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Albig vs. Stegner

Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig, bisher eher moderat und nachdenklich, greift plötzlich an: Nur mit ihm als Spitzenkandidaten kann die SPD in Schleswig-Holstein die Landtagswahl gewinnen, so seine Botschaft. Ein Blick auf ein innerparteiliches Länderduell.

Von Matthias Günther | 20.01.2011
    Elf Vorstellungsrunden sind gelaufen – fünf stehen noch aus. Und der Ton wird schärfer. Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig, bisher eher moderat und nachdenklich, greift plötzlich an: Nur mit ihm als Spitzenkandidaten kann die SPD in Schleswig-Holstein die Landtagswahl gewinnen, so seine Botschaft an die mehr als 400 anwesenden Parteimitglieder. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner dagegen sei der falsche Mann, um die SPD in die Staatskanzlei zurückzubringen:

    "Wir werden dabei nur Erfolg haben, wenn wir die Herzen der Menschen erobern, wenn wir uns den Menschen zuwenden und sie nicht durch eine Politik abstoßen, die sich scheinbar nur noch mit sich selbst beschäftigt. Es reicht eben nicht, wenn Menschen uns für intelligente Politiker halten. Sie müssen uns für gute Politiker halten."

    Applaus im hinteren Teil des Saals – unter den Albig-Anhängern. Stegner blickt unbewegt geradeaus. Er zeigt nicht, ob ihn die Bemerkung seines Kontrahenten vielleicht ärgert. Die Spitze galt eindeutig ihm, dem Harvard Absolventen, dem kaum jemand die Intelligenz abspricht. Allerdings trauen ihm nicht viele zu, dass er auch die Herzen der Wähler erobern kann. Der 51-Jährige weiß sehr wohl um sein Image eines grimmigen Polarisierers, der die CDU so lange reizte, bis die Große Koalition im Sommer vergangenen Jahres platzte.

    "Da frage ich mich, woran liegt das mit dem Image, und ich habe darauf eine Antwort: In der Großen Koalition war ich auch als der Vorsitzende der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein der, der Nein gesagt hat, wenn sie die Mitbestimmung einschränken wollten, die Gleichstellung abschaffen wollten, das Klinikum privatisieren wollten, die Kita-Standards schleifen wollten, die Studiengebühren wollten, das wollten die ständig. Wenn ich Buffets eröffne und freundlich lächle, kriege ich mehr Zustimmung, als wenn ich hart Nein sage. Das weiß jeder. Es musste aber sein."


    Aber nicht so, meinen viele Genossen. In der SPD kamen Stegners Provokationen gegen den Koalitionspartner, sein ständiges Wettern gegen gemeinsame Beschlüsse, nicht immer gut an. Albig weiß das und versucht, daraus Nutzen zu ziehen.

    ""Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen keine Politik wollen, die den politischen Streit um seiner selbst willen inszeniert."

    Und als einen derart besonnenen Mann stellt Albig sich dar. Inhaltlich gibt es kaum Differenzen zwischen den Bewerbern: sie wollen mehr Geld ausgeben vor allem für Bildung und für Kinder. Der Stil aber ist ein anderer – der eine intelligent, aber ein Polterer. Der andere sympathisch, aber landespolitisch unerfahren. Die 20.000 SPD-Mitglieder in Schleswig-Holstein haben die Wahl. Müssen sie eine Richtungsentscheidung treffen? Ja, sagt Albig:

    "Es geht tatsächlich darum, welche Richtung unsere Partei nimmt: Gehen wir wieder Richtung Opposition oder gehen wir Richtung Staatskanzlei."

    Das sollte witzig sein, aber niemand im Saal lacht. Die Fronten sind klar, die Argumente bekannt. "Wieder Richtung Opposition" – damit spielt Albig darauf an, dass Stegner der Ruf anhängt, keine Wahl gewinnen zu können. Im Gegensatz zu ihm, der für die SPD das Kieler Oberbürgermeisteramt eroberte – mit absoluter Mehrheit im ersten Wahlgang gegen eine beliebte Amtsinhaberin der CDU. Stegner dagegen kann mit solchen Erfolgen nicht aufwarten: Unter ihm hat die SPD bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr ein Debakel erlebt. Sie stürzte auf 25 Prozent ab – ein historisches Tief. Stegner weiß um die Zweifel in seiner Partei:

    "Natürlich fragen sich die Mitglieder bei uns: Wir müssen die Wahlen gewinnen, kann man das mit dem Stegner überhaupt? Natürlich müssen wir erst die Wahlen gewinnen, aber wenn wir etwas zu lernen haben aus 30 verlorenen Wahlen, dann, dass es darauf ankommt, was man hinterher tut. Und nicht dass man nur sich darum kümmert, wer vielleicht die meiste Beliebtheit hat. Das nützt übrigens nichts, sonst würden wir Günter Jauch aufstellen, was wir aus guten Gründen nicht tun."

    Günter Jauch hat er schon oft erwähnt. Dennoch vergnügtes Kopfnicken bei seinen Unterstützern im vorderen Teil des Saals. Seine Freunde haben ihm geraten, öfter zu lächeln und nicht immer eine Fliege zu tragen. Das mit der Fliege kriegt er am besten hin - er trägt das Hemd offen. Stegner macht klar: Er werde sich nicht verbiegen, wolle gar nicht everybody`s darling sein. Dafür aber stehe er für eine verlässliche sozialdemokratische Politik:

    "Ich bin weder flexibel noch geschmeidig noch vage. Ich rede Klartext, das ist in der Demokratie gut. Ich bin verlässlich – für die gesamte Periode, für die ich mich zur Wahl stelle."

    Der Seitenhieb gilt seinem Herausforderer Torsten Albig. Stegner weiß verbal zurückzuschlagen. Denn Albig hatte sich erst vor eineinhalb Jahren für eine sechsjährige Amtszeit zum Kieler Oberbürgermeister wählen lassen. Ein Posten, auf den der 47jährige verzichten müsste, wenn er nach einem SPD-Wahlsieg Ministerpräsident würde. Albig kennt diesen Vorwurf und verzieht keine Miene. Er argumentiert immer gleich.

    "Ich glaube, dass wir an dem Punkt stehen, an dem sich entscheidet, ob wir diese Wahl gewinnen. Wir müssen uns entscheiden: wie gehen wir in die Wahl. Wollen wir sie gewinnen, oder wollen wir sie nicht gewinnen. Und ich glaube: wir gemeinsam gewinnen sie."

    Zunächst aber muss sich die SPD-Basis entscheiden. Für einen Spitzenkandidaten Stegner spricht seine langjährige Erfahrung in Regierung und Parlament. Albig dagegen war, bevor er Oberbürgermeister wurde, Kämmerer in Kiel und Pressesprecher im Bundesfinanzministerium, aber nie in der Landespolitik tätig. Für so manches SPD-Mitglied ein Manko.

    "Für mich ist entscheidend, welches Fachwissen vorhanden war, welche Erfahrung und die Qualität. Und das ist für mich eindeutig Ralf Stegner."
    "Dass er eine ehrliche Haut ist und genau das vertritt, was er auch sagt."

    Die Stegner-Anhänger sind schnell bereit, ihr Lob ins Mikrofon zu sprechen. Bei den Albig-Fans dauert es etwas länger.

    ""Es spricht für ihn, dass er ausgleichend ist, dass er sich auskennt in der Kommunalpolitik."
    "Ich denke, dass Albig immer der Sympathie-Träger ist, dass Stegner aber auch sehr viel Fachwissen hat, aber er ist verbrannt als Person, denke ich. Nicht mehrheitsfähig."

    Vielleicht ist etwas dran an der Vermutung, dass Ralf Stegner vor allem die SPD-Funktionäre hinter sich hat. Während es über Torsten Albig heißt, er sei der Kandidat der einfachen Mitglieder. Und genau das macht die Basisbefragung so spannend: Auf einem Parteitag hätte Stegner die Nase wohl vorn, denn Parteitage sind gewöhnlich Veranstaltungen der Funktionäre. In einer Mitgliederbefragung dagegen könnte die Wahlbeteiligung entscheidend sein. Vielleicht holt ja entweder Stegner oder Albig schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit – sonst kommt es zur Stichwahl.