Ernst-Ludwig Winnacker: Ja, grüß Sie Gott, Frau Maleike.
Maleike: Sie fordern eine weit reichende Reform des Hochschulsystems. Wie soll die denn aussehen?
Winnacker: Ja, ich bin der Meinung, dass es in der Diskussion nicht nur um Geld gehen darf. Wir brauchen auch in der Tat viel mehr Geld, und wenn wir überhaupt Geld ausgeben, dann sollten wir es für Bildung und Wissenschaft ausgeben, das ist richtig. Aber wir müssen auch die richtigen Strukturen haben, und ich glaube nicht, dass wir sie wirklich haben. Die Hochschulen sind in vieler Hinsicht in ein strenges Korsett eingebunden über das Hochschulrahmengesetz, über die Frage der Zugänge zur Hochschule. Da dürfen die Hochschulen zum Teil inzwischen Studenten auswählen, die geeignet sind, aber die dann nicht geeignet sind, die kommen durch die Hintertüre wieder hinein. Mit der Autonomie ist es wie mit der Schwangerschaft, entweder man ist autonom oder man ist schwanger, aber halbschwanger kann man ja bekanntlich auch nicht sein. Also, das ist nicht bei uns wirklich umgesetzt. Wir haben das große Problem, dass wir sehr viel Forschungsmittel in die außeruniversitären Einrichtungen investieren, die Leibniz-Gemeinschaft, die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft, das sind über drei Milliarden Euro im Jahr. Unsere Konkurrenten in der Welt, in England, in Finnland, in den USA, die forschen fast ausschließlich nur in den Universitäten. Und bei uns haben wir so die Tendenz: Ja, die Universitäten gerade noch gut genug für die Lehre im Extremfall, und dann die Forschung bitte an den anderen Einrichtungen. Das ist eine Katastrophe. Wir sind das Land, das die Einheit von Bildung und Forschung erfunden hat.
Maleike: Wir reden in den letzten Tagen über, ja, ich sage mal, Finanzlöcher in Millionen Euro-Höhe. Wie könnte denn zum Beispiel dieses Loch von Ihrer Meinung aus gestopft werden, um die Forschung wieder zurück zu bringen an den Ort, wo Sie Ihrer Meinung nach hin gehört?
Winnacker: Ich denke, das Geld ist schon da, man muss nur den Willen haben, es für Bildung und Forschung auszugeben. Das ist, denke ich einmal, nicht das Problem. Das Problem ist wirklich die Universitäten selbst als Einrichtungen der Forschung zu stärken, das heißt, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen viel näher an die Universitäten heran zu führen, zum Teil mit ihnen zu fusionieren. Es ist nicht einzusehen, warum Universitäten nicht große Instrumente der Forschung betreiben können. Die TU München betreibt eine teure Neutronen-Quelle, warum kann nicht die Technische Universität Darmstadt einen Schwerionen-Beschleuniger betreiben? Es ist ganz wichtig, dass die Universitäten auch diese Leuchttürme der Forschung selbst betreiben, damit die Studentinnen und Studenten etwas haben, wozu sie aufschauen können und sagen, da studiere ich, da habe ich wunderbare Chancen, später auch zu forschen. Ich denke, wir müssen uns da rückbesinnen. Wir brauchen wirklich Elite-Universitäten, einige Universitäten im Land. Wir haben ja schon einen großen Gradienten. DFG hat einen Leistungsgradienten, die DFG hat ja schon zum dritten Mal jetzt ein Ranking heraus gegeben. Es gibt große Unterschiede in der Qualität in der Forschung, aber ich denke, das reicht noch nicht. Wir brauchen wie andere Länder auch Leuchttürme. Wenn man irgendjemanden in der Welt fragt, wo sind denn die großen Universitäten Europas, ja, dann kommt Oxford, dann kommt Cambridge, dann kommt die Eidgenössisch-Technische Hochschule in Zürich, aber da kommt keine deutsche Universität, jedenfalls nicht so schnell. Und ich denke, das müssen wir reparieren, und dann ist auch das Geld noch gerechtfertigter als jetzt.
Maleike: Her Winnacker, bleiben wir noch einmal beim Thema Geld, in den letzten Wochen hieß es auch immer wieder, dass junge Wissenschaftler durch diesen Sparzwang sich doch eher wieder in Richtung Ausland richten. Sehen Sie das auch als große Gefahr, dass uns die guten Wissenschaftler wegrennen, wenn wir nicht in die Forschung investieren?
Winnacker: Ja, ich sehe sehr diesen Braindrain, wie das so schon heißt, ganz deutlich. Wir schicken ja auch mit Absicht Absolventen, die gerade promoviert haben, in das Ausland. Ich habe das selber auch getan, ich war selber in Amerika und in Schweden und bin dann aber zurück gekommen. Das ist im Moment sehr schwierig, die jungen Leute wieder zurück zu bekommen. Es kommen zwar viele zurück, aber meiner Ansicht nach nicht genug, denn sie kommen eben in ein System hier, was wenig transparent ist, in dem das Geld sehr knapp ist auch für die Allerbesten. Und ich denke, da sind andere Länder uns voraus. Und zwar nicht nur die USA, sondern auch Großbritannien, Finnland oder Schweden, die sind da sehr viel geschickter. Ich denke, das könnten wir auch sein.
Maleike: Jetzt gehen wir in die Winterpause, trotzdem haben die Studierenden auch schon gesagt, danach geht es auf jeden Fall weiter. Wie haben Sie die Proteste gesehen und würden Sie sagen, dass sie etwas gebracht haben?
Winnacker: Ich habe großes Verständnis für diese Proteste, aber ich verbinde sie eben immer auch mit strukturellen Reformen. Es ist mit Protesten alleine nicht getan, und sie gehen auch nicht immer in die richtige Richtung. Aber ich habe trotzdem große Sympathie für sie und ich hoffe, dass sie dazu führen, dass wir sowohl, was die Finanzen angeht, was das Geld angeht, als auch in der Frage der Strukturreformen nun endlich vorwärts machen.
Maleike: Sie fordern eine weit reichende Reform des Hochschulsystems. Wie soll die denn aussehen?
Winnacker: Ja, ich bin der Meinung, dass es in der Diskussion nicht nur um Geld gehen darf. Wir brauchen auch in der Tat viel mehr Geld, und wenn wir überhaupt Geld ausgeben, dann sollten wir es für Bildung und Wissenschaft ausgeben, das ist richtig. Aber wir müssen auch die richtigen Strukturen haben, und ich glaube nicht, dass wir sie wirklich haben. Die Hochschulen sind in vieler Hinsicht in ein strenges Korsett eingebunden über das Hochschulrahmengesetz, über die Frage der Zugänge zur Hochschule. Da dürfen die Hochschulen zum Teil inzwischen Studenten auswählen, die geeignet sind, aber die dann nicht geeignet sind, die kommen durch die Hintertüre wieder hinein. Mit der Autonomie ist es wie mit der Schwangerschaft, entweder man ist autonom oder man ist schwanger, aber halbschwanger kann man ja bekanntlich auch nicht sein. Also, das ist nicht bei uns wirklich umgesetzt. Wir haben das große Problem, dass wir sehr viel Forschungsmittel in die außeruniversitären Einrichtungen investieren, die Leibniz-Gemeinschaft, die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft, das sind über drei Milliarden Euro im Jahr. Unsere Konkurrenten in der Welt, in England, in Finnland, in den USA, die forschen fast ausschließlich nur in den Universitäten. Und bei uns haben wir so die Tendenz: Ja, die Universitäten gerade noch gut genug für die Lehre im Extremfall, und dann die Forschung bitte an den anderen Einrichtungen. Das ist eine Katastrophe. Wir sind das Land, das die Einheit von Bildung und Forschung erfunden hat.
Maleike: Wir reden in den letzten Tagen über, ja, ich sage mal, Finanzlöcher in Millionen Euro-Höhe. Wie könnte denn zum Beispiel dieses Loch von Ihrer Meinung aus gestopft werden, um die Forschung wieder zurück zu bringen an den Ort, wo Sie Ihrer Meinung nach hin gehört?
Winnacker: Ich denke, das Geld ist schon da, man muss nur den Willen haben, es für Bildung und Forschung auszugeben. Das ist, denke ich einmal, nicht das Problem. Das Problem ist wirklich die Universitäten selbst als Einrichtungen der Forschung zu stärken, das heißt, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen viel näher an die Universitäten heran zu führen, zum Teil mit ihnen zu fusionieren. Es ist nicht einzusehen, warum Universitäten nicht große Instrumente der Forschung betreiben können. Die TU München betreibt eine teure Neutronen-Quelle, warum kann nicht die Technische Universität Darmstadt einen Schwerionen-Beschleuniger betreiben? Es ist ganz wichtig, dass die Universitäten auch diese Leuchttürme der Forschung selbst betreiben, damit die Studentinnen und Studenten etwas haben, wozu sie aufschauen können und sagen, da studiere ich, da habe ich wunderbare Chancen, später auch zu forschen. Ich denke, wir müssen uns da rückbesinnen. Wir brauchen wirklich Elite-Universitäten, einige Universitäten im Land. Wir haben ja schon einen großen Gradienten. DFG hat einen Leistungsgradienten, die DFG hat ja schon zum dritten Mal jetzt ein Ranking heraus gegeben. Es gibt große Unterschiede in der Qualität in der Forschung, aber ich denke, das reicht noch nicht. Wir brauchen wie andere Länder auch Leuchttürme. Wenn man irgendjemanden in der Welt fragt, wo sind denn die großen Universitäten Europas, ja, dann kommt Oxford, dann kommt Cambridge, dann kommt die Eidgenössisch-Technische Hochschule in Zürich, aber da kommt keine deutsche Universität, jedenfalls nicht so schnell. Und ich denke, das müssen wir reparieren, und dann ist auch das Geld noch gerechtfertigter als jetzt.
Maleike: Her Winnacker, bleiben wir noch einmal beim Thema Geld, in den letzten Wochen hieß es auch immer wieder, dass junge Wissenschaftler durch diesen Sparzwang sich doch eher wieder in Richtung Ausland richten. Sehen Sie das auch als große Gefahr, dass uns die guten Wissenschaftler wegrennen, wenn wir nicht in die Forschung investieren?
Winnacker: Ja, ich sehe sehr diesen Braindrain, wie das so schon heißt, ganz deutlich. Wir schicken ja auch mit Absicht Absolventen, die gerade promoviert haben, in das Ausland. Ich habe das selber auch getan, ich war selber in Amerika und in Schweden und bin dann aber zurück gekommen. Das ist im Moment sehr schwierig, die jungen Leute wieder zurück zu bekommen. Es kommen zwar viele zurück, aber meiner Ansicht nach nicht genug, denn sie kommen eben in ein System hier, was wenig transparent ist, in dem das Geld sehr knapp ist auch für die Allerbesten. Und ich denke, da sind andere Länder uns voraus. Und zwar nicht nur die USA, sondern auch Großbritannien, Finnland oder Schweden, die sind da sehr viel geschickter. Ich denke, das könnten wir auch sein.
Maleike: Jetzt gehen wir in die Winterpause, trotzdem haben die Studierenden auch schon gesagt, danach geht es auf jeden Fall weiter. Wie haben Sie die Proteste gesehen und würden Sie sagen, dass sie etwas gebracht haben?
Winnacker: Ich habe großes Verständnis für diese Proteste, aber ich verbinde sie eben immer auch mit strukturellen Reformen. Es ist mit Protesten alleine nicht getan, und sie gehen auch nicht immer in die richtige Richtung. Aber ich habe trotzdem große Sympathie für sie und ich hoffe, dass sie dazu führen, dass wir sowohl, was die Finanzen angeht, was das Geld angeht, als auch in der Frage der Strukturreformen nun endlich vorwärts machen.