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"Aktionstag Zensur" an der Uni Freiburg

Zensur ist auch ein Thema in Deutschland. Pünktlich zum Tag der Pressefreiheit haben Freiburger Studierende deshalb an einst zensierte Autoren erinnert. Doch auch Zensur im Hochschulbetrieb war Thema: Die Organisatoren glauben, dass gerade Selbstzensur durch starke Abhängigkeitsverhältnisse begünstigt wird.

Von Thomas Wagner |
    "Der Anlass für diesen Tag war der Tag der Pressefreiheit. Und wir haben das zum Anlass genommen, um uns mit dem Thema "Zensur in der Literatur" zu beschäftigen."

    Aula der Uni Freiburg, heute Vormittag: Die rund 30 Studenten, die sich zum "Aktionstag Zensur" eingefunden haben, geben in dem riesigen Saal ein relativ kleines Häufchen ab - zugegeben. Vielleicht ist es ja für viele auch nicht so spannend, Texte von Autoren wie Tolstoj, Salman Rushdie oder Klaus Mann zu hören - Texte von Autoren, die es einst mit der Zensur zu tun bekommen haben. Doch für einige Studenten ist Zensur dennoch ein Begriff mit aktuellem Bezug:

    "Die größte Zensur besteht ja darin, dass irgendjemand entscheidet: Was steht in der Zeitung ? Was nicht ? Dass es so im Kleingedruckten verschwindet? Dass da irgendwelche Leute diese Entscheidung treffen. Und dass es da ziemlich viel wahrscheinlich um Quote geht, Einschaltquoten und Auflagen."

    Dass es so etwas wie eine "versteckte Zensur" in den Medien gibt, ist für Verena, die in Freiburg Englisch und Deutsch studiert, ausgemacht. Doch nicht nur das: Zensur im weiteren Sinne - so etwas wird, befürchtet Verena und ihre Kommilitonin Mirja, zukünftig auch im Hochschulbetrieb Einzug halten:

    "Das wird vielleicht schlimmer mit dem neuen Hochschulrahmengesetz, wenn alles ganz schnell gehen soll und es darum geht, möglichst viele Pflichtstudenten möglichst schnell durch die Uni zu schleusen. Dann geht vielleicht die Möglichkeit der breiten Entfaltung verloren."

    "Ja eben, dass man halt immer nur praktisch halt studieren kann, was auch wichtig von einem gefordert wird, und man nicht auch mal links und rechts ein bisschen schauen kann, was es halt noch für Angebote gibt, die jetzt halt nicht unbedingt nur direkt auf das Studium zugeschnitten sind. Ich denke, dass wird dann halt vielleicht verloren gehen."

    Diese Art von "Zensur" scheint dann auch die studentischen Massen zu bewegen. Die nämlich ziehen im gleichen Gebäude, in dem das Zensurseminar stattfindet, durch die Gänge, sprengen Vorlesungen. Protest ist angesagt - gegen Studiengebühren, wie an vielen anderen Hochschulen. Auch die Aula, in dem der 'Aktionstag Zensur' über die Bühne geht, suchen die protestierenden Studenten heim, fordern zum Streik auf. Für Organisator Jochen Petzold vom Englischen Seminar ist das ein Anlass, nachzudenken: Wo liegen die Grenzen zwischen legitimem Protest und Zensur?

    "Also ich denke, die Grenze ist auf jeden Fall da erreicht, wo die Veranstaltungen bestimmter Kollegen gezielt gestört werden, wenn also zum Beispiel jemand wegen seiner Meinung, wegen seines Geschlechtes, wegen welchen Gründen auch immer gezielt mundtot gemacht werden soll. Und die Grenze ist natürlich auch da erreicht, wo eine Minderheit einer Mehrheit bestimmte Diskussionen aufoktroyieren will. Wenn die Mehrheit des Kurses sagt: Wir wollen über Shakespeare reden statt über Hochschulpolitik, dann sollte das die Minderheit auch akzeptieren."

    Der Freiburger Asta als Organisator des Protestes sieht Zensur dagegen auf einer ganz anderen Ebene - nämlich als mögliches Druckmittel gegen die Proteste. Asta-Sprecher Clemens Weingart:

    "Wir haben angefragt für ein Vorlesungsfall von dozierenden Professoren und haben von einer Seite eine Absage bekommen. Er hat gesagt, er würde sehr gerne teilnehmen, aber er sei nur befristet angestellt an der Uni und könne, um sich seine weitere Hochschulkarriere zu verbauen, nicht leisten, daran teilzunehmen."

    Diese Art von Zensur, glaubt der Asta-Vertreter, sei kein Einzelfall.

    "Ich glaube, dass das in weiten Teilen die Regel ist. Wissenschaftliche Mitarbeiter, Privatdozenten, die keine feste Stelle haben, haben einfach ein Problem. Jemand hat mal die Universität als letzte höfische Gesellschaft bezeichnet, die es noch gibt. Da sind sehr, sehr starke Abhängigkeitsverhältnisse, in dem kaum frei demokratisch agiert werden kann."

    Und schon hat der "Aktionstag Zensur", der sich doch eigentlich mit einst zensierten Autoren beschäftigen wollte, eine aktuelle Wendung bekommen. Auch die Organisatoren wie Jochen Petzold denken über das Thema 'Zensur im Hochschulbetrieb' nach.

    "Ich denke, auch da sind wir in der relativ glücklichen Situation, daß es eine staatliche, bewusste Zensur nicht gibt. Es gibt natürlich im Wissenschaftsbetrieb Moden, die gemacht werden, und wo es dann eher so eine Diskussion von 'Political Correctness' ist, dass bestimmte Meinungen nicht besonders wohl gelitten sind, dass man mit bestimmten Meinungen auf eine Konferenz eher nicht eingeladen wird, das kann ich mir vorstellen. Dass man gar nicht publizieren kann, das halte ich für unwahrscheinlich. Es dürfte eher so sein, dass es auch hier wieder eine Form von Selbstzensur ist. Man macht eben Moden mit und forscht nur zu Dingen, von denen man meint, dass die im Moment dem Zeitgeist entsprechen und würde Sachen auslassen, von denen man meint, dass sie dem Zeitgeist radikal widersprechen. "