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Aktiv gegen Schleudertrauma

Medizin. - Platz eins der Personenschäden, die den Unfallversicherungen gemeldet werden, nimmt das so genannte Schleudertrauma ein. Rund 20 bis 40 Milliarden Mark jährlich gibt die Branche in Europa zu seiner Abgeltung aus. In Bern beschäftigten sich jetzt Experten auf einem internationalen und interdisziplinären Kongress mit allen Fragen rund ums Schleudertrauma. Besonders im Fokus stand der leichte Heckaufprall, der dennoch deutliche Traumata verursachen kann.

    Der Schlitten mit Autositz und Testpuppe darauf setzt sich in Bewegung, um dann abrupt abgebremst zu werden. Der Oberkörper des Dummys schnellt nach vorn, der Kopf folgt nach - allerdings mit einigen Sekundenbruchteilen Verzögerung. Das ist der kritische Punkt, an dem die Schleudertraumata entstehen. Die Halswirbelsäule muss sich s-förmig verbiegen, wenn dies auf ungünstige Weise geschieht, kommt es zu den oft monatelang anhaltenden Kopf- und Nackenschmerzen.

    Damit diese Gefahr möglichst gering gehalten wird, muss die Konstruktion der Fahrzeugsitze optimiert werden. Und da gibt es eine Menge zu tun. "Mindestens die Hälfte der Sitze ist verbesserungswürdig, wenn nicht zwei Drittel", erklärt der Biomechaniker Peter Niederer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Manchmal ist zum Beispiel die Sitzlehne im Vergleich zum Heck zu steif oder zu nachgiebig. Dann kommt es zu einem ungünstigen Bewegungsablauf. Ideal ist eine gleichzeitige Bewegung von Kopf und Oberkörper, je geringer der Unterschied in Bezug auf Beschleunigung und Beschleunigungszeitpunkt ist, um so besser. Viele Autositze verstärken dagegen die durch den Aufprall verursachte Beschleunigung noch durch Federungen und Schaumstoffe. Dabei gibt es alternative Konzepte wie aktive Kopfstützen oder Lehnen, die die Haltung von Kopf und Oberkörper unterstützen.

    Der schwedische Ingenieur Mats Svensson aus Göteborg hat mit Schweineversuchen die Ursache für die unangenehmen Kopf- und Nackenschmerzen entdeckt. "Wir fanden Verletzungen an den so genannten Nervenwurzelganglien des Rückenmarks, die nahezu alle Beschwerden der Patienten erklären können." Grund ist offenbar die schnell wechselnde Flussrichtung des Blutes im Wirbelkanal der Wirbelsäule. Der schnell wechselnde Flüssigkeitsdruck schädigt die Rückenmarkszellen und möglicherweise auch die Hirnzellen an der Kontaktstelle zwischen Rückenmark und Gehirn.

    [Quelle: Sabine Goldhahn]