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Agromining
Ein Unkraut hilft bei der Nickelproduktion

Nickel steckt in Euro-Münzen, Kochtöpfen und Autoteilen. Gewonnen wird es vor allem mit klassischen Bergbaumethoden aus Erzen. Doch es geht auch umweltfreundlicher: mit Wurzeln, die das Metall direkt aus dem Boden ziehen. Mauersteinkraut etwa eignet sich dafür hervorragend, wie ein Pilotprojekt zeigt.

Von Andrea Hoferichter | 22.04.2020
Zuckerrohrfeld
Manche Ackerpflanze kann mit den Wurzeln Nickel aus dem Boden ziehen. Weil dafür nährstoffarme Böden ausreichen, hat das Agromining auch wirtschaftlich eine Chance. (Nyani Quarmyne/Panos Pictures)
Unkraut ist oft besser als sein Ruf. Das in Südeuropa heimische Mauersteinkraut zum Beispiel. Es blüht schön gelb, vor allem aber wirkt es wie ein Metall-Staubsauger. Das sagt Markus Puschenreiter von der Universität für Bodenkultur Wien.
"Es ist schon einige Jahrzehnte bekannt, dass es Pflanzen gibt, die Metalle über die Wurzeln aus dem Boden aufnehmen, in den Blättern speichern und auf diesem Weg extrem hohe Konzentrationen erreichen: also Konzentrationen, die für andere Pflanzen giftig wären."
Ein Unkraut mit Vorliebe für Nickel
Das Mauersteinkraut hat eine Vorliebe für Nickel, das unter anderem für die Edelstahlproduktion wichtig ist. Markus Puschenreiter arbeitet seit einigen Jahren mit der französischen Universität Lorraine zusammen, um das Metall in Zukunft in großen Mengen aus dem Boden zu ziehen. Das Ziel: eine Art pflanzlicher Bergbau. Das Team wollte zunächst herausfinden, wo und unter welchen Bedingungen die Nickelernte in Europa am üppigsten ausfällt. Dazu hat es Testfelder in Albanien, Griechenland, Spanien und Österreich bewirtschaften lassen.
"Die Flächen, die nickelreich sind, sind gleichzeitig auch sehr nährstoffarm, das heißt für konventionelle Landwirtschaft eher ungeeignet. Deswegen sind die Landwirte vor Ort sehr froh, dass es da jetzt eine neue Möglichkeit gibt, die Flächen nutzen zu können."
Nährstoffarme Flächen geeignet
Am besten wuchs das Mauersteinkraut in Albanien und Griechenland, gedüngt mit organischem Material wie Kompost oder Stallmist. Auch Herbizide gegen störende Gräser steigerten die Erträge. Nach der Ernte wurde das Kraut an der Sonne getrocknet, in Plastiksäcken nach Frankreich transportiert und an der Universität Lorraine in einem übermannshohen Ofen verbrannt. Aus der grauen Asche entstand im Chemielabor ein neon-grünes Nickelsalz.
"Und zwar funktioniert das vereinfacht gesagt so, dass die Aschen mit Chemikalien, mit Säuren, behandelt werden, um das Nickel vom Rest der Asche zu trennen. Und aus dieser behandelten Asche wird dann eine nickelreiche Lösung gewonnen. Und zwar haben die Kollegen in Frankreich eine Methode entwickelt, um ein Nickelsalz als Endprodukt zu generieren."
Rund 150 Kilogramm Nickel pro Hektar und Jahr konnte das Team auf diese Weise produzieren. Der Vorteil dieses sogenannten Agrominings gegenüber dem konventionellen Bergbau: Es ist umweltschonender und klimafreundlicher, insbesondere wenn die Verbrennungswärme zum Heizen und zur Stromproduktion genutzt wird, direkt vor Ort, wie es für ein Folgeprojekt in Griechenland geplant ist. Dann soll es auch wirtschaftlich mithalten können. Die Nickelernte mit Pflanzenhilfe sei außerdem effizienter, sagt Markus Puschenreiter.
Höherer Nickelgehalt als in Erzen
"Die Asche hat einen relativ hohen Nickelgehalt, und zwar höher als die meisten Nickelerze. Also in den Nickelerzen, die konventionell abgebaut wurden, liegt der Nickelgehalt bei wenigen Prozent: ein bis drei, vier Prozent circa. Und in der Nickelasche aus den Pflanzen, die wir im Agromining-Projekt kultiviert haben, ist der Nickelgehalt in der Asche um die zehn, zwölf Prozent."
Das Startup Econick der Universität Lorraine kümmert sich um den Bau einer Pilotanlage zur Nickelproduktion und um die Vermarktung. Genügend Ressourcen sind offenbar vorhanden – nicht nur in Europa.
"Wenn man es weltweit betrachtet, dann ist die Schätzung, dass ungefähr ein Prozent der Erdoberfläche nickelreiche Böden beherbergt. Wenn man in die Tropen schaut, da findet man einige Länder und ganze Inseln, die quasi ausschließlich aus nickelreichen Böden bestehen."
Auf der Insel Borneo zum Beispiel wachsen Bäume, die mehr als 200 Kilogramm Nickel pro Hektar und Jahr aus den Böden saugen. Forscherteams aus Frankreich, Australien und den USA haben gerade erste Setzlinge für eine 20-Hektar-Plantage gepflanzt. In drei Jahren soll die Fläche genügend Biomasse für eine Nickelproduktion im Tonnenmaßstab liefern.