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Aldi und Rewe täuschen Verbraucher offenbar bei Umwelttüten

Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe sagt, dass angeblich recycelbare Plastiktüten von Aldi und Rewe zu 70 Prozent aus erdölbasiertem Kunststoff bestehen. Maximal 30 Prozent seien aus maisbasiertem Kunststoff. Diese Kombination führe dazu, dass die Tüten "ausdrücklich nicht" wiederverwertbar seien, so Resch weiter.

Jürgen Resch im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Es gibt einen Ort, da treffen sie sich alle wieder: die vielen Plastiktüten, die der Verbraucher so im Laufe seiner Einkaufstouren angesammelt hat. Meist werden sie unter die Spüle gestopft, gleich neben dem Mülleimer. Eigentlich könnten sie noch öfter zum Einsatz kommen, aber irgendwie werden sie an ihrem Treffpunkt neben dem Abflussrohr vergessen und beim nächsten Einkauf wird eine neue Plastiktüte gekauft. Ist ja auch gar nicht so schlimm, lässt uns der Handel glauben. Die Plastiktüten sind biologisch abbaubar und müssen unser ökologisches Gewissen nicht weiter belasten. Müssen sie doch, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Ich bin jetzt mit ihrem Bundesgeschäftsführer, Jürgen Resch, verbunden. Herr Resch, Ihre heute veröffentlichten Recherchen haben ergeben, dass diese Plastiktüten eine Mogelverpackung sind.

    Jürgen Resch: Ja. Diese angeblich biologisch abbaubaren, kompostierbaren Plastiktüten, die insbesondere von Rewe und den beiden Aldigesellschaften verkauft werden, sind es gar nicht. Wenn man die tatsächlich dann zum Biomüll gibt, dann werden sie dort aussortiert und sehr aufwendig verbrannt. Das Problem ist: Im normalen Kompostvorgang, den wir in diesen Kompostwerken haben, zersetzen sich diese Tüten nicht oder nur unvollständig, und damit ist dann das Kompostgut für die Landwirtschaft nicht mehr gebräuchlich. Das ist also im Grunde genommen eine Verbrauchertäuschung, die seit Jahren Millionen von Kunden trifft, die im guten Glauben an die Kompostierbarkeit sehr viel mehr zahlen für diese Tüten, im Endeffekt aber die Umwelt höher belasten, denn man kann diese Tüten weder recyceln, noch kompostieren und sie werden günstigstenfalls verbrannt.

    Fecke: Biologisch abbauen ist ja nicht Verbrennen, das haben Sie ja ganz gut geschildert. Was wäre denn überhaupt möglich, was könnte denn zersetzt werden, oder geht wirklich nur Verbrennen?

    Resch: Kunststofftüten auf jeden Fall nicht, weil wir müssen einfach von den vorhandenen Anlagen ausgehen in Deutschland. Das sind 400 Kompostwerke, oder im Garten. In beiden Prozessen zersetzen sich diese Tüten nicht. Im Garten beispielsweise bleiben die nach Jahren noch bestehen und noch dazu bestehen sie zu 30 Prozent aus Maisstärke, umgewandelt in PLA, und das ist gentechnisch angebauter Mais. Also man hat dazu noch das Problem Gentechnologie.
    Die Alternative sind tatsächlich beim Einkaufen Mehrwegtüten, dass man eben die Baumwolltasche oder eine normale Einkaufstasche vor dem Einkaufen mitnimmt, auf keinen Fall sich aber einreden lässt, dass man eine Umwelttüte kaufen kann mit einem erhöhten Preis und sie dann für den Kompost verwenden kann. Das ist genau der falsche Weg.

    Fecke: Was sind denn die Inhaltsstoffe neben diesem gentechnisch veränderten Mais?

    Resch: Diese Tüten bestehen zu 70 Prozent aus ganz normalem erdölbasierten Kunststoff und eben zu maximal 30 Prozent aus maisbasiertem Kunststoff, und diese Kombination von zwei verschiedenen Kunststoffen führt auch dazu, dass man diese Tüten ausdrücklich nicht recyceln kann. Mehr noch: Wenn diese Tüten dann fehlgeworfen werden und mit anderen herkömmlichen Kunststofftüten im Recycling landen, zerstören sie die Recyclingfähigkeit der Gesamtfraktion. Das heißt, man muss dann auch die restlichen Tüten wegschmeißen. Deswegen wir sagen, die Verbrauchertäuschung, die im Moment stattfindet, dass man dem Bürger das gute Gefühl gibt, durch den Kauf von Plastiktüten die Umwelt zu entlasten, muss sofort aufhören. Wir haben auch deswegen heute die Verbraucherministerin Aigner aufgefordert, gegen Aldi und gegen Rewe vorzugehen und diese Täuschung zu stoppen.

    Fecke: Jetzt denkt ja der ökologisch bewusste Mensch, wenn ich schon unterm Abflussrohr meine Tüte vergessen habe, meine Plastiktüte, die ich ganz oft wiederverwenden wollte, dann greife ich doch im Supermarkt wenigstens zur Papiertüte. Ist die tatsächlich eine ökologischere Alternative?

    Resch: Eigentlich auch nicht. Wenn wir die Papiertüte als Einwegtüte betrachten, dann hat sie gewisse Vorteile. Sie verrottet tatsächlich. Wenn ich sie jetzt in den Kompost gebe, stört sie dort zumindest nicht. Sie wird aber doch auch mit einem gewissen Energieaufwand hergestellt, sodass wir dringend davor abraten, Einwegtüten zu verwenden. Aber wie gesagt: wenn man dann tatsächlich eine Tüte benötigen würde für Kompost, dann bitte Papiertüte verwenden. Es reicht aber normalerweise aus, in dem Kompostbehälter unten vielleicht ein Papiertuch von so einer Haushaltsrolle reinzulegen. Das ist in der Regel ausreichend, um dann eine klare Abtrennung des Komposts beim Ausschütten zu erreichen. So wenig wie möglich Tüten bitte in den Kompost hineingeben, auch so wenig wie möglich Papiertüten, weil diese eben auch durch die Bedruckung Störstoffe dann in den Kompost eintragen.

    Fecke: Wir haben gerade noch von Afrika berichtet, von der Konferenz zur Wiederbegrünung des Kontinents. Es heißt, in Afrika erkennt man eine nahende Ortschaft vor allem daran, dass einem schon in der Wüste die Plastiktüten entgegenkommen. Was für ein Problem sind denn diese Materialien in Entwicklungsländern?

    Resch: Ja, übrigens nicht nur in Entwicklungsländern. Wir erleben das auch sehr stark in Osteuropa. Diese Tüten tragen natürlich nicht nur zu einer optischen Verunstaltung der Landschaft bei, sondern sie sind auch für viele Tierarten ein Riesenproblem, auch wenn sie dann sich im Laufe der Jahre ein bisschen zersetzen und in Fetzen vorliegen. Sie werden im Rahmen der Nahrungskette aufgenommen und führen bei zunehmend vielen Tieren gerade am Ende der Nahrungskette zu einem recht qualvollen Tod, weil dann der Magen gefüllt ist mit entsprechendem Plastikmaterial. Also wir haben da einfach ein Umweltproblem, das im Moment explodiert und das von der Industrie durch vermeintlich biologisch abbaubare Kunststoffe versucht wird zu erhalten. Wir sagen, solange sich Kunststoffe nicht normal zersetzen, kann man diese auch nicht einsetzen, und wir werden sie eben in den nächsten Jahren nicht für Einkaufstüten und wir werden sie auch nicht für andere Tüten erleben. Hier gibt es einfach nur die Alternative, auf Mehrweg zu setzen.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen. Jürgen Resch war das von der Deutschen Umwelthilfe über die Tütenlüge beziehungsweise über die nicht biologisch abbaubaren Plastiktüten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.