Donnerstag, 18. April 2024

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Aktion des ZPS
"Kunstfreiheit wird begrenzt durch Persönlichkeitsrechte"

Die Aktionsgruppe „Zentrum für politische Schönheit“ hatte eine Internetseite freigeschaltet, auf der angebliche rechte Demonstranten identifiziert und gemeldet werden konnten. Doch die Abbildung mutmaßlicher Straftäter sei nicht erlaubt, sagte Medienanwalt Christian Schertz im Dlf.

Christian Schertz im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 05.12.2018
    Auf der Seite steht "Erkennen Sie Ihren Arbeitskollegen?" und darüber - rot unterlegt - "Vaterlandsverräter - Rechte Deutschlandhasser".
    Das ZPS hatte eine Online-Seite freigeschaltet, auf der mutmaßliche rechte Demonstranten identifiziert und gemeldet werden konnten (https://soko-chemnitz.de/)
    Die mediale Debatte tobt, seit die Gruppe "Zentrum für politische Schönheit" unter dem Namen "Soko-Chemnitz" eine Internetseite freigeschaltet, auf der angebliche rechte Demonstranten identifiziert und gemeldet werden können.
    Sebastian Wellendorf: Rechtswidriges Denunziantentum, Aufruf zur Hetzjagd, oder Kunstfreiheit? Der Jurist Christian Schertz befasst sich mit dieser Thematik. Unteranderem hat er Jan Böhmermann in Sachen Schmähgedicht vertreten. Ich habe Ihn gefragt, dürfen die "ZPS"-Leute das?
    Christian Schertz: Nein, das dürfen sie nicht und das ist ziemlich eindeutig. Vergleichbare Fälle gab es mal bei Bild, da haben die G20-Gegner, die, die möglicherweise Straftaten begangen hatten, in einem Moment abgelichtet und diese Bilder veröffentlicht, eine Art Fahndungsaufruf gemacht. Das ist rechtswidrig. Ebenso gibt es einen Fall, wo es darum ging, dass auch Rechte wiederum an den Pranger gestellt wurden, auf der Titelseite der Bildzeitung und dort hatte das Oberlandesgericht München dann gesagt, das verletzt auch die Persönlichkeitsrechte dieser Täter - wobei ob das jetzt hier in dem Fall alles Täter sind, ist glaube ich nicht ganz eindeutig - weil auch Täter, auch Beschuldigte, auch mögliche Beschuldigte haben Persönlichkeitsrechte, das ist nun Mal im Rechtsstaat so, das ist auch die bittere Pille des Rechtsstaats sicherlich, aber das heißt, die Abbildung von möglichen Straftätern oder überhaupt die Abbildung von Personen, die Möglicherweise eine rechte Gesinnung haben, das darf ohne Einwilligung der Abgebildeten eigentlich gar nicht passieren, es sei denn, es sind Personen der Zeitgeschichte, etwa wie der Herr Höcke. Hinzu kommt öffentliche Fahndungsaufrufe mit der Abbildung von einer Person, die Möglicherweise eine Straftat begangen hat - hier ein Hitlergruß möglicherweise - das verletzt das Gewaltmonopol des Staates. Nur der Staat darf öffentliche Fahndungsaufrufe machen und muss selber auch prüfen, ob er berechtigt ist das Bildnis eines möglichen Beschuldigten zu veröffentlichen. Und auch der Staat hat da abzuwägen und darf das nur als letztes Mittel wählen.
    Abbildung möglicher Straftäter nicht erlaubt
    Wellendorf: Gut, das scheint klar, aus ihrer Sicht. Jetzt kommen aber zwei Begriffe mit ins Spiel nämlich die beiden Begriffe "Satire" und "Kunstfreiheit". Beginnen wir mal bei Satire, auf der Internetseite ist auch ein Foto des jungen Adolf Hitler in der Menschenmenge zu sehen. Also es ist offensichtlich nicht so ganz ernst gemeint. Stichwort Satire, macht das einen Unterschied?
    Screenshot der Webseite https://soko-chemnitz.de/. Dort ruft das Künstlerkollektiv "Zentrum für politische Schönheit" dazu auf, Menschen, die angeblich an rechtsradikalen Demos teilgenommen haben, zu denunziieren.
    Schertz: Na ja, da kommt es jetzt schon auf den Sachverhalt an. Wenn das Fakes sind, wenn es diese Personen gar nicht gibt, wenn das vielleicht sogar eigene Protagonisten sind, die sich haben fotografieren lassen, dann ist es ja offenbar mit Einwilligung der Abgebildeten geschehen - dann gilt etwas anderes. Ich sage als Jurist immer: man muss die Akte kennen, also man muss den Sachverhalt kennen, bevor man eine rechtliche Prüfung vornimmt.
    Da kann die Satirefreiheit nicht viel weiterhelfen, weil es sind ja Aufrufe dazu, dass man diese Personen gewissermaßen identifiziert und auch beim Arbeitgeber meldet: "Gesucht, wo arbeiten diese Idioten?", ist ja die eine Überschrift, oder "Denunzieren sie noch heute ihren Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten und kassieren sie sofort Bargeld". Das ist möglicherweise alles sehr witzig formuliert und die Aktion hat sicherlich auch einen gewissen politischen Gehalt und hat sicherlich auch möglicherweise den Schutz der Kunstfreiheit verdient. Dennoch, die Kunstfreiheit wird nicht schrankenlos gewährt und die Kunstfreiheit wird begrenzt durch Persönlichkeitsrechte - und hier ist es eben so, die Personen werden abgebildet, das Recht am eigenen Bild steht nur der jeweiligen Person zu, die abgebildet wird, sie muss einwilligen, oder es muss einen Ausnahmegrund geben, warum das Bildnis veröffentlicht werden darf. Und in solchen Fällen, wie den vorliegenden hier, sind es meistens Fahndungsaufrufe und die stehen halt nur dem Staat zu.
    Wellendorf: Alexander Gauland von der AfD sprach von Nazimethoden, seine Partei hat eine Seite eingerichtet, zur Erinnerung, auf der AfD-kritische Lehrer gemeldet werden können. Ich habe aber eher bei dieser ganzen Geschichte an den Fall Böhmermann gedacht, auch da ging es darum was Satire darf und was nicht. Sehen Sie da Parallelen?
    Keine Parallelen zu Böhmermanns Schmähgedicht
    Schertz: Nein, überhaupt nicht. Bei dem Fall Böhmermann handelt es sich um ein Satiregedicht. Das war eine Gesamtperformance von Böhmermann, wo er gewissermaßen die Grenzen von Persönlichkeitsrechten, die Grenzen von Schmähkritik fast wie in einer Rechtsvorlesung satirisch eingekleidet hat. Der Fall liegt völlig anders, hier geht es ausschließlich um die konkreten Plakate, die benutzt werden, wo konkrete Personen abgebildet werden, einfach nur mit dieser Überschrift.
    Das heißt da von einem komplexen Kunstwerk zu sprechen, liegt glaube ich schon sehr fern. Es ist nun mal so, ich verstehe ja, das man es gerne haben würde vielleicht, dass man bei Rechten vielleicht anders argumentiert als bei Linken, aber auch der rechte Gesinnungsgenosse hat eben Persönlichkeitsrechte, genauso wie ein Beschuldigter und die müssen eben beachtet werden, auch von den Medien und auch von solchen Organisationen wie hier dem "Zentrum für politische Schönheit" und meines Erachtens ist eben dieses hier, in der konkreten Gestaltung wie es hier erfolgt ist, nicht von der Kunstfreiheit gedeckt.