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Aids-Prävention durch Medikamente

Medizin. - Auf der 18. Welt-Aids-Konferenz in Wien ist die Prävention von HIV-Infektionen ein wichtiges Thema. Nicht nur Kondome, auch Medikamente können dazu eingesetzt werden. Eine frühzeitige medikamentöse Behandlung von Infizierten hemmt die Vermehrung der Viren im Körper und senkt damit die Ansteckungsgefahr. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Monika Seynsche.

21.07.2010
    Monika Seynsche: Seit Sonntag findet in Wien die 18. Welt-Aids-Konferenz statt. Bis heute ist diese Krankheit unheilbar, es gibt keinen Impfstoff und die Ansteckungszahlen sind gerade in Entwicklungsländern erschreckend hoch. Heute nun wurden auf dieser Konferenz Medikamente zur Vorbeugung von Aids vorgestellt. Mein Kollege Martin Winkelheide ist in Wien und beobachtet die Tagung für uns. Herr Winkelheide, wozu Medikamente zum Schutz vor Aids? Es gibt doch Kondome und die sind sicherlich leichter anzuwenden als irgendwelche Medikamente.

    Martin Winkelheide: Kondome schützen im Prinzip sehr zuverlässig vor einer Infektion mit HIV, aber wenn man sich das richtige Leben anguckt, dann sieht es eben doch ein bisschen anders aus. Also zum einen sind Kondome nicht immer gut an den Mann zu bringen, und das Zweite, was man sich eben genauer angeguckt hat, wie sieht es denn bei Paaren aus, wo ein Partner HIV-positiv ist und der andere Partner nicht. Wenn diese Paare Kondome benutzen, dann gibt es doch eben einen erheblichen Teil, wo sich der zweite Partner doch ansteckt, obwohl es Kondome gibt, die doch gut schützen. Wenn aber der Partner, der HIV-positiv ist, behandelt wird mit einer normalen Kombinationstherapie, also einem Cocktail aus verschiedenen Medikamenten, die eben die Vermehrung des Virus blockieren, dann nimmt die Zahl der Viren in seinem Körper ab, und man hat gesehen bei solchen Paaren, wo einer eben HIV-positiv ist, der andere nicht, wenn die Therapie da bei diesem HIV-positiven Partner gut funktioniert, dann ist das Risiko für den Partner, dass der sich ansteckt, sehr, sehr gering. Davon ausgehend hat man gesagt: Ja, vielleicht sollten wir doch stärker auf die Kraft der Medikamente setzen und das Potenzial nutzen, damit eben Ansteckungen zu verhindern.

    Seynsche: Sie hatten jetzt Paare angesprochen, bei denen einer angesteckt ist. Gibt es denn ansonsten Medikamente, die dann alle schlucken müssen, auch Leute, die gar nicht angesteckt sind?

    Winkelheide: Man muss die Konzepte ein bisschen auseinanderhalten. Wenn zum Beispiel ein Arzt einen HIV-positiven Patienten behandelt, sich mit der Nadel sticht, dann nimmt der heute schon Medikamente, um eine Ansteckung zu verhindern. Man kann nicht sicher sein, ist er infiziert oder nicht durch diesen Nadelstich, und dann nimmt er eine Zeit lang HIV-Medikamente. Man kann dann sicher sein sozusagen, dass er sich nicht ansteckt.

    Vor ein paar Jahren noch ist diskutiert worden: Wie ist das denn, kann man denn Leuten, die nicht infiziert sind, die aber ein hohes Risiko haben, sich anzustecken, Medikamente geben und so vor einer Ansteckung schützen? Da hat man gesehen: Das ist selbst in Ländern, wo die HIV-Infektion sehr verbreitet ist, nicht praktikabel, weil die Nebenwirkungen der Medikamente so stark sind und die kann man keinem Gesunden zumuten. Also hat man jetzt dieses neue Konzept entwickelt und hat es auch schon in einigen Ländern ausprobiert, welchen Effekt es hat, wenn Patienten frühzeitig behandelt werden und das Virus gut unter Kontrolle ist. Welchen Effekt hat das auf die Gemeinschaft?

    Seynsche: Und welchen Effekt hat es?

    Winkelheide: Die Zahl der Ansteckungen geht dramatisch runter. Das hat man schon tatsächlich gesehen. Man hat dann hier auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien auch Modelle vorgestellt, wie viele HIV-positive Menschen müssen denn behandelt werden, um diesen Effekt zu erzielen. Und man hat gesehen: Wenn jeder Dritte, der HIV-infiziert ist und Medikamente bräuchte, behandelt wird, also so, wie das heute ist, dann würde in Zukunft tatsächlich die Zahl der Neuinfektionen abnehmen, aber nur bis zu einem bestimmten Grad, und dann würde sich das auf einem stabilen, aber relativ hohen Niveau einpendeln. Das wäre sicherlich nicht genug, um die HIV-Epidemie in den Griff zu bekommen. Also, was kann man machen? Eine andere Hochrechnung hat dann gezeigt: Wenn man früher behandelt und wenn man alle behandelt, von denen man weiß, dass sie infiziert sind, dann könnte man innerhalb einiger Generationen doch das Aids-Virus theoretisch zum Verschwinden bringen.

    Seynsche: Aber dafür müsste man doch erstmal alle testen, oder?

    Winkelheide: Genau das ist das Problem. Vor allen Dingen müsste man erstmal wissenschaftlich nachweisen, dass das Konzept tatsächlich funktioniert. Eine solche Studie ist angedacht worden für eine Region in Südafrika. Dort will man tatsächlich das versuchen, also man will alle Menschen, die dort leben, testen und man will dann diejenigen, die HIV-positiv sind, auch behandeln und dann gucken, was passiert, damit man sozusagen wissenschaftlich nachweisen kann: Ja, dieser Effekt funktioniert tatsächlich. Nun könnte man aus unserer Sicht einwenden: Aber ein Test muss doch freiwillig gemacht werden. Da kann man nur sagen: Ja, aber in Regionen, wo das Aids-Virus sehr weit verbreitet ist, ist mit dem Test ja gleichzeitig auch verbunden, dass man behandelt wird und dass man ein normales, relativ normales Leben sehr lange führen kann. Also insofern wird da die Akzeptanz des Tests sicherlich zunehmen und steigen. Man muss natürlich extrem viel Geld aufwenden, auf der anderen Seite verhindert man viele Infektionen und viele Folgekosten.