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Akko-Festival in Israel
Theaterstück mit Sprengkraft

Einat Weitzman hat mit einem neuen Theaterstück den Unmut von Israels Kulturministerin Miri Regev auf sich gezogen - noch vor der Uraufführung. Diese stößt sich an der Kritik der Künstlerin an der Besatzungspolitik. Daraufhin sind Mitglieder der Auswahljury in Akko aus Protest gegen die Ministerin zurückgetreten - das Festival droht zu platzen.

Von Torsten Teichmann | 18.06.2017
    Israels Kulturministerin Miri Regev, Reservistin bei der Armee, hat angekündigt, Mittel für die Künstler zu streichen, die den Staat "diffamierten". (Jerusalem, June 21, 2015)
    Israels Kulturministerin Miri Regev, Reservistin bei der Armee, hat angekündigt, Mittel für die Künstler zu streichen, die den Staat "diffamierten". (EPA/Dan Balilty)
    Die Schauspielerin Einat Weitzman hat ein neues Theaterstück geschrieben. Es heißt "Gefangene der Besatzung". Das Stück hat Sprengkraft. Der Text hat, so wie es ausschaut, bereits vor irgendeiner Vorstellung oder auch nur einer Probe das alternative Theaterfestival in Akko zerfetzt:
    "Mein Stück handelt von politischen, palästinensischen Gefangenen und zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass dieses Thema ein absolutes Tabu ist in der israelischen Gesellschaft. Ziel meiner Kunst und meines Theaterstücks ist es, Themen, über die man nicht sprechen kann, aufzubringen und in eine öffentliche Diskussion einzubinden."
    Vorwurf der Glorifizierung von Terroristen
    Israels Kulturministerin Miri Regev wirft Weizman dagegen vor, sie glorifiziere im Text Terroristen. Regev hatte bereits im vergangenen Jahr versucht, die Aufführung eines Weitzman-Stücks in Akko zu verhindern. Ohne Erfolg. Der Hauptdarsteller wurde sogar als bester Schauspieler ausgezeichnet.
    Dieses Jahr habe Regev gleich Druck auf die Auswahlkommission des staatlich finanzierten Festivals ausgeübt, sagen Künstler. Die Ministerin verteidigt sich:
    "Weitzman kann das palästinensische Narrativ gern in Ramallah aufführen. Mal sehen, wie die Palästinenser so eine Sache finanzieren wollen. Wir dürfen ihr keine Bühne geben. Immer wieder die Geschichte der Besatzung. Besatzung hier, Besatzung da. Schluss damit."
    Drohung der Kürzung staatlicher Zuschüsse
    Regev droht immer wieder mit der Kürzung staatlicher Zuschüsse an die Kultur, wenn sie Israel oder dessen Symbole in Gefahr sieht. Was das ist, entscheidet die Kulturpolitikerin mit Ambitionen zum Amt der Regierungschefin selbst. So strich sie dem israelisch-arabischen Theater "Al-Midan" in Haifa Zuschüsse. Das war unzulässig. Das Theater bekam recht, aber kämpft seitdem um die Unterstützung.
    Im Streit ums Fernsehen wundert sich Regev jüngst, warum die Regierung einen öffentlich-rechtlichen Sender gründet, wenn sie keinen Einfluss auf das Programm nehmen kann.
    Und Regev hatte mal ein Gesetz vorgeschlagen, dass Theatergruppen zehn Prozent Bonus gewährt, wenn sie auf von Israel besetztem, palästinensischem Gebiet auftreten.
    "Israel investiert große Anstrengungen darin, all diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen die Besatzung äußern, sei es in Bezug auf die Besatzung in der Westbank oder im Gazastreifen. Der Raum der Haft, also das Gefängnis ist der verschwiegenste Ort von allen", sagt Weitzman.
    Rücktritt in der Festivaljury aus Protest
    Verschwiegen wird es bleiben, denn Weitzmans Stück "Gefangene der Besatzung" ist zwar fertig, kann aber in Israel unter Kulturministerin Regev nicht aufgeführt werden, ohne die Gefahr von finanziellen Konsequenzen oder zumindest Drohungen für die Theater.
    Dagegen regt sich Widerstand: Zwei Mitglieder der Auswahljury des Theaterfestivals in Akko traten als erste zurück, um zu protestieren. Dann warf der künstlerische Leiter das Handtuch. Am Ende sagten die eingeladenen Theatergruppen ihre Auftritte ab. Das Theaterfestival, dass im Herbst zum 37. Mal in Akko eröffnen sollte, ist damit tot.
    Mittlerweile hat sich auch der Schauspielerverband dem Protest angeschlossen, erklärt dessen Vorsitzende Esti Zakheim im Fernsehen:
    "Wenn das Budget nach politischen Maßstäben verteilt wird, dann ist das Zensur. Wenn ich probe, möchte ich mir keine Gedanken machen müssen, was Politiker wohl dazu sagen werden."
    Weitzman: "Sie trauen sich oft nicht, ihre Meinung zu äußern"
    Was die Künstler als Zensur empfinden, sieht Ministerin Regev als klares Signal an die alten, linken Eliten im Land, wie sie sagt. Und immer wieder entsteht der Eindruck, sie allein wolle entscheiden, was Kunst ist.
    Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hängt aber auch mit den Künstlern zusammen. Das Theater in Israel sei nicht ausreichend politisch, klagt Schauspielerin Einat Weitzman.
    "Ich halte mich oft in den Kreisen der Künstler, Schauspieler und Regisseure auf und weiß daher, dass sie sich oft nicht trauen, ihre Meinung zu äußern, zu reden oder ein Werk zu schaffen, das ein umstrittenes Thema behandelt."
    Weitzman: "Viele Hass-Briefe und Drohungen erhalten"
    Für sich selbst habe sie das Gefühl, zum ersten Mal auch persönlich angegriffen worden zu sein:
    "Dieses Jahr bin ich gebrandmarkt worden als eine Person, die Attentäter mit Blut an den Händen unterstützt, was natürlich nicht stimmt. Es ist ein sehr persönlicher Angriff geworden und sobald es persönlich wird, wird es auch beängstigend, denn Miri Regev hat mich gebrandmarkt. Ich habe viele Hass-Briefe und Drohungen erhalten, die an meinem Gefühl von Sicherheit rütteln."
    Hinzu kommt der wirtschaftliche Schaden. Und wer wird nach dem geplatzten Theaterfestival bei Weitzman jetzt noch ein Stück in Auftrag geben. Bleibt einmal mehr nur der Weg nach Europa. Denn in Israel hat sich – zumindest vorübergehend - Kulturministerin Regev durchgesetzt.