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Agrarisch gut aufeinander abgestimmt

Während es mit dem Baltikum, mit Polen, Tschechien oder Ungarn einen regen akademischen Austausch gibt, sind Kontakte zu Rumänien oder Bulgarien noch die Ausnahme. Die heute beginnende Kooperation der Hochschule Sachsen-Anhalt mit der Universität im bulgarischen Plovdiv hat daher Pilotcharakter.

Von Uli Wittstock |
    Ein Treffen auf gleicher Augenhöhe ist es nicht unbedingt, das heute im anhaltischen Bernburg stattfindet. Die Kleinstadt in Sachsen-Anhalt liegt auf halber Wegstrecke zwischen Magdeburg und Halle. Plovdiv, im heutigen Bulgarien gelegen, ist die Hauptstadt des alten Thrakiens und gehört zu den ältesten Städten Europas. Allerdings, für einen Umstand ist Bernburg in Fachkreisen international bekannt. Der Forscher Hermann Hellriegel entdeckte hier vor rund einhundert Jahren, dass Hülsenfrüchte den Stickstoff aus der Luft aufnehmen. Und das lernt noch heute jeder Landwirtschaftstudent, ein Basiswissen, dass weltweit noch heute vermittelt wird. Ganz bewusst setzt die Bernburger Hochschule auf diese Tradition im Internationalen Wettbewerb. Das Studienangebot reagiert dabei auf die neuen Herausforderungen des Welthandels. Als Bachelor werden zwar noch klassische Fächer wie Landwirtschaft oder Lebensmitteltechnologie angeboten. Das Masterstudium heißt dann allerdings Food- und Agribusiness. Mit klassischer Landwirtschaft hat das nur noch am Rande zu tun, so Professor Wolfram Schnäckel, Lebensmitteltechnologe an der Hochschule Anhalt.

    Mehr als zwei Drittel der Studierenden für diesen Master kommen aus dem Ausland. Vielleicht auch deshalb, weil das Studium keine Gebühren kostet und das Leben in einer ostdeutschen Kleinstadt vergleichsweise billig ist. In jedem Fall ist das Bernburger Angebot ein Erfolgsmodell, denn während Landwirtschaftliche Fakultäten bundesweit über einen Rückgang an Bewerbern klagen, verzeichnet die Hochschule Anhalt seit langem einen Anstieg der Studentenzahlen in diesem Bereich. Mit einem neuen Masterstudiengang setzt nun die Hochschule Anhalt auf die akademische Osterweiterung. Und das ist kein Zufall, denn Bulgarien gilt als ein klassischer Standort für die Ernährungsindustrie. Mit der EU-Erweiterung ergeben sich nicht nur neue Märkte, sondern auch neue Chancen der Zusammenarbeit.

    Fachhochschulen legen sehr viel Wert auf Praxisnähe. Von den transnationalen Warenströmen ist Bernburg allerdings ziemlich entfernt. Zwar sind es vom Campus bis zur Autobahn nur wenige Kilometer, doch bis zur nächsten Konzernzentrale eines global Players sind es einige hundert Kilometer. Das allerdings sei kein Problem, so Professor Schnäckel. Weltweite Warenströme können durchaus auch in der Provinz organisiert werden.

    Derzeit sind in Bernburg rund 2500 Studenten eingeschrieben. Der Campus ist entsprechend übersichtlich. Der Studentenklub U-Boot befindet sich im Keller und hat trotz der Semesterferien geöffnet. Einige Landwirte feiern hier ihre gelungene Abschlussprüfung. Studieren in der Provinz hat Vorteile sagen sie.

    Das neue Masterangebot in Kooperation mit Plovdiv ist für die jungen Leute derzeit allerdings kein Thema, denn sie rechnen sich schon jetzt gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus. Doch Internationalität, das räumen sie ein, könnte ein wichtiger Baustein für die eigene Karriere werden.