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Akustik-Werkzeug für Architekten
Der Plan vom Klang

Architekten führen heute schon durch Gebäude, die erst noch gebaut werden müssen. Virtuell kann die Kundschaft Wände verschieben und Parkettfußböden auswählen. Wie die künftigen Räume jedoch klingen, konnten sie bisher nicht erleben. Das könnte sich jedoch bald ändern.Möglich macht das eine neue Software.

Von Frank Grotelüschen | 12.09.2019
Die beiden stehen in einem Obergeschoß aus Beton, in dessen Mitte eine spektakuläre Wendeltreppe in den Stock darüber ragt.
Die Akustik beeinflusst die Qualität von Räumen maßgeblich. Software für Architekten soll sie in Zukunft von Anfang an mitdenken und in Echtzeit erlebbar machen. (Paul Zinken / dpa)
Michael Vorländer: "Wir sind entsetzt. Wir finden, das ist unglaublich unfair."
Eigentlich hätte Kongresspräsident Michael Vorländer, Professor an der RWTH Aachen, allen Grund zu guter Laune gehabt: Mehr als 1700 Fachleute hatten sich zum internationalen Kongress für Akustik angemeldet. Das Programm: hochkarätig. Doch kurz vor Beginn gab’s unvermutet Ärger.
"Wir haben einen Studenten aus Nigeria eingeladen, den wir von früheren Arbeiten kannten. Wir haben alle nötigen Briefe verfasst, an die Visumsbehörden geschickt und gehofft, dass er kommen kann."
Ein übliches Vorgehen in der Wissenschaft, das allerdings nicht für alle Kollegen gleichermaßen funktioniert.
"Es wurde abgelehnt. Das Konsulat hat es einfach abgelehnt."
Nigerianischer Forscher durfte nicht einreisen
Und zwar völlig grundlos, meint Vorländer.
"Diese fadenscheinige Ausrede, er hätte nicht genügend Dokumente eingereicht, ist schlicht falsch."
Zuletzt haben vor allem die USA für Unmut gesorgt, weil sie Forscher zum Beispiel aus China nicht ins Land lassen. In Deutschland trifft es regelmäßig Wissenschaftlier und Wissenschaftlerinnen insbesondere aus Afrika. Eine Praxis, die man endlich abschaffen sollte, fordert Michael Vorländer.
"Das heißt, dass wir die Konsulate anweisen, dass sie die Dokumente, die wir einreichen, auch ernstnehmen. Wir sind Wissenschaftler und wollen gern unsere Kollegen treffen."
Probleme, die Finnur Pind nicht hat – der dänische Akustikingenieur arbeitet beim Kopenhagener Architektenbüro Henning Larsen und musste auf seiner Reise nach Aachen nicht einmal seinen Pass vorzeigen. Pind befasst sich mit folgender Frage: Wie lassen sich Architekten dazu bewegen, beim Entwurf neuer Gebäude früher auf die Akustik zu achten?
Akustik von Anfang an mitplanen
"Das Problem ist, dass die Akustik nicht wirklich als Teil des Entwurfprozesses gesehen wird. Wenn Architekten den Zuschnitt von Räumen planen oder Materialien auswählen, denken sie meist erst zum Schluss an die Akustik. Und das ist zu spät, um ein optimales Ergebnis zu erhalten."
Das versucht Finnur Pind zu ändern, und zwar gemeinsam mit Kollegen der TU Kopenhagen und der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Lausanne. Sein Ansatzpunkt: Architekten arbeiten heute mit 3D-Computermodellen. In denen können sie und ihre Kundschaft in einem geplanten Gebäude virtuell herumlaufen und in Echtzeit Wände verschieben und Parkettfußböden auswählen. Die Akustik des Gebäudes wird dabei bislang nicht realistisch simuliert. Der Grund: Realitätsgetreue Akustiksimulationen sind aufwändig und lassen sich nicht in Echtzeit erledigen.
"Das geht natürlich nicht so gut zusammen, will man virtuell in einem Gebäude herumlaufen und etwas in Echtzeit verändern. Deshalb haben wir eine Software entwickelt, die die besonders rechenintensiven Schritte im Voraus berechnet. Während der Simulation kann die Software dann auf diese vorher berechneten Elemente zugreifen."
Vorberechnete Software-Komponenten erlauben Echtzeit-Ergebnisse
Eine Mixtur also aus vorbereiteten Berechnungen und Echtzeit-Elementen. Eine Probeversion seiner Software hat Pind nun getestet, gemeinsam mit Architekten.
"Wir haben sehr positive Rückmeldungen von den Architekten und deren Kunden bekommen. Sie sagen, dass sie nun viel besser einschätzen können, wie sich verschiedene Entwürfe auf die Akustik eines Raumes auswirken. Also: Die ersten Resultate sind sehr vielversprechend."
Ein Beispiel: Ein virtueller Rundgang in einem Bürogebäude mit einem großen Atrium. Die Decke ist aus Beton, die Akustik ziemlich verhallt. Dann, per Mausklick, wird aus der Beton- eine Holzdecke. Damit wird nicht nur die Optik, sondern auch die Akustik plötzlich deutlich wärmer.
Finnur Pind kann sich die neue Software als Ergänzung für bestehende Architektur-Programme vorstellen, vielleicht in ein oder zwei Jahren. Doch so genau könne er das nicht sagen – dazu stecke er im Moment noch zu tief in der Wissenschaft drin.