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Alexander McQueen-Retrospektive in London
Furchtlos, radikal, provokativ

Alexander McQueen galt als Enfant terrible der Modebranche. Der Designer, der aus ärmlichen Verhältnissen kam, war für seine radikalen Entwürfe und provokativen Shows bekannt. Fünf Jahre nach seinem Tod widmet das Londoner Victoria & Albert Museum ihm nun eine große Retrospektive.

Von Louise Brown | 16.03.2015
    Zwei Kleiderpuppen, eine in einem weißen Kleid, eine in einem schwarzen Kleid, beleuchtet in einem dunklen Ausstellungsraum, im Vordergrund ist schwach eine Besucherin zu sehen.
    Kleider des "Romantischen Primitivismus" in der Alexander McQueen-Ausstellung im Victoria & Albert Museum in London. (dpa/picture alliance/Andy Rain)
    Es war einmal ein Junge, der hieß Lee McQueen. Er war sensibel. Schüchtern. Ein Außenseiter.
    Es war einmal ein Mann, der hieß Lee Alexander McQueen. Er war furchtlos. Genial. Ein Superstar.
    Ihm, den weltberühmten Modemacher, widmet das Londoner Victoria & Albert Museum ihre bisher größte Modeausstellung. Zehn Räume. 200 Kleidungsstücke. Mehr Tickets im Vorverkauf als für seine Blockbustershow über David Bowie.
    "There is something fascinating about his biography, that's why so many people are drawn to his story."
    Es ist seine Lebensgeschichte, die fasziniert, sagt Biograf Andrew Wilson.
    "It's a classic rags to riches story."
    Eine Geschichte wie im Märchen.
    Mit 15 verlässt Lee McQueen die Schule. Beginnt eine Lehre an der berühmten Londoner Schneidermeile Savile Row. Zehn Jahre später wird er Chef-Designer des Luxuslabels Givenchy. Er nennt sich und sein Label: Alexander McQueen.
    "Er war ein Visionär, aber es gab auch Tragisches in seinem Leben. Dieser Mix aus Savage Beauty, aus wilder Schönheit, Kreativität und Dunkelheit, wirkt für viele so anziehend."
    Der Modedesigner, der die Frauen hasst?
    Blick in die Ausstellung. Da ragt ein Porträt McQueens von der Wand, das sich langsam in einen Totenkopf, sein Markenzeichen, wandelt. Da sind Kleider, jedes schillernder, jedes verstörender als das andere. Mit Fetisch-Oberteil und Seidenröckchen. Mit Korsett aus Glas und Rock aus Straußfedern. Aus goldenen Perlen, die vom Mannequin herunterzutropfen scheinen, gepaart mit Kopfschmuck aus spitzen Tierhörnern.
    Ausstellungsmacherin Kate Bethune:
    "Er war furchtlos, radikal - und er provozierte mit Laufstegschauen, die mit Theater, Geschichtenerzählen und Installationskunst überraschten."
    Shows, bei denen McQueen Models als Verrückte in Gummizellen einsperrt. Mit Bandagen über den Laufsteg torkeln lässt. In zerrissenen Kleidern präsentiert.
    Der Modedesigner, der die Frauen hasst, schreibt eine Zeitung.
    Er wurde oft als Frauenfeind dargestellt, aber es stimmte nicht, sagt Andrew Wilson.
    Bei den Recherchen für seine neue, erstmals von der McQueen-Familie autorisierten Biografie "Blood Beneath the Skin" verriet diese: Wie McQueen als Kind hilflos zuschauen musste, wie seine Schwester von deren Mann zusammengeschlagen wurde. Wie er von dem gleichen Mann missbraucht wurde.
    Die Ausstellung geht auf solche biografische Details nicht ein.
    McQueen hat nie davon gesprochen. Oder doch?
    "All seine Arbeiten seien autobiografisch, sagte er: Er nutzte sie um sich von seinen Ängsten zu befreien."
    "Er besaß eine ungezügelte Kreativität"
    Alexander McQueen der Superstar: Mit seinen tief sitzenden Bumster-Hosen revolutionierte er die weibliche Silhouette. Mit dem Einsatz von Materialien wie Muscheln und Glas unterwanderte er die Haute Couture. Mit behinderten Models in seinen Schauen brach er mit konventionellen Vorstellungen von Schönheit. Mit Kleidern wie das ganz aus schwarzen Federn, die den Körper zu umschlingen scheinen, bot er Geborgenheit und Schutz.
    "Trotz der dunklen Ästhetik in seiner Arbeit war sie auch durchzogen von Leichtigkeit und Optimismus."
    Zur Zeit seines Selbstmordes hatte McQueen einen Platz an der renommierten Kunstschule Slade sicher. Er wollte Künstler werden, entkam der Modewelt aber nicht, für die er zum Schluss sechs Kollektionen im Jahr kreierte.
    Seine letzte Kollektion hieß: Plato's Atlantis. Sie zeigte Models, die nach dem Schmelzen des Polareises halbe Wasserkreaturen geworden sind, um zu überleben: Ihr Haar modelliert wie Flossen, ihre Kleider schimmernd wie Quallen. Mit ihr endet die Ausstellung.
    "Er besaß eine ungezügelte Kreativität. Niemand hatte Vergleichbares vorher gesehen und deshalb lebt sein Vermächtnis weiter."
    Die Ausstellung "Savage Beauty" im Victoria & Albert Museum läuft noch bis 14. August 2015.
    Zusätzlich ist noch bis 17. Mai 2015 in der Tate Britain eine Fotografieausstellung zu sehen, die hinter den Kulissen bei den Modeschauen schaut: Nick Waplington/Alexander McQueen: Working Process.