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Akademiker auf Arbeitssuche

In Prag ist die Zahl der Arbeitslosen stark angestiegen. Auch Höherqualifizierte bis hin zum Manager kommen in die Jobvermittlung. Doch verglichen mit dem Rest des Landes, geht es der Hauptstadt noch sehr gut.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Ivana Mala ist die Erleichterung anzusehen. Die 29-Jährige betritt mit energischem Schritt das Beratungszentrum im Arbeitsamt von Prag-Hodkovičky. Für ihre Beraterin hat die junge Frau gute Nachrichten mitgebracht, sie hat wieder Arbeit, und das sogar in ihrem gelernten Beruf als Elektrotechnikerin. Damit geht für Ivana eine vier Monate lange Durststrecke zu Ende. Als ihr alter Arbeitgeber ihr kündigte, fiel sie erst mal in ein Loch:

    "Es war schwer, mit dem Arbeitslosengeld auszukommen, es hat gerade mal für die Miete gereicht. Zum Glück konnte ich mir durch Saisonarbeit etwas dazuverdienen, so um die 4000 Kronen."

    Umgerechnet 150 Euro. Mit dem neuen Job wird Ivana künftig wieder mehr im Portemonnaie haben. Anders als die sechs jungen Frauen und Männer, die draußen in der Meldehalle auf einen Termin warten. Mit gerunzelter Stirn sitzen sie gebeugt über seitenlangen Anträgen für ihr Arbeitslosengeld. Die in trübes Kunstlicht getauchte Wartehalle strahlt die triste Atmosphäre einer Amtsstube aus. Hodkovičky ist ein gemischter Stadtteil. In den einfachen Mietwohnungen, die noch immer sozialistischen Charme versprühen, wohnen Lehrer und Angestellte, Arbeiter – und immer mehr Arbeitslose. Die Wirtschaftskrise dringt mittlerweile auch nach Prag vor, sagt Berufsberaterin Renata Sendulska:

    "Momentan sind hier in diesem Stadtteil 6700 Leute arbeitslos gemeldet. Innerhalb nur eines Jahres ist das ein Anstieg um 15 Prozent. Und es trifft nicht mehr nur die einfachen Leute, sondern auch die Höherqualifizierten, die bisher gut verdient haben."

    Hochschulabsolventen und selbst Manager kommen zur Beratung, und die Nachfrage nach Umschulungen steigt. Verglichen mit dem Rest des Landes geht es der Hauptstadt allerdings noch sehr gut. Die Auto- und Maschinenbaubetriebe – die das Rückgrat der tschechischen Industrie bilden – ächzen hingegen seit Monaten unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Der lange Zeit erfolgsverwöhnte Autohersteller Skoda musste schon vor Monaten Tausende Mitarbeiter auf die Straße setzen. Josef Stredula, Vorsitzender der Metallgewerkschaft blickt zurück:

    "Als erstes mussten in vielen Betrieben die Leiharbeiter gehen. Dann wurden die befristeten Stellen nicht verlängert, und jetzt sind immer mehr Stammmitarbeiter gezwungen, ihren Hut zu nehmen. Das alles könnte im Herbst noch schlimmer werden."

    Die exportorientierte tschechische Automobilbranche hat zwar von der deutschen Abwrackprämie profitiert, aber die vielen Hersteller von Lkw, Bussen und die gesamte Zuliefererbranche melden Produktionsrückgänge. Im westböhmischen Stribro kam es jetzt zu Protesten, nachdem einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region seine Pforten schließt. Der amerikanische Autozulieferer Alcoa zieht mit seinem Werk weiter nach Rumänien, in Stribro fallen dafür Hunderte Arbeitsplätze weg. Gewerkschafter Stredula macht für diese Entwicklung vor allem die Politiker verantwortlich:

    "Die tschechische Regierung hat einige Monate lang geleugnet, dass es überhaupt eine Krise gibt, dann wurde sie im Frühjahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Die jetzige Regierung unter Premier Fischer will die Probleme zwar angehen, aber es ist ja nur eine Übergangsregierung. Von den Neuwahlen im Herbst erwarte ich mir nicht allzu viel. Die politische Klasse ist für einen klugen Umgang mit dieser Krise einfach noch nicht reif genug."

    Ähnlich sieht das auch Ivana Mala aus dem Arbeitsamt im Prager Süden.

    "Ich weiß nicht, ob die neue Regierung hier was ändert, egal wer die Wahlen gewinnt. Ich hab mich in letzter Zeit aber auch nicht um Politik gekümmert, sondern war mit der Arbeitssuche beschäftigt."

    Die junge Frau hat Glück gehabt und wieder ein Einkommen – anders als viele arbeitslose Industriearbeiter im Rest des Landes.