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Akustische Sehnsüchte

Es ist bekannt für eine originelle Zusammenstellung der Referenten. Das jährliche Hörspielforum der Filmstiftung NRW will seinen Teilnehmern Gelegenheit zu Austausch, Inspiration und Analyse bieten und lädt in diesem September Autoren und Regisseure, Komponisten und Kritiker, Dramaturgen und Techniker zum zehnten Mal nach Köln.

Frank Olbert | 16.08.2003
    In fünf Workshops werden sie sich mit dem schönen Thema Sehnsucht befassen und Referate hören, etwa von Carl-Otto Wenzel, der bei der Gestaltung von Freizeit- und Themenparks die Wunschträume der potentiellen Kunden aufzuspüren versucht. Der Musikwissenschaftler Michael Stegemann erkundet sehnsüchtige Aspekte der Musik, der Schweizer Schriftsteller Christian Uetz befasst sich mit Lust und Leid im Minnesang und Matthias Erzinger, der den Beitrag der Züricher Hochschulen zur Expo 02, den "intelligenten Raum" ADA koordinierte, berichtet von der "Sehnsucht nach der intelligenten Maschine". In den Workshops können die Teilnehmer dann ihr so vielfältig gewecktes Verlangen in konkreter Studio- und Textarbeit umsetzen. Eine Experimentalwerkstatt mit dem Titel "Der Ferne Klang" bietet beispielsweise der Filmsounddesigner Matthias Lempert an.

    Olbert: Herr Lempert, was macht ein Filmsounddesigner eigentlich?

    Lempert: Als Sounddesigner bin ich jetzt nur noch im weiteren Sinne tätig. Mittlerweile besteht meine Hauptaufgabe darin, Filme zu mischen. Da hat man sozusagen die Rolle eines akustischen Dramaturgen. Man ist die Vertrauensperson des Regisseurs, was dramaturgische Abläufe und größere Bögen im Film angeht. Zu der Zeit, als ich als Sounddesigner gearbeitet habe, habe ich mich mit der Schaffung von Klängen, von Geräuschen, von Athmosphären befasst, der Kombination und dem Finden der richtigen Klänge für den jeweiligen Film. Zum Beispiel habe ich, was ganz witzig war, die deutsche Fassung der "Turtles"-Filme bearbeitet. Dem Verleih war die Tonspur des amerikanischen Originals eine Spur zu aggressiv. Ich wurde damit beauftragt, noch zusätzliche Soundeffekte zu machen, die das Ganze etwas kindlicher und komischer machen, um die Freigabe ab 6 Jahren zu bekommen. Ich habe dann alle Schlägerei-Szenen mit Slapstickgeräuschen unterlegt, die eine komische und abmildernde Funktion hatten.

    Olbert: Für welche weitern Filme haben Sie die Sounds gemacht?

    Lempert: Zum Beispiel Wim Wenders "In weiter Ferne so nah", für "Schtonk", für Tom Tykwers zweiten Film "Winterschläfer".

    Olbert: Jetzt sind Sie bereits zum fünften Mal als Workshopleiter zum Hörspielforum eingeladen. Was interessiert Sie daran?

    Lempert: Es ist eine ganz andere Sichtweise auf die tonliche Ebene. Das Schöpferische an der Filmtonarbeit ist die Assoziation von Klängen zu Bildern. Man hat im Film eine sehr große Freiheit darin, Klänge passend zu machen. Ich habe in den Workshops festgestellt, wie schwer es ist, diese Erfahrung mit Filmklängen auf den Hörspiel-Bereich zu übertragen, wo die tonliche Ebene ohne die Unterstützung von Bildern funktionieren muss. Ich finde es sehr spannend auszuloten, was man auf der reinen Hörebene über Klänge erzählen kann. Das Schwierige ist dabei, dass es sehr viele Klänge gibt, die – wenn man ihre Quelle nicht sieht – rätselhaft sind. Es gibt wenig Klänge, die auf sich selbst verweisen. Es gibt ganz typische Klangklischees. Aber es gibt einen sehr großen Bereich an Klängen, die man nicht sofort versteht.

    Olbert: Was werden Sie auf dem Hörspielforum konkret machen?

    Lempert: Nachdem meine Seminare in den ersten drei Jahren eher vortragenden Charakter hatten, biete ich jetzt im zweiten Jahr eine Experimentalwerkstatt an. Wir werden konkret an einer Idee arbeiten. In diesem Jahr ist das "Der Ferne Klang", passend zum Thema des Forums "Sehnsucht". Wir werden uns fragen, was kann durch Klänge übertragen werden? Welche Arten von Klängen rufen bestimmte Gefühle hervor? Was gibt es überhaupt für Tonelemente, an die man sich erinnert? Es gibt ja sehr viele Bilder, an die man sich erinnert, aus der Kindheit, aus der Jugend. Aber wie viele Hörereignisse gibt es eigentlich, die über die Jahre im Gedächtnis geblieben sind, die ganz bestimmte Gefühle transportieren. Das wird bei jedem etwas anderes sein. Das Interessante ist dabei, dass man sich normalerweise darüber nie Gedanken macht. Und so werden wir uns dann an Miniklangbilder zu dem Thema heranarbeiten.

    Das 10. Hörspielforum der Filmstiftung Nordrhein Westfalen findet statt vom 25. bis zum 27. September beim Westdeutschen Rundfunk in Köln. Informationen und Anmeldung bei Sibylle Bettray, Filmstiftung NRW, Kaistrasse 14 in 40221 Düsseldorf. Die Anmeldefrist endet am 29. August. Einige Workshops sind schon so gut wie voll.