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Alemannia Aachen
Eine vermeidbare Insolvenz?

Der Traditionsverein Alemannia Aachen hat Insolvenz angemeldet - mal wieder. Schuld daran ist Missmanagement, sagen die einen. Viele geben aber auch dem DFB eine Mitschuld und sehen in einem Strukturproblem der Regionalliga den Grund allen Übels. Eine Spurensuche.

Von Jessica Sturmberg | 23.04.2017
    Blick ins Stadion von Alemannia Aachen
    Gehen hier bald die Lichter aus? Der Traditionsverein Alemannia Aachen steckt in finanziellen Schwierigkeiten. (Jessica Sturmberg)
    Es ist der 30. Spieltag in der Regionalliga West, Alemannia Aachen spielt zu Hause gegen den ostwestfälischen SC Verl. 4.800 Fans sind zu dem Spiel gekommen um ihre Alemannia anzufeuern. Die Stimmung im Aachener Tivoli ist bemerkenswert. Denn: "Es geht ja um nichts mehr, mit den neun Punkten Abzug, absteigen werden wir nicht mehr, aufsteigen werden wir auch nicht mehr", sagt einer der treuen Fans, der wie die anderen rund fünf- bis sechstausend Zuschauer immer noch regelmäßig ins 33.000 Zuschauer fassende Stadion kommt. Auch wenn im Zuge der Insolvenz neun Punkte abgezogen wurden und damit jede Spannung in dieser Saison weg ist. 1:1 endet das Spiel an diesem Freitagabend, bei dem dramaturgisch alles dabei war: Rückstand, gehaltener Elfmeter, rote Karte kurz vor Schluss.
    Auch im VIP-Bereich und den Logen ist einiges los. Es gibt Garnelenspieße, Rinderbraten, Mangomousse. Noch sind Geschäftsleute in Aachen bereit dafür zu zahlen, als wäre es ein Zweitliga-Event und nicht die Regionalliga West.
    Keine Spannung mehr in der Liga
    Aber die Frage ist: was passiert nun, nachdem die Alemannia zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren Insolvenz angemeldet hat? Jegliche Aufstiegsgedanken sind damit passé, jetzt geht es erst einmal darum, ein Budget für die kommende Saison aufzustellen, neues Geld zu akquirieren, Geschäftspartner und Zuschauer zu halten.
    "Die verantwortlichen Köpfe sind - Gott sei Dank kann man sagen - weg und wir hoffen auf einen Neubeginn und dass Sponsoren wieder zurückkommen, die die Alemannia in den schweren Zeiten aufgrund der nicht vorhandenen Kompetenzen verlassen haben und dass es wieder aufwärts geht, das ist das Gefühl, was wir brauchen", sagt Stefan Wamper, Hardcore-Fan, der vielen durch seine Facebook-Seite "Traditionsretter" bekannt ist. Nach der ersten Insolvenz sammelte er Geld zusammen mit anderen Ehrenamtlern wie "Didi" - und zwar in diversen Aktionen: "Wo etliche zigtausend Euro zusammengekommen sind um das Ganze am Leben zu halten und das kann man nicht hoch genug schätzen. Leider sind Leute wie Stefan, aber viele andere auch von vielen Gremienmitgliedern der letzten Jahre vergrault worden."
    Von Klüngel, Intransparenz und Missmanagement ist viel die Rede, sauer ist man auch auf den DFB, der die Lage für die Traditionsvereine in den unteren Ligen erst so schwierig mache. Das sieht auch der Insolvenzverwalter so. Zuständig ist die Kanzlei Niering, die ihren Rechtsanwalt André Dobiey mit dem Fall betraut hat.
    "Strukturell muss man einfach sagen, das aktuelle System der Regionalliga ist einfach für die allermeisten Vereine, oder auch Spiel-GmbHs, nicht darstellbar, gerade diese Aufstiegsregelung und damit auch wertlose Spiele, weil es um nichts mehr geht für viele. Dass nur der erste aufsteigt, ist schon nicht so einfach, dass der aber nicht mal sicher aufsteigt, ist natürlich auch höchst frustrierend für das Umfeld."
    Das Regionalligasystem bestrafe Traditionsclubs
    Die fünf Regionalligameister und der Zweitplatzierte der Regionalliga Südwest kämpfen um drei Aufstiegsplätze. Drei aus 91 Mannschaften - das sei viel zu wenig, aber nur einer von vielen Kritikpunkten am derzeitigen System. Es bestrafe Traditionsclubs, die ihre Einnahmen hauptsächlich von Sponsoren und Zuschauern bestreiten müssen, zugleich aber hohe Personal- und Sicherheitskosten durch die Stadien haben. Ein verzerrter Wettbewerb, weil sie zugleich gegen zweite Mannschaften von Proficlubs oder kleine Vereine konkurrieren, die diese Kosten nicht reinholen müssen.
    Sowohl Dobiey als auch Horst Filbrich, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Alemannia Aachen, die alle Fangruppen vertritt, beklagen, "dass die ganze Sache beim DFB verhallt und wieder mal ignoriert wird. Da muss sich was tun. Solange das nicht der Fall ist, wird diese Liga, die Regionalliga insgesamt in Deutschland ein Problemfall bleiben."
    Budgets, die strukturell auf Kante genäht sind - wenn da noch Klüngel dazu kommt, ist das gefährliche Gemisch wie in Aachen perfekt. Die Frage jetzt ist nur: Wie kommt man da wieder raus? Ein Fan sagt beim Bier nach dem Spiel im sogenannten Fiffi-Club im Stadion:
    "Ich finde, wir sollten eine Sponsorenlösung haben, von mir aus auch einen Mäzen - wobei, da sind wir wieder beim Klüngel, ne das lassen wir lieber sein. Aber ob eine Investorenlösung die richtige ist? Ne, weil Investor heißt ja dem Grunde nach - ich kaufe etwas, ich entwickle es und hinterher verkaufe ich es wieder an irgendjemanden, der mir einen Haufen Geld dafür gibt."
    War die Insolvenz womöglich ein geplanter Schachzug?
    Die Ultras gehen noch einen Schritt weiter und vermuten, dass die Insolvenzanmeldung gar nicht nötig war, dass es womöglich ein gezielter Schachzug war, um den Weg zu bereiten für eine Investorengruppe. Der Rechtehändler Michael Kölmel hatte zusammen mit anderen bereits im Herbst ein Angebot unterbreitet. Ex-Bayer-Leverkusen-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, der dabei als Berater fungiert, erzählte der Sportbild wie dieses aussehen soll: Für 49 Prozent der Anteile sollten 4 Millionen über vier Jahre fließen. Verbunden mit einer Option für den Fall, dass die 50+1-Regel fiele. Dann sollten es für weitere 3,6 Millionen Euro 80 Prozent werden.
    Alle warten gespannt darauf, was der Insolvenzverwalter nun macht.
    "Wir sind da offen für alles. Wir haben auch mit zahlreichen potenziellen Investoren gesprochen, aber wir planen aktuell die kommende Saison ohne Investoren. Ja, werden weiter die Gespräch führen und letztlich geht es darum, die Beteiligten abzuholen und mitzunehmen und wenn es einen Investor gäbe, muss der von dem breiten Rückhalt des Vereins getragen werden, ohne das wird es nicht gehen."
    Am Dienstag wird sich André Dobiey das Stimmungsbild anhören können, dann will er sich mit den Alemannia-Mitgliedern treffen und über Lösungen sprechen.