondern Wettbewerbsfähigkeit für unsere Betriebe - das muss Ziel der Agrarpolitik sein. "