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Aktuell oder sensationell

Was ist wichtig? Das ist die Kernfrage, wenn es um die Themenfindung des "heute Journals" geht. Den Tag so abbilden, "wie er wirklich war", lautet das Credo in Mainz. Doch das wird immer schwieriger. Täglich laufen über die Bildschirme der Redaktion Tausende Meldungen, und zunehmend werden Storys gezielt auf den Markt gebracht.

Von Tom Schimmeck | 21.12.2011
    Redaktionssitzung "heute Journal", Anne Reidt: "Dann starten wir, legen los, und Hanno hat das Programm des Tages."

    Hanno Schneider: "Also der Tag ist eher nachrichtenschwach. Bärsch und Kelch sind unterwegs in Sachsen, Zwickau und diesem Ort, dessen Namen ich nicht behalte."

    " Johanngeorgenstadt!"

    Hanno Schneider: "Sehr gut."

    "Amen."

    Hanno Schneider: "Wir machen jetzt ein Stück."

    Mainz-Lerchenberg. ZDF-Sendezentrum, 2. Stock. Redaktionssitzung des "heute Journals". Auf dem Themenzettel: Rechtsradikale, die EU und die Briten, Fluglärm, Russland, die Lebenserwartung der Armen, Iran und Israel. Der angefragte Zentralbanker möchte leider lieber nicht interviewt werden.

    Hanno Schneider: "Der hat aus Zeitgründen uns abgesagt.""

    Kleber: "Das ist schwach."

    "Mein Name ist Hanno Schneider, heute der zuständige Schlussredakteur, sozusagen verantwortlich für das, was heute Abend auf den Sender geht."

    Zusammen mit "Co-Schluss" Oliver Heuchert und Glenn Opitz, dem Mann für die Produktion.

    Zu dritt sitzen sie an einem geschwungenen Tisch. Halten durch eine Glasfront Blickkontakt mit der Redaktion. Über ihre Computerbildschirme laufen unablässig die Meldungen der Nachrichtenagenturen. Täglich Tausende.

    Hanno Schneider: "Und da sehen Sie jetzt, sind wir bei 1250 Agenturen seit Mitternacht. Ich les' die natürlich nicht alle. Aber die Überschriften gucke ich, dass ich die alle drauf hab. Weil in der Sitzung drüben muss man wissen: Was ist Sache? Damit man als Schlussredakteur auch nicht von Kollegen überrascht wird."

    Eine lange Schicht. Sie beginnt um 9:30 Uhr. Da hat Schneider bereits seine Regionalzeitungen und die Frankfurter Allgemeine gelesen.

    Hanno Schneider: "Und auf dem Weg hierher Deutschlandfunk von zwanzig vor neun bis neun Uhr gehört. Dann weiß ich ungefähr, was im Morgenprogramm schon war."

    Nun sind es noch gut 12 Stunden bis zur Sendung.

    Hanno Schneider: "Und dann gibt's natürlich 'ne Planung, eine Liste hat jeder in der Hand. Da sieht man, was unsere Planer, was wir in der Wochenplanung, in der Tagesplanung, vorbereitet haben."

    Auf vier Monitoren flackern die Bilder.

    Hanno Schneider: "Unten links die Eurovision, das sind Bilder aus aller Welt, die permanent laufen. CNN haben wir meistens laufen. Und dann gucken wir natürlich Nachrichten: ARD, ZDF, am Abend guck ich auch noch RTL aktuell, um zu wissen, was die anderen machen."

    Die anderen – sind auch eine Instanz.

    Michael Haller: "Wenn Sie jetzt die großen Megathemen, die großen katastrophischen Themen ansprechen, dann ist ein ganz starker Lemminge-Effekt da. Wenn die sogenannten meinungsführenden Medien ein aktuelles Ereignis hochziehen, dann springen alle auf diesen Zug auf, dann kommt ein Verstärkereffekt …"

    beobachtet der Journalismusprofessor Michael Haller. Und bestätigt damit ein allgemeiner Leser, Hörer-, Zuschauergefühl. Ein Thema, eine Figur, ist plötzlich überall präsent. Wird überlebensgroß. Und ist ebenso plötzlich weg, verschwunden, passé.

    Michael Haller: "Und der Verstärkereffekt heißt ja im Journalismus immer nicht nur: Abschreiben, was schon bekannt ist, sondern immer noch etwas dazusetzen. Und so kommt eine Art Überbietungs-Drive rein. Die einzelnen Medien wollen sich wechselseitig – sei es in Richtung Enthüllung, sei es in Richtung Personality, je nach Thema – ja auch immer ein Stück weit überbieten."

    Die Kernfrage: Was ist wichtig?

    Siegfried Weischenberg: "Also, grundsätzlich ist in der Nachrichtenwelt wichtig, was Journalistinnen und Journalisten für wichtig erklären."

    Sagt Hallers Kollege, Professor Siegfried Weischenberg.

    Siegfried Weischenberg: "Die Frage ist nur, die spannende, wie sie da zu Urteilen kommen. Wie sie also aus den vielen, vielen Ereignissen dieser Welt jeden Tag das machen, was auf eine Zeitungsseite passt oder in eine Rundfunksendung passt."

    Siegfried Weischenberg: "Es gibt von Walter Lippmann, dem Publizisten, der später unter anderem John F. Kennedy beraten hat, ein Buch, das ist 1922 entstanden. Darin steht der schöne Satz: Nachricht und Wahrheit sind nicht dasselbe und müssen tunlichst voneinander unterschieden werden."

    Nachrichten berufen sich auf Quellen, die Informationen sollen verlässlich sein. Die absolute Wahrheit, weiß Weischenberg, das ist eine Chimäre. Doch es gibt Kriterien für die Berichterstattung. Die in den Redaktionen ständig neu diskutiert werden müssen. Sagt auch Andreas Wolfers, Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg.

    "Ich glaube, das ist das Ergebnis eines täglichen Ausbalancierens, das jeder Journalist sich vornehmen muss, nämlich: Wichtig ist zum einen das, was der Leser für wichtig hält. Und zum anderen das, was ich als Journalist meine, was der Leser oder Hörer oder Zuschauer erfahren sollte."

    Wobei diese Positionen schon mal weit auseinandergehen können.

    "Kann sein, dass Hörer des Deutschlandfunks irgendwann das Thema Finanzkrise nicht mehr hören können, aber der Journalist der Meinung ist: Es ist wichtig, dass der Hörer das versteht, was da gerade vor sich geht."

    Auch bei seinen Journalistenschülern sieht er solche und solche. Die, die sich mehr für Glitzer und "Promis" begeistern, und jene, die sich mehr für Strukturen interessieren.

    "Und so wie sie ticken, so arbeiten sie dann auch. Wer mehr an Strukturen interessiert ist und Veränderung von Strukturen, der wird mehr Hintergrundberichte produzieren. Und die anderen, die gehen dann eben über Menschen."
    Wichtigkeit - das scheint ein flüchtiges Gut zu sein.

    Kleber: "Das ist toll, wenn man morgens um halb zehn so `ne Vorstellung hat. Das Dumme ist, um 15 Uhr, wenn wir neu zusammenkommen, sieht die Welt schon wieder völlig anders aus. Und wir halten die Dinge auch in der Luft. Wir wollen gar nicht das festnageln. Jedenfalls nicht zu früh."

    Claus Kleber, Moderator des "heute Journals", sieht sich als Akrobat. Als Jongleur der Themen. Ist es oft schwierig, oft kontrovers, sich zu einigen, was wirklich wichtig ist?

    "Es ist immer kontrovers und es ist immer schwierig. Aber man kann auch nicht so wahnsinnig viel falsch machen, weil es im Grunde eine diffuse Geschichte ist."

    Will sagen: Alles ist irgendwie im Fluss. Der Moderator staunt stets aufs Neue, wie die Entscheidungen fallen.

    "Ich werde so mit am häufigsten gefragt: #Wer legt das eigentlich fest?' Und ich sag' dann: 'Ich arbeite hier seit achteinhalb Jahren. Ich kann's Ihnen nicht sagen."

    Das Team entscheidet, heißt es auf dem Nachrichtendampfer "heute Journal". Die Aufgaben sind genau verteilt: Moderation, Nachrichtensprecherin, Auslandsdesk, Planung, Frühschicht, Spätschicht, Grafik, Schlussredaktion und so weiter. Ständig wird telefoniert, debattiert, koordiniert. Die Schlussredakteure wollen von den Autoren ganz genau wissen, was drin ist im "Stück". Und wie es "gebaut" wird.

    Hanno Schneider: "Also, jetzt planen wir im Moment - Stand 16 Uhr - mit sechs Beiträgen. Haben aber sieben. Einer muss noch raus."

    Es wird wohl den Fluglärm erwischen. Der ist morgen auch noch wichtig. Also: verzichtbar. Aber was, was ist immer wichtig?

    "Gute Nachrichten! Ja, also die Suche nach der guten Nachricht ist uns auch steter Auftrag. Wir wissen, dass die Nachrichten grundsätzlich eher schlecht sind. Dauernd werde ich gefragt: Warum gibt's eigentlich so wenig gute Nachrichten? Ich sage: Wir im 'heute Journal' suchen sie wirklich stets."

    Beteuert Nachrichtenfrau Gundula Gause. Seit 18 Jahren an Bord. Obwohl sie selten gute Nachrichten verkünden darf. Weil es halt meist um unschöne Dinge geht, ums Klima, um Krisen, Kriege, Katastrophen.

    "Das sind nun mal leider eher problematische Themen. Was nun mal dazu führt, dass Nachrichten leider in der Gänze eher schlecht sind."

    Weshalb es umso wichtiger sei, sagt sie, die komplizierte Welt zu erklären. Greifbarer zu machen. Und sei es in einer 25-Sekunden-Meldung.

    "Sodass der Zuschauer einen Mehrwert hat, was verstehen kann und sich sagt: War gut, dass ich heute #heute Journal' geschaut habe, ich habe was gelernt. Und morgen handele ich so oder so."

    Weltgeschehen, große Politik, Börse, Sport, was Leichtes für den Schluss. Zusammen mit Schichtleiter Jascha Habeck tüftelt Frau Gause gerade an den Nachrichtenblöcken. Was ist wichtig?

    Jascha Habeck: ""Dass der Zuschauer am Abend in der kurzen Zeit alles versteht."

    Gundula Gause: "Das frag' ich mich von Meldung zu Meldung, die ich hier zusammenpuzzele. Wir denken immer wieder darüber nach: Muss der deutsche Zuschauer das wissen?"

    Jascha Habeck: "Und es geht hier manchmal wirklich um Sekunden. Und es ist ein wirklicher Kampf manchmal, weil wir sagen: Man braucht aber diesen Satz noch, aber die Schlussredaktion sagt: Wir haben aber nicht mehr Zeit. Das führt dann manchmal schon zu sehr großen Diskussionen."

    Sich aus dem Mainstream zu lösen und eigenständig Themen zu setzen, sagen Experten, sei heute schwieriger denn je. Auch weil Geschichten gezielt auf den Markt gebracht werden. Weil immer mehr frisch frisierte Informationen, Storys, Bilder in die Redaktionen schwappen. Angehübscht von PR-Agenten und Pressesprechern.

    Siegfried Weischenberg: "Ja, zu befürchten ist, dass auch eben stärker als früher, diese Wichtigmacher im Hintergrund sind. Das heißt: eigentlich nicht zum Journalismus gehören. Also in Büros von PR-Agenturen sitzen oder zu Pressestellen von Wirtschaft und Verwaltung gehören. Ums martialisch auszudrücken: Dort hat man ungeheuer aufgerüstet, während man im Journalismus eher abgerüstet hat. Also, diese Waffengleichheit existiert nicht mehr."

    Jounalismusexperte Weischenberg warnt: "Informationsaufbereitung und Meinungsmache durch Fachleute der PR, der Public Relations nehmen zu. Werber, Wortschöpfer, Demoskopen, Imageberater, Kommunikationsexperten sagen den Firmen, Verbänden, Parteien, wie sie wann was präsentieren sollen. Und welche Brille sie dabei tragen sollen. Man kann solches Handwerk in Fachakademien und Hochschulen lernen."

    "Man weiß aus der einschlägigen Forschung, dass Journalistinnen und Journalisten hier schon sehr stereotyp, sehr konsonant, sehr gut prognostizierbar sich verhalten. Also wenn man die Regeln kennt, kann man diese Regeln natürlich bedienen. Und das macht es heute Interessenvertretern leichter, in die Medien zu kommen."

    Und dann gibt es dieses Schmiergeld namens Nähe, vor allem in der Hauptstadt:

    Siegfried Weischenberg: "Gerade in Berlin kann man beobachten, wozu zu große Nähe führt. Also auch die politische Berichterstattung ist bestimmten Formen von, in Anführungsstrichen gesagt, Korruption unterworfen. Korruption entsteht ja nicht nur dadurch, dass, wie vielleicht in Asien und Afrika, braune Briefumschläge über den Tisch geschoben werden, sondern entsteht auch durch zu viel Nähe, also dadurch, dass ich sozusagen mit Sympathie und mit einzelnen Informationen bestochen werde."

    Dazu kommt eine ständige Unsicherheit - Auflagenprobleme, Sparzwang, die Konkurrenz mit dem Internet. Da lauert die Dauerfrage: Was machen wir eigentlich falsch? Wollen wir Aufklärung - oder doch eher Zerstreuung? Gerade die großen Medien seien tief verunsichert, sagt Michael Haller:

    "Wenn wir noch einen Schritt weiter nach hinten gehen, müssen wir die großen gesellschaftlichen Paradigmen anschauen, unter denen gesellschaftliche Orientierung überhaupt stattfindet. Und da sehen wir dass – man kann fast sagen: bis zum Fall der Mauer – eine Art archetypischer Fortschrittsglaube da war, der die Menschen auch in einer anderen Weise interessiert hat für Informationen."

    Gundula Gause: "5 Sekunden mehr können wir immer gebrauchen."

    Bei der "heute-Journal"-Konferenz um 18 Uhr werden die Themen hin und her geschoben. Manches ist bereits "gekegelt" oder "gekillt".

    Hanno Schneider; "Wir wollen den Tag so zeigen, wie er wirklich war."

    Das Credo des Schlussredakteurs Schneider.

    "Das ist der Konsens, der in der Redaktion besteht. Wir haben hier intern noch so einen Slogan: Wir wollen alles zeigen, was den Zuschauer angeht. Und dann muss man abwägen zwischen dem Hochpolitischen, dem weniger Politischen. Man muss überlegen, dass die Sendung eine gute Dramaturgie hat. Und es gibt Konsens, dass wir jeden Tag die beste Sendung im deutschen Fernsehen machen wollen. Und meistens gelingt uns das."

    Doch welche der Themen sind wichtig?

    "Es ist unmöglich, das zu objektivieren,"

    sagt Anne Reidt, Redaktionsleiterin beim "heute Journal".

    "Wer das behauptet, lügt schlicht und ergreifend. Wir sind von Stimmungen, eigenen Emotionen, Konkurrenzbeobachtung mindestens genauso geprägt wie von dem, was wir gelernt haben, was Nachrichtenkriterien sind. Und ich glaube, wenn man dazu steht, und dann lieber mal überlegt: Woher hab' ich denn diese Stimmung' Warum sagt mir mein Bauch, Guttenberg könnte es heute sein' – dann fängt man wenigstens an, ehrlich über Kriterien und Relevanz zu werden. Das ist eigentlich das Beste, was man mit dem Thema machen kann: Sich ehrlich machen, transparent sein. Aber objektiv sagen, was das sein soll? Schwer."

    Der Kalender, sagen sie hier, sei noch das einfachste Kriterium. An einer Landtagswahl, einem großen Parteitag kommt man nicht vorbei. Ansonsten aber ist die Wertung "wichtig" Konjunkturen unterworfen.

    Anne Reidt: "Zum Beispiel Gewerkschaftstage – vor zehn Jahren hier noch der Renner im Programm, jeder DGB-Tag war hier drin. Das haben wir zum Beispiel diesmal vielleicht nur einmal mit einer kurzen Nachricht gemacht, das ist uns nicht mal ein Stück wert gewesen. Will sagen: Die Dinge verschieben sich wahnsinnig und erodieren auch. Wichtigkeiten steigen im Kurs, sinken, das ist wirklich wie so ein Aktienverlauf. Und wer behauptet, dass das in Stein gemeißelt wäre, der lügt."

    Trotzdem möchte man glaubwürdig, verlässlich sein. Das Vertrauen in den Journalismus hat gelitten. Der Medienlärm wirkt oft kunstvoll orchestriert. Immer öfter heißt die Frage: Wer spielt wen? Wer macht die Meinung? Wenn er in Redaktionskonferenzen sitze, sagt Wissenschaftler Haller, höre er einen veränderten Ton. Zynischer?

    "Nicht nur zynisch, sondern auch beliebiger. Und das ist das eigentliche Problem. Denn sozusagen der Radarschirm, der dreht jetzt leer bei vielen Medien, und man schaut eigentlich nur noch nach dem Unterhaltungswert, und sagt: 'Ach, das ist ja 'ne nette Geschichte'"

    Die netten Geschichten. Auf die sich ja die bunten Blätter extragut verstehen. Doch selbst die vielen Frauen-, Adels, Kitsch-, Klatsch- und "People"-Magazine, meint Peter Lewandowski, Chefredakteur des Glitzerjournals Gala, müssten sich an ein paar Grundregeln halten:

    "Wichtig ist im Journalismus, auch wenn es der Klatsch- und Tratschonkel von der Gala sagt, doch möglichst zu versuchen, an die Wahrheit ranzukommen und gewisse Dinge mit der gebotenen Anständigkeit der sechs Ws – die krieg ich immer nie so richtig zusammen: wer, wie, was, warum, wo – gegenzuchecken und irgendwann mal aufzuschreiben."

    Die Wahrheit. Und die sechs Ws. Das "Wann" hatte Lewandowski eben vergessen. Er blickt aus seinem Chefbüro auf die Kräne im Hamburger Hafen und staunt, wie wenig die Wahrheit oft zählt. Sein Fallbeispiel:

    "Da hat der Online-Auftritt von der ehrwürdigen Times sonntags berichtet, dass Brad Pitt und Angelina Jolie getrennt seien. Das kam sogar in den "heute"-Nachrichten. Und was mich dabei erschüttert hat: Keiner hat gefragt: Stimmt das? Und es gab zwei Magazine, die das hinterfragt haben, nämlich People in Amerika und Gala in Deutschland. Und wir haben dann gedacht: Naja, wir werden jetzt die Wahrheit schreiben."

    Die Wahrheit sah so aus: Recherchen in Los Angeles ergaben, die Trennung war ein Gerücht. Doch das Gerücht hatte mehr Wucht. Es war wohl die bessere Story.

    Peter Lewandowski: "Wir haben gedacht: Wenn wir mit der großen Wahrheit kommen, dann wird die Welt ganz anders darüber sprechen. Es war in Amerika das schlechtest verkaufte Heft von People und in Deutschland war es die schlechtest verkaufte Gala. Wir hatten überhaupt keine Möglichkeit, gegen diese Wand in irgendeiner Form anzugehen."

    Bei solchen Gelegenheiten steht man wieder vor dem Rätsel, ob das Publikum von einer Geschichte oder Figur fasziniert ist – oder davon, dass sie von Medien überdimensional aufgeschäumt wurde. Da steht Relevanz schnell gegen Prominenz. Und am Ende ist es nur ein Geschäft.

    Peter Lewandowski: "Da missbrauchen wir uns selbst auch zu einer Plattform der Stars. Aber unterhalten gleichzeitig. Da sitzen wir so'n bisschen zwischen Marktinteresse der Prominenten und Leserbedürfnis so zwischendrin. Da werden wir benutzt, ja."

    Claus Kleber: "Ich beobachte auch an mir selber, dass ich Dinge, die ich morgens für völlig richtig hielt, nachmittags wieder völlig anders sehe."

    Gerade jetzt geht es Claus Kleber wieder so:

    "Guttenberg ist heute so eine Geschichte."

    Im Laufe des Tages ist Kleber klar geworden,

    Claus Kleber: "…dass das schon interessiert. Ich mein': Wie kommt das? Und wovon versteht der was' Wer holt ihn dahin' Und aus welchen Gründen?"

    Lauter Fragen, die er nicht beantworten konnte. Und sich sagte:

    "Die Sache, die wir heute Morgen um halb zehn wirklich feierlich, und zwar innerhalb von 60 Sekunden, verworfen haben, steht jetzt so mit im Mittelpunkt der Arbeit. Also ich hoffe, da sind jetzt einige richtig dran."

    Karl Theodor zu Guttenberg mal wieder. Der frühere Verteidigungsminister - immer ein Stoff für schwungvolle Debatten auch beim "heute Journal". Ein Paradebeispiel für das Machen und Gemachtwerden von Journalismus. Für die Produktion von Emotionen, von Events, von Stars.

    Anne Reidt: "Es braucht dann wirklich eine Auseinandersetzung: Wo ist die Fallhöhe, dass es wirklich vertretbar in der Sendung ist? Und auch so in der Qualität, dass man am Ende wirklich was gelernt hat?"

    Nun also wieder ein "Stück" – das ist ein größerer Beitrag. Aus Brüssel, schön kritisch. Schlussredakteur Schneider war wieder der Ansicht gewesen: Nachricht genügt. Das Kollektiv hat anders entschieden.

    Hanno Schneider: "Und jetzt gucken wir, wie wir das Stück auf die Reihe kriegen."

    Bis zum letzten Augenblick kann alles umgeworfen werden. Ab halb neun: Abnahmen. Texte redigieren, Moderationen und Nachrichten fertig stellen. Gucken, ob alles zusammenpasst, ob Fehler drin sind.

    Hanno Schneider: "Ja, und dann geht das ganz schnell bis zur Sendung um viertel vor zehn. Und dann gehen wir in die Regie und zeigen das, was wir alles drauf haben."

    Der Regieraum, ein Cockpit wie für einen Flug durch das Weltgeschehen. Ein Dutzend Menschen starrt auf über 150 Monitore, drückt auf leuchtende Knöpfe, schiebt an Reglern.

    Claus Kleber und Gundula Gause stehen unzähligen Scheinwerfern im Studio.

    Der Regisseur gibt seine kurzen Kommandos.

    Die Sendung schnurrt.

    Am Schluss oben in der Redaktion die kurze "Flurschelte". Fast alle sind zufrieden.

    Hanno Schneider: "Das war fast zu gut"

    Und, war das jetzt alles, was wichtig war in der weiten Welt?

    Oliver Heuchert: "Genau. Genau so viel ist heute passiert."

    Hanno Schneider: "Nach unserer Auffassung war es das. Ach so, wer kann mal gerade Tagesthemen anmachen?"