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Album "Currents"
Erleuchtender Pop von Kevin Parker

Der 29-jährige Australier Kevin Parker schlägt mit seinem dritten Album "Currents" ganz andere Töne an. Der subversive Musikus führt mit tiefenentspannter und verträumter Musik die Erwartungen seines Publikums ad absurdum - und wahrt damit seine künstlerische Freiheit.

Von Marcel Anders | 29.08.2015
    Der australische Sänger Kevin Parker.
    Der australische Sänger Kevin Parker. (picture alliance / dpa / Tiago Petinga)
    "Beim letzten Album sind in jeder Sekunde 400 Sachen gleichzeitig passiert. Also unterschiedliche Instrumente und Melodien, die alle auf einmal aufgetaucht sind. Was daran lag, dass ich ganz alleine an diesen Songs gearbeitet und sie als etwas sehr Komplexes verstanden habe. Deshalb erschien es völlig normal, da jeden einzelnen Winkel mit einem neuen Sound auszufüllen. Nur: Wenn ich mir das heute anhöre, wird mir klar, dass es für den Hörer alles andere als einfach gewesen sein muss."
    Eine Erkenntnis mit Folgen: Auf seinem dritten Album "Currents" macht Kevin Parker das exakte Gegenteil von dem, was er 2012 auf "Lonerism" probiert – und damit sogar die Top 40 der amerikanischen Charts geknackt hat. Nämlich schwelgerischen Pop statt wild wuchernder Psychedelia, spacige Keyboards statt harter Gitarrenriffs und honigsüßer Falsettgesang statt entrückter John-Lennon-Stimme.
    "Ich wollte etwas Simples und Minimalistisches. Denn ich hatte schon immer eine Schwäche für diese Art von Musik. Sei es, weil da so viel Freiraum herrscht – aber auch, weil Simplizität in der Musik nur schwer zu erreichen ist. Also wenn es dir gelingt, einen minimalistischen Song zu schreiben, der umwerfend ist, ist das wirklich eine Leistung."
    Tiefenentspannt und verträumt
    Wenn man Kevin Parker etwas nicht vorwerfen kann, dann dass er stehengeblieben wäre oder sich an ein bewährtes Erfolgsrezept klammern würde. Schließlich wagt er sich diesmal an den Retro-Futurismus eines Jean Michel Jarre, flirtet mit Space-Pop, einem Hauch von Funk und Soul. Und versucht mit bescheidenen Mitteln epische Größe zu erzeugen. Wobei das Ergebnis tiefenentspannt und verträumt anmutet, eine bewusstseinserweiternde Wirkung besitzt. Und von seinem Schöpfer vollmundig "epiphany pop", "erleuchtender Pop", genannt wird.
    "Das ist ein Begriff, auf den ich mit meinem Kumpel Jay gekommen bin. Und zwar, weil Musik eine sehr erleuchtende Qualität haben kann. In dem Sinne, dass du einen bestimmten Akkord hörst, und er dafür sorgt, dass du über das Leben und deine Existenz nachdenkst – oder deine Hand anstarrst und sagst: Wow, ich bin ein Mensch! Also auf eine humorvolle, aber auch tiefgründige Weise. Von daher ist "erleuchtender Pop" für mich das ultimative Genre."
    Das Erleuchtende setzt sich auch in den Texten dieses erfrischend unkonventionellen Albums fort. Denn die 13 Songs sind schonungslose Selbsttherapie, in denen sich der Langhaar- und Vollbartträger mit verflossenen Beziehungen, dem Medienhype um sich und seine Musik sowie den Umgang mit Leistungsdruck und hohen Erwartungen befasst – nur um zu dem Fazit zu kommen: New Person, Same Old Mistakes – eine neue Person mit denselben, alten Fehlern. Aber zumindest basiert diese Einsicht auf einem künstlerischen Quantensprung und dem Mut, sich und sein Publikum richtig zu fordern. Selbst auf die Gefahr hin, den einen oder anderen Fan zu vergraulen.
    Ausleben der künstlerischen Freiheit
    "Das passiert bestimmt. Aber gleichzeitig dürfte es auch neue Leute begeistern. Denn selbst, wenn die Stücke anders klingen als früher, weisen sie immer noch die Essenz und den Spirit von Tame Impala auf. Wer sich daran stört, dass da nicht genug Gitarren am Start wären oder dass sie nicht so klingen, wie sie sollten, hat die Band wahrscheinlich nie verstanden. Deshalb bin ich der Meinung: Dieses Album wird ein Publikum finden, das Tame Impala wirklich liebt."
    Große Worte, geballter Idealismus und ein Klangexperiment, das hoffentlich genau den Effekt hat, den sich Kevin davon erhofft. Nämlich seine künstlerische Freiheit zu wahren, indem er einen kreativen Haken schlägt, sich dem gängigen Schubladendenken entzieht, und einfach tut, worauf er Lust hast. Ein Ansatz, den der studierte Philosoph und Astronom schon seit Jahren verfolgt: Mit Tame Impala, in Projekten mit den Flaming Lips oder mit Nebenbands wie Mink Mussel Creek, Space Lime Peacock oder Kevin Spacey.
    "Der Punkt ist einfach, all seine unterschiedlichen Begehren und Verlangen auszuleben. Denn ich habe einen weit gefächerten Musikgeschmack. Und nur ein Ventil, eine Band, ein Instrument und eine Art von Musik reichen mir einfach nicht aus – weil da noch so viele andere Möglichkeiten sind, mit denen man Spaß haben könnte. Deshalb spiele ich manchmal Schlagzeug in einer Band. Und wenn der Auftritt vorbei, gehe ich kurz auf Toilette, kehre dann zurück auf die Bühne und greife zur Gitarre. Das passiert öfter."