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Album "Legao"
Selbsternanntes Genie - Erlend Øye

Er machte elektronische Tanzmusik mit The Whites Boy Alive und mit Kings of Convenience Indie Pop - nun veröffentlicht Erlend Øye eine Platte mit Reggae-Einflüssen. Auf diesem zweiten Soloalbum sind zehn leichtfüßige Songs, die er gemeinsam mit der isländischen Band Hjalmar aufgenommen hat.

Von Ina Plodroch | 07.10.2014
    Der Norwegische Musiker Erlend Oye mit Kings of Conveniene beim Primavera Sound Festival in Porto, Portugal.
    Mit Eirik Glambek Bøe trat Erlend Øye 2012 auf dem Primavera Sound Festival in Porto auf. (picture alliance / dpa - Jose Coelho)
    Erlend Øye. Ein Minimalist, der mit Kings of Convenience ruhige Singer/Songwriter-Musik neu erfand und als Sänger von The Whitest Boy Alive Klubhits ohne Elektronik schuf.
    Sein zweites Soloalbum: Zehn leichtfüßige Songs, getragen von seiner Stimme. Geführt von einem dezenten Reggae-Groove. Die Platte hat er mit der isländischen Band Hjalmar aufgenommen.
    "Die machen seit zehn Jahren Reggae. Also sind sie durch mit all diesen blöden Klischees: Hier ein Hall, da ein Filter und 'One Love' rufen. Sie rauchen nicht den ganzen Tag Marihuana und haben keine Dreads. Sie lieben einfach den Groove."
    Das erklärt auch den Fantasie-Titel seines Albums: "Legao".
    "Wenn Asiaten 'Reggae' sagen, sagen sie nicht 'Reggae', sondern 'Lagge'."
    Neben 70er- und 80er-Jahre-Pop, Paul Simon, Fleetwood Mac, hat es Erlend Øye vor allem der Lovers Rock aus Großbritannien angetan: eine romantische Version des Reggaes aus den 70er-Jahren mit R&B-Einflüssen. Ziemlich unhip, in einer Zeit, in der Reggae nicht gerade angesagt ist. Aber vielleicht kommt das ja jetzt.
    "Ich habe Songs geschrieben, die nur mit einem Reggae-Groove tanzbar werden konnten. Es ist so langweilig, immer nur langsame, nette, entspannte Songs zu schreiben. Das habe ich schon so oft gemacht und ich glaube nicht, dass die Welt noch mehr davon braucht. Ich glaube, die Welt braucht mehr Musik, die positiv und nachdenklich zugleich ist."
    Eine echte Überraschung also. Tatsächlich schafft Øye es, dass sich diese Grooves dezent unter seine Songs mischen und sich leise an den Hörer heranschleichen. Es ist keine platte Aufforderung zum Tanz. Eher ein schüchternes Fragen, ob der Fuß nicht mitwippen will. Øyes Handschrift bleibt erkennbar: die Stimme, die Art des Songwritings - Zurückgelehnt, verspielt, positiv.
    "Es war gut, dass ich mit Leuten produziert habe, die ich nicht kannte. Diese Leute wissen nicht, dass ich ein Genie bin. Also musste ich sie davon überzeugen und das heißt: Ich musste mit fertigen Texten kommen. Das hat mir so eine Art Deadline gegeben. So habe ich härter gearbeitet."
    Bei allem Selbstbewusstsein und Können: Erlend Øye scheint faul und trotzdem perfektionistisch. Manchmal sucht er jahrelang nach einem passend Vers, der Strophe und Refrain verbindet. Ein Song auf dem Album ist zehn Jahre alt, der Rest entstand ab 2009. Øye hat neben seinen Bandprojekten also immer auch eigene Songs geschrieben, mit denen er kleine Geschichten über absurde Beziehungen, melancholische Geliebte, den Zauber des Verliebens erzählt. Oder über den Wunsch, zu einer Gemeinschaft dazu zu gehören.
    Øye mag's kitschig und direkt, aber nicht aufdringlich. Er singt Liebeslieder wie aus einem Hollywood-Film. Und das völlig ironiefrei und so herrlich pathetisch wie sonst kaum aktuelle Popmusiker. Coolness? Ein selbsternanntes Genie wie Erlend Øye steht da drüber.
    Ob Solo oder mit Kings of Convenience - vielleicht wird "Legao" Øyes letztes Album sein. Denn eigentlich findet er das nicht mehr zeitgemäß.
    "Heute hört sich doch keiner mehr Alben an, sondern die Single, und schauen das Video. Die Aufmerksamkeitsspanne der Leute reicht gerade noch für einen Song."
    Trotzdem: "Leggae" ist keine Ansammlung einzelner Singles, die im Internet beachtet werden wollen. Es sind zurückhaltende Songs, die als Album zusammengehören.