
Tassilo Männer: "Es gibt keine Effekte und nix, wohinter man sich verstecken könnte, keine Verzerrer und keine Marshall-Wände. Das heißt, da ich mit roher Gewalt anschlage, mach ich zugleich auch Percussion und dynamische Unterschiede. Ganz ohne technische Tricks."
Ganz klar, das ist ein Heavy Metal Riff. Stellen wir uns das verzerrt vor, könnte es auch von Metallica oder Megadeth stammen.
Virtuose Selbstbeschränkung auf Stahlsaiten
Das ist schnell und kompliziert und erfordert schon auf einer E-Gitarre gehörige Übung. Es ist aber noch viel schwieriger, eine so schnelle Notenabfolge derart präzise und kraftvoll zu spielen, wenn man sich bei der Wahl des Werkzeugs so selbst beschränkt wie Tassilo Männer von Schidl'n'Schedl.
Tassilo Männer: "Das ist eine konventionelle sechssaitige Gitarre, eine Dreadnaught mit sechs Stahlsaiten. Es ist auch keine spezielle Stimmung. Ich gehe vielleicht manchmal einen Ton tiefer, aber ansonsten ist das Arbeitsgerät nicht besonders modifiziert oder angepasst."
Vervollständig wird diese wohl eigenwilligste Heavy-Metal-Unterart seit langem durch die markerschütternde Stimme von Markus Adlhoch.
Markus Adlhoch: "Ich würd’s eher bezeichnen als eine Kombination aus Heavy Metal- und Kehlkopfgesang. Und weil wir ja nur zu zweit sind und mein Kollege ja etliches auf seinem Instrument leisten muss, ist mein Gesang auch so angelegt, dass wir über sämtliche Oktaven gehen."
Was wie wildes Gebrüll klingt ist, Kenner des harten Musikgenres wissen es, das Ergebnis harten Trainings.
Markus Adlhoch: "Also ich hab Minimum ein bis zwei Stunden, die ich täglich auf jeden Fall mach. Und bei Vorbereitungen für Konzerte kann das auch schon mal zwischen drei und vier Stunden gehen."
Direkte Derbheit des Dialekts
Tassilo Männer und Markus Adlhoch stammen aus Kleinstädten in der Oberpfalz, sind Dialektsprecher und haben vor einigen Jahren festgestellt, wie gut der phonetische Reichtum ihrer Mundart zu der Musik passt, die sie machen.
Markus Adlhoch: "Das hängt einfach damit zusammen, dass das viel direkter ist. Du musst Dir net überlegen, wie heißt das jetzt auf Englisch oder muss ich mich jetzt verbiegen, damit ich Hochdeutsch sprech oder wie auch immer. Und der Dialekt hat ja auch noch durch den Dialekt einen gewissen Ausdruck, eine gewisse Derbheit, die man anders nur schwer darstellen kann."
"Tradi- Tradi- Tradition, ja, des woar scho imma so. Der Bruada sticht an Bruada ooh".
Tote Eichhörnchen als Inspirationsquelle
Das spürt man schon beim Bandnamen. Schidl'n'Schedl sind nicht etwa zwei süddeutsche Nachnamen, sondern die oberpfälzische Aussprache von Schüttel den Schädel. Das wiederum ist die rustikal zutreffende Eindeutschung des Begriffs "Headbanging", womit der Metaller das in Szenekreisen übliche Haupthaarkreisen im Takt der Musik beschreibt.
Markus Adlhoch: "Wir haben teilweise Texte, die bestehen nur aus einem Wort. Also, es sind eigentlich zwei Wörter: Oachkatzl Suicide."
Soll heißen: Selbstmord eines Eichhörnchens.
"Das ist daraus entstanden, dass es zu gewissen Jahreszeiten Eichhörnchen gibt, die totgefahren auf der Straße liegen. Und dann stellt man sich natürlich die Frage: waren das immer Unfälle? Was hat dazu geführt?"
Höchste Weihen für den Nischen-Metall
Tassilo Männer und Markus Adlhoch haben beide Brotberufe - Männer ist ausgebildeter Musiker mit eigenem Studio, Adlhoch hat Kunst studiert und arbeitet als Ausstellungstechniker für namhafte Museen. Sie wissen, dass sie eine absolute Nische besetzen. Doch die Heavy-Metal-Gemeinde liebt Nischen. Und hat auch den oberpfälzischen Akustik-Metal mit dem speziellen Dialekt und dem mitunter bizarren Humor von Schidl'n'Schedl ins Herz geschlossen. Bisheriger Höhepunkt war der Auftritt beim Wacken Open Air 2018.
Tassilo Männer: "Wir sind absolut warmherzig empfangen worden und wir hatten auch nach dem Konzert Gespräche mit Leuten, die teilweise was verstanden haben oder auch gar nicht. Und das total super fanden und die auch verstanden haben, was wir da eigentlich vorhaben, oder was wir da machen."
Kurz vor dem Besuch in Wacken haben Schidl'n'Schedl noch ihr zweites Album herausgebracht: "Schwermetall", geschlagene sechs Jahre nach dem Debüt. In der Nische braucht man eben manchmal Zeit. Die nutzten die beiden Oberpfälzer, um sich vom Quartett zur heutigen Duobesetzung zu verkleinern sowie Klang und Texte zu präzisieren.
Weniger Worte ergeben mehr Deutungsspielraum
Der Song "Feuerdeifl" über einen Pyromanen, der seine unterdrückten Aggressionen mit Brandstiftungen auslebt, ist das vielleicht packendste Beispiel für die Weiterentwicklung des Duos. Auch inhaltlich.
Markus Adlhoch: "Man könnte sich jetzt auch darüber unterhalten: warum werden diese Asylbewerberheime angezündet und so weiter und so fort. Es kann verschiedene Aspekte haben."
Tassilo Männer: "Ich finde es auch schön, wenn die Texte so sind, dass sich jeder noch seine eigene Geschichte machen kann."
Markus Adlhoch: "Eigentlich habe ich irgendwann einmal entdeckt, dass, wenn man versucht den Text soweit runter zu reduzieren wie es möglich ist, plötzlich viel mehr Gedankenmodelle entstehen."
Schidl'n'Schedl erfüllen optisch jedes Metal-Klischee. Doch sie sind in unterschiedlichen Szenen verwurzelt. Sie spielen nicht nur bei Metal-Festivals, sondern auch häufig in Kleinkunst-Theatern und sind gut mit dem mittelfränkischen Kabarettisten Matthias Egersdörfer befreundet.
Goldene Zukunft in einer Szene im Wandel
Und auch sie gönnen sich auf dem Album "Schwermetall" mit "Ausrucka forever" den Anhauch einer Ballade mit klarem, sogar Harmonie-Gesang. Wo sie ja sowieso schon aus Prinzip im Sitzen spielen.
Tassilo Männer und Markus machen seit fast einem Vierteljahrhundert gemeinsam Musik und haben beide die 40 überschritten. Dennoch haben sie den Eindruck, dass es für Schidl n Schedl jetzt erst richtig los geht.
Markus Adlhoch: "Es ist auch so, dass sich die Zeiten gedreht haben. Wir sind jetzt zum ersten Mal in einer Phase, wo die Heavy Metaler alt sind. Oder gereift sind, sagen wirs mal so. Wir haben teilweise 70-jährige Heavy Metal-Fans, die das ganz großartig finden. Die auch im Kabarett sitzen. Und die mit uns mit einem Glas Wein anstoßen. Also insofern bin ich der Sache sehr positiv aufgeschlossen, und denk: Des wird scho werdn."