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Akademiker verlassen Griechenland

Schon immer hatte Griechenland das Problem, seine brillantesten Akademiker an die Forschung im Ausland zu verlieren. Doch nun zeichnet sich eine breite Auswanderungswelle ab. Einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge erwägen sieben von zehn Akademikern, Griechenland zu verlassen.

Von Alkyone Karamanolis |
    Das hier sei ihre tägliche Routine, sagt Vivi Pagoni, die zuletzt als Vertriebsleiterin einer Reederei gearbeitet hat. Jeden Morgen loggt sie sich in eine Reihe von Jobsuchmaschinen ein. Seit mehr als anderthalb Jahren.

    "Ich hatte nicht erwartet, dass es so schwierig sein würde, eine neue Arbeit zu finden. Aber es gibt nur wenig Stellen, und sie werden fast immer an Leute mit Kontakten vergeben. Wenn ich mit jemandem um eine Stelle konkurriere, und er hat einen Fürsprecher in der Firma, wird meine Mappe wahrscheinlich nicht einmal geöffnet."

    Ein halbes Jahr lang hat Vivi Arbeitslosengeld erhalten - 450 Euro monatlich. Ein Student in Athen braucht etwa drei Mal so viel zum Leben. Würde sie nicht bei ihren Eltern wohnen und auf Erspartes zurück greifen können, sie könnte sich schon lange nicht mehr über Wasser halten. Und so sucht Vivi inzwischen mit Nachdruck im Ausland nach Arbeit.

    "Es ist eine rein praktische Erwägung. Ich bin seit anderthalb Jahren arbeitslos. Mein Geld geht zu Ende. Ich will sagen: Es geht mir nicht in erster Linie darum, ins Ausland zu gehen, sondern darum, eine Arbeit zu finden. Und zwar - den Anspruch habe ich noch - eine Arbeit, die mich ausfüllt."

    Die europaweite Suche hat gut 200 Treffer ergeben. Vivis letztes Vorstellungsgespräch in Griechenland liegt dagegen Wochen zurück. Mit der ihr eigenen Effizienz klickt Vivi, während sie ihre allgemeine Lage darlegt, einige der Angebote an. Die meisten sind in Großbritannien.

    "Natürlich habe ich bei dem Gedanken auszuwandern gemischte Gefühle. Bei uns in Südeuropa sind die Familienbindungen sehr stark. Aber das wird mich nicht hier halten. Genauso wie mich das gute Wetter und die lockere Lebensart in Griechenland nicht hier halten werden. Es ist schon komisch: Hätte ich vor ein paar Jahren zu meinen Freunden gesagt, dass ich ins Ausland gehen möchte, wäre die Antwort sicher gewesen: Dir geht's wohl nicht gut. Jetzt dagegen akzeptieren sie meine Entscheidung."

    Auch der 26-jährige Kostas Konstantinou hat sich entschlossen, seiner Heimat den Rücken zu kehren. Im vergangenen Jahr hat der Informatiker ein Master-Aufbaustudium in Edinburgh gemacht. Fachrichtung: künstliche Intelligenz. Für den 7. Oktober hat er ein Ticket zurück dorthin gebucht. Um Arbeit zu suchen.

    "Mir war immer klar, dass ich meinen Master-Abschluss im Ausland machen würde. Aber mehr auch nicht. Auch meine Eltern wollten unbedingt, dass ich zurück komme. Doch angesichts der Wirtschaftskrise sehen auch sie, dass es besser ist, im Ausland Arbeit zu suchen. Zumal ich dort eh schon einen Fuß auf dem Boden habe."

    Dabei ist es nicht ausschließlich der schwache griechische Arbeitsmarkt, der Kostas zu diesem Schritt bewegt. Auch erste Arbeitserfahrungen in der griechischen Heimat haben ihn in seinem Entschluss bestärkt:

    "Mir hat da einiges gar nicht gefallen. Die Arbeit war unglaublich stressig und die Entlohnung lächerlich. Ich würde das eher unter Ausbeutung abbuchen. Im Ausland wird auch viel verlangt, aber es gibt dann auch die entsprechende Anerkennung. Auch in dem Sinn, dass die Firmen ihr junges Personal nicht nur als lästigen Kostenfaktor, sondern als Investition in die Zukunft betrachten."
    Kostas Plan: nach einigen Jahren und mit entsprechender Berufserfahrung nach Griechenland zurückzukehren. Vivi dagegen macht sich kaum Illusionen, was der Schritt ins Ausland bedeutet.

    "Falls ich mich dort noch nicht richtig eingelebt habe, und ich erhalte das super-duper Angebot aus Griechenland, ok. Sonst aber wüsste ich nicht, was mich dazu bewegen sollte, zurückzukehren."