"Als Minister müssen wir das jetzt auch machen … Ja, das war jetzt die Hälfte, nächstes Jahr müssen wir dann ganz hoch. Weil ein Minister macht keine halben Sachen."
Anfang Juli im Zuspitz-Massiv. Alexander Dobrindt zeigt Journalisten seinen Wahlkreis. Und die lassen keine Möglichkeit aus, munter über seine Zukunft spekulieren: "Da könnte man hier so nen Schafsweg. Ja machen Sie, der erste Schafsweg im Verkehrsministerium."
Dobrindt ignorierte das. Mittlerweile ist das nicht mehr möglich - CSU-Chef Horst Seehofer hat das M-Wort ausgesprochen: Minister. Es ist ein schöner Landstrich, wo der Diplom Soziologe Dobrindt herkommt: Sein Wahlkreis umfasst die Landkreise Landsberg am Lech, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen:
"Das ist meine Heimat. Nicht nur die Gegend. Auch die Menschen hier. Das empfinde ich alles sehr stark als Heimat, wenn ich das Gefühl habe, ich hab hier sehr viel bekommen."
Treffer unter der Gürtellinie
Eine Seltenheit: solch harmonische Worte aus dem Mund des 43-Jährigen auf der politischen Bühne. Seit Anfang 2009 ist sein Beruf: Wadelbeißer, sprich Generalsekretär der CSU. Von Anfang an scheint er zu wissen: Er muss draufhauen. Anfangs noch unsicher. Aber er arbeitet an der Perfektion seiner Blutgrätschen. Er speckt ab, wird so dünn, dass so mancher frotzelt, er könnte durch den Gulli fallen, trägt eine Hornbrille und schmale Anzüge. Dobrindt nimmt stellenweise seine Rolle als Korrektiv aller weichgespülten Äußerungen so ernst, dass seine Treffer weit unter der Gürtellinie landen: "Ich hab zwei Jahren hier gesagt: Sigmar Gabriel ist übergewichtig und unterbegabt. Das war untertrieben - er ist ein übler Faulspieler,"
sagte er auf dem politischen Aschermittwoch 2012. Die FDP beschimpfte er als gesundheitspolitische Gurkentruppe, EZB-Chef Draghi nannte er einen Falschmünzer, er sprach von einer schrillen Minderheit und meinte damit vor allem Homosexuelle. Auch im Fokus: die Grünen - Dobrindt wollte zwei Dingen mit ihnen verbunden wissen: Verbote und Pädophilie - im Wissen, die Grünen könnten der CSU in Bayern Wähler abgraben, trat er besonders tief. Den Grünen Volker Beck nannte er "Chef der Pädophilen AG". Erst eine einstweilige Verfügung stoppte ihn.
Lob vom Parteichef
Bei so manchem löst der Name Dobrindt deshalb den Reflex aus, sich angewidert zu schütteln. Hin und wieder pfiff ihn auch sein Parteichef zurück - mittlerweile weiß man: So schlecht fand Seehofer die Perfomance seines Lautsprechers Dobrindts nicht:
"Noch einmal - und Alexander, das ist jetzt das letzte Mal, danke, vergelts Gott, das war eine exzellente Arbeit,"
lobte ihn Seehofer auf dem jüngsten Parteitag für die Organisation des Wahlkampfes. Hinter jeder Äußerung Dorbindts steckt reines Kalkül, er rechnet offenbar vorher genau den Ertrag seiner Handlungen aus. Wer Dobrindt antrifft, wenn er nicht Lautsprecher spielt, der bleibt überrascht mit dem Fazit zurück: So schlimm ist der ja gar nicht. Aber er weiß, so wie er agiert, nützt er der CSU. Da weiß auch Seehofer. Wo er eine weiche Linie fuhr, hielt der Generalsekretär die konservative Wählerschaft bei der Partei:
"Ich lege auf einen Wahlkampf wert, der unsere Stammwähler mobilisiert und zur Wahlurne bringt. Und ich halte überhaupt nichts von einer Strategie, die asymmetrische Demobilisierung ist und die letztendlich im Schlafwagen geführt wird. Ich will die harte Auseinandersetzung."
Gleichzeitig suchte er nach einem Weg, die Partei zu modernisieren. Für die weiblichen Wähler kreierte er eine Veranstaltung, namens "Lounge in the City". Prosecco, Aperol-Spritz und konservativer Schickeria-Großstadt-Flair zogen. Traditionell oder modern - Dobrindt erarbeitet immer eine Strategie - je nach Bedarf. Nun braucht er für sich bald eine neue - denn dass er weiter den Wadlbeißer geben muss, gilt als unwahrscheinlich.