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Algenenzyme produzieren Wasserstoff

Tolle Idee. - Welcher Energieträger bleibt, wenn das Erdöl zur Neige geht? Neben den erneuerbaren Energieträgern wie Wind, Sonne, Biomasse, Erdwärme auch der Wasserstoff. Allerdings ist Wasserstoff kein 'primärer', sondern ein 'sekundärer' Energieträger: er muss erst erzeugt werden Ob der enormer Bedarf allein aus erneuerbaren Quellen befriedigt werden kann ist zweifelhaft. Vor wenigen Jahren brachten Biologen eine elegante Lösung ins Gespräch: Grünalgen lassen sich dazu bringen, Wasserstoff zu produzieren. Eine Vision entstand: der Energieträger der Zukunft kommt aus dem Bioreaktor, eine flächendeckende Versorgung könnte damit gesichert werden. Forschung Aktuell hat nachgeschaut was aus dieser Idee wurde.

Von Volker Mrasek |
    Wir sind jetzt im sogenannten GC-Labor. Wobei GC für Gaschromatograph steht. [...] Ich stecke mit meinen Händen in Handschuhen und bin damit in einem s ogenannten anaeroben Zelt. Das ist eine luftdichte Kammer, ein Zelt, wo halt kein Sauerstoff drin ist.

    Das Knautschen ist halt diese Plastikhülle ... bzw. die Ärmel von meinen Handschuhen. [...] So dass ich also quasi mit meinen Händen innerhalb von diesem ... Zelt ... arbeiten kann.

    Wer den US-Schauspieler Dustin Hofmann in dem Killerviren-Drama "Outbreak" erlebt hat, der kann sich in etwa Anja Hemschemeier jetzt vorstellen. Die Biologin trägt zwar keinen Ganz-Körper-Schutzanzug. Doch zumindest ihre Arme stecken in wulstigen Plastikschläuchen, die ins Innere des Zeltes ragen. Die Hülle der Versuchskammer ist durchsichtig, aber nicht durchlässig …

    Wenn Sauerstoff drin ist, ist sofort Schluss!

    Das hat gute Gründe. Denn die Biologin arbeitet mit Hydrogenasen. Mit Enzymen aus den Zellen von Grünalgen, die Wasserstoff produzieren. Doch das tun sie nur, wenn die Umgebung frei von Sauerstoff ist. Die Versuchskammer enthält deshalb eine Stickstoff-Atmosphäre.

    Das GC-Labor gehört zur Ruhr-Universität Bochum und Anja Hemschemeier zur Arbeitsgruppe von Thomas Happe. Der ist Professor für Biochemie an der Hochschule und hatte schon vor Jahren eine Vision:

    Dass Algen ... Wasserstoff für den Menschen produzieren.

    Der Energieträger der Zukunft aus biologischen Zellfabriken - das ist es, was Happe und einigen anderen Wissenschaftlern schon eine Weile vorschwebt:

    Auf den ganzen Tagungen, wenn man ... mit ... den Kollegen spricht, ist es immer so ein gewisses Aha-Erlebnis: Dass man so das Leuchten in den Augen der Wissenschaftler sieht, weil man denkt: Das ist wirklich ein sehr spannendes Thema, was die Menschheit wirklich mal in Zukunft ... vielleicht ... energietechnisch retten kann.

    Die Augen der Forscher leuchten seit dem Jahr 2000. Da zeigten kalifornische Biologen, was geschieht, wenn man Grünalgen auf Diät setzt, wenn man ihnen den Nährstoff Schwefel entzieht: Dann bauen die pflanzlichen Organismen ihren Zell-Stoffwechsel komplett um, werfen ihre neu gebildeten Hydrogenasen an und beginnen, Wasserstoff zu bilden.

    Was damals zunächst nur im Becherglas funktionierte, klappt heute schon in größeren Bioreaktoren:

    Mittlerweile gibt es Systeme [...] bis zu 200 Litern, …

    … und auch die Wasserstoff-Ausbeute der Grünalgen hat sich laut Happe weiter hochkitzeln lassen:

    Also, man kann sagen, dass es heute möglich ist, ungefähr fünfmal mehr Wasserstoff zu produzieren als bei den ersten Entdeckungen [...] - mit denselben Algen [...] Indem man einfach [...] die Bedingungen etwas verändert hat: die Lichtbedingungen, die Temperaturbedingungen. [...] Und wenn wir das Ganze, sagen wir mal, um den Faktor 10 optimieren können, kommen wir natürlich schon in Gegenden, wo das Ganze interessant sein könnte.

    Wollen die Algen am Ende nicht so wie die Wissenschaftler, dann könnte man zur Not auch auf sie verzichten. Und nur mit ihren Enzymen weiterexperimentieren. Denn auch das hat sich gezeigt:

    Man kann im Prinzip machen, was man will mit der Hydrogenase. [...] Zum Beispiel in der Waschmittelindustrie ist es sehr häufig, dass man biologische Moleküle einsetzt, ... die Enzyme eben. [...] Und die bauen ja die Schmutzstoffe ab sozusagen. Man könnte sich halt auch überlegen, ... die Hydrogenase, also das wasserstoffproduzierende Enzym, zu isolieren in größeren Mengen. [Und] [...] dass die halt also Wasserstoff produziert.

    Das Gen für die Hydrogenase bauten die Bochumer Biologen jüngst in das Erbgut eines Darmbakteriums ein. Der Versuch gelang: Die Mikrobe produziert das Enzym in viel größerer Menge als die Grünalge. Happe spricht von einem "echten Durchbruch" will nun biologische Brennstoffzellen entwickeln, mit den Hydrogenasen als Wasserstoff-Lieferanten.

    Das alles müsse man aber noch immer als Grundlagenforschung betrachten, mahnt der Biochemiker:

    Ich glaube, dass in unserem Projekt schon in fünf bis zehn Jahren - [...] dass wir da vielleicht ... umsetzbare Produkte entwickeln haben. [...] Versprechen kann man nichts, aber wir sind doch alle sehr hoffnungsfroh und glauben an unser System.

    Neulich klopften sogar schon Architekten im Labor an. Und sprachen von ihren Plänen, gläserne Hausfassaden zu entwerfen, in denen Algen zirkulieren und Wasserstoff produzieren.

    Tolle Idee, befand Happe. Vielleicht wird ja was draus …

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