Dienstag, 16. April 2024

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Agrarwissenschaftler über Nitrat in Gewässern
Zu viele Schlupflöcher im neuen Düngegesetz

Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland wegen zu hoher Nitratbelastung im Grundwasser verurteilt. Der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube sagte im Dlf, auch das seit diesem Jahr geltende Düngegesetz sorge nicht für einen zusätzlichen Schutz von Gewässern. In Belastungsregionen könne kaum eine Verbesserung eintreten.

Friedhelm Taube im Gespräch mit Jule Reimer | 21.06.2018
    Mit einem Traktor wird am 14.04.2015 nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt.
    Nitrat gelangt vor allem über das Düngen in der Landwirtschaft ins Grundwasser (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Jule Reimer: Am Telefon bin ich jetzt mit Professor Friedhelm Taube verbunden, Agrarwissenschaftler an der Universität Kiel und außerdem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik des Bundeslandwirtschaftsministeriums. – Herr Professor Taube, Sie haben die im Beitrag eben angesprochene Studie erstellt, nämlich wie sich die neuen Düngegesetze, die seit Anfang 2018 in Deutschland gelten, auswirken. Und Sie sagen, die haben gar keine positive Umweltwirkung. Was heißt das?
    Friedhelm Taube: Ja. Wir gehen davon aus, dass die hier neu dargelegten Regelungen nicht den Effekt verursachen werden, der notwendig wäre, um eine deutliche Reduktion der Nitratausträge in die Gewässer zu erreichen. Es sind einige Punkte dabei, die positiv sind. Das soll gar nicht in Abrede gestellt werden. Aber im Detail der Ausarbeitung sind so viele Schlupflöcher und Ausnahmetatbestände gegeben, dass de facto in den Belastungsregionen kaum eine Verbesserung eintreten wird.
    Reimer: Sie gehen ja offenbar sogar davon aus, dass möglicherweise die Obergrenzen weiter gerissen werden können in belasteten Regionen. Wie kommt das?
    Taube: Das kommt ganz einfach daher, dass man sich nun eine neue Größe ausgedacht hat im Vergleich zur letzten Düngeverordnung, die es vorher gar nicht gab und die es objektiv auch nicht gibt, nämlich sogenannte "unvermeidbare Futterverluste". Und das führt dazu, dass man zwar den erlaubten Überschuss um zehn Kilogramm reduziert hat, aber nun mit diesen sogenannten unvermeidbaren Futterverlusten 20 oder 25 Kilogramm zusätzlich ausbringt und damit die Belastung de facto für die Betriebe geringer wird.
    Reimer: Können Sie ganz kurz erklären was unvermeidbare Futterverluste sind?
    Taube: Ja. Die Argumentation ist die, dass ja bei der Ernte auf dem Grasland beispielsweise etwas Futter auf der Fläche liegen bleibt, und das würde in Summe bis zu 25 Prozent des Ertrages ausmachen. Der Denkfehler dabei ist nur, dass die Nährstoffe, wenn sie auf der Fläche liegen bleiben, ja weiter für die nächsten Pflanzen zur Verfügung stehen. Von daher ist das überhaupt gar kein Verlust. Das ist eine politische Größe, die es wissenschaftlich so nicht gibt.
    Wenn man das wissenschaftlich diskutieren möchte, könnte man vielleicht, um dem Sektor entgegenzukommen, fünf Prozent unvermeidbare Verluste in diesem Bereich ansetzen, aber niemals 25.
    "Seit zehn, 15, 20 Jahren keine deutliche Verbesserung der Situation"
    Reimer: Jetzt sagt der Bauernverband: Na ja, so wie die messen, ist das Ergebnis aber gar nicht realistisch.
    Taube: Ja, das stimmt natürlich nicht. Wir haben ja eine intensive Diskussion um das Messstellennetz gehabt. Wir haben eine deutliche Ausweitung der Messstellen und vor allem dabei in Deutschland einen exzellenten Überblick, auch im Vergleich zu anderen Ländern über die Belastungen in landwirtschaftlich geprägten Regionen, und da haben wir leider seit 10, 15, 20 Jahren keine deutliche Verbesserung der Situation. Wir haben nach wie vor, wie wir es vorhin gehört haben, etwa 25 Prozent der Brunnen, die in diesen Regionen tatsächlich mit über 50 Milligramm Nitrat belastet sind.
    Reimer: Und es kann auch nicht sein, dass vielleicht in Spanien nicht ganz so ordentlich gemessen wird?
    Taube: Wissen Sie, wir müssen immer bedenken, dass Spanien natürlich eine wesentlich geringere Bewirtschaftungsintensität hat in der Fläche, weil das Trockengebiete sind und man dort gar nicht mit dieser Intensität wirtschaften kann, weil die Ertragserwartungen nicht da sind. Und in Italien ist es ähnlich. Italien wird ja auch gerne als Beispiel herangezogen.
    Reimer: Ich wollte auch Spanien jetzt nicht anklagen, muss ich jetzt auch mal deutlichstellen.
    Taube: In Italien haben wir die Poebene. Da haben wir tatsächlich auch erhöhte Nährstoff-Überschüsse, keine Frage. Aber das wird gewissermaßen auf das ganze Staatsgebiet bezogen erheblich verdünnt, so dass Italien insgesamt auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen nur etwa ein Drittel der Überschüsse ausweist, die Deutschland hat.
    "Nur ganz spezifische Ausnahmetatbestände, wo eine direkte Sanktion möglich ist"
    Reimer: Würden schärfere Sanktionen helfen, oder sind überhaupt Sanktionen vorgesehen?
    Taube: Bisher ist das ja alles sehr, sehr schwach ausgeprägt. Das war im Prinzip bei der alten Düngeverordnung so gut wie gar nicht gegeben und auch jetzt haben wir es nur mit ganz spezifischen Ausnahmetatbeständen zu tun, wo dann tatsächlich eine direkte Sanktion möglich ist. Wenn jemand mit dem Güllefass über einem offenen Graben ausbringt, dann wird das sanktioniert. Aber ansonsten in Bezug auf die Düngebedarfsermittlung und die Bilanzsalden, die dann tatsächlich herauskommen und die ja die Größen dann sind, die auch Sanktionstatbestände hergeben müssten, da passiert erst einmal gar nichts.
    Reimer: Bitte um eine kurze Antwort, auch wenn die Frage komplex ist. Es wird ja gerade überlegt, ob in der Europäischen Union diese Direktzahlungen, diese Hektar-Prämien an die Landwirte weitergehen sollen. Müsste man vielleicht an dem Subventionssystem etwas ändern?
    Taube: Unbedingt! Der Wissenschaftliche Beirat hat dazu gerade ein Gutachten vorgelegt, das die jetzige Situation Landeigentümer belohnt, ohne entsprechende ökologische Gegenleistung, und das ist ein unhaltbarer Zustand. Deshalb haben wir Vorschläge unterbreitet. Wir haben den Vorschlag einer Gemeinwohlprämie unterbreitet. Das heißt, dass tatsächlich jeweils dokumentiere Gemeinwohlleistungen honoriert werden.
    Reimer: Der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube von der Universität Kiel zu der Nitrat-Belastung in Deutschland und wie sie vermindert werden könnte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.