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Algenhaus und Holzwürfel

Bautechnik. - Seit einigen Wochen läuft in Hamburg die Iba, die Internationale Bauausstellung. Präsentiert werden unter anderem innovative Gebäudekonzepte, vor allem Häuser, die nicht nur Energie sparen, sondern sogar welche erzeugen. Der vielleicht originellste Bau ging heute in Betrieb – das Algenhaus. In seiner Fassade gedeihen Mikroalgen, die Wertstoffe und Brennmaterial liefern sollen.

Von Frank Grotelüschen | 25.04.2013
    Die Fassade blubbert, und zwar kräftig. Sie besteht aus 129 Glassegmenten, und jedes Segment ist eine Art Aquarium. Jetzt färbt sich das Wasser darin tiefgrün ein. Martin Kerner beobachtet das Schauspiel und ist sichtlich zufrieden.

    "Im Moment werden die Algen eingefüllt, und Sie sehen die dichte Algen-Suspension, wie sie in den Reaktor einströmt."

    Kerner, Geschäftsführer der Firma SSC, hat das Algenhaus mit konzipiert.

    "Algen leben in einem wässrigen Kulturmedium. Und dieses wässrige Kulturmedium ist hier als eine vorgehängte Fassade vor dem Gebäude eingebracht."

    Algen brauchen als Futter CO2, und dieses CO2 kommt aus den Abgasen einer Gasheizung des Hauses. Außerdem brauchen Algen Licht zum Wachsen – aber nicht zu viel Licht. Deshalb muss das Wasser in der Fassade ständig im Kreis gepumpt und dadurch kräftig durchgequirlt werden. Kerner:

    "Weil Algen normalerweise gar nicht die pralle Sonne abkönnen, sondern eher im Halbschatten sind, in der Tiefe des Gewässers. Deswegen muss man sie in solchen flachen Reaktoren, wie wir sie hier an der Fassade haben, hochturbulent durchmischen, damit die Alge gar nicht so viel Licht sieht."

    Unten, im Heizungskeller, steht die Erntemaschine – ein schlichter, gut mannshoher Kessel. Er filtert die reifen Algen heraus – ein Wertstoff, den man, sagt Kerner, mehrfach nutzen sollte .

    "Indem man zunächst die interessanten Inhaltsstoffe nutzt. Oder indem man das als Fischfutter einsetzt, und erst, wenn man die hochpreisigen Stoffe aus der Biomasse entnommen hat, dann den Rest in einer Biogasanlage konvertieren."

    Hochpreisige Inhaltsstoffe – das wäre das von den Algen produzierte Öl. Pharma- und Kosmetikkonzerne könnten es gut brauchen. Außerdem dienen die Fassadenelemente nicht nur als Algen-Reaktoren, sondern auch als Solarthermie-Module: Die Sonne erhitzt das Wasser, ein Wärmetauscher entzieht die Energie und nutzt sie zur Warmwasserbereitung im Gebäude. Marktreif aber ist das Algenhaus-Konzept noch nicht, sagt Kerner. Manche Frage ist noch offen.

    "Wir wollen in den nächsten Jahren herausfinden, wie viel mit dieser Anlage an Wärme und Biomasse produziert werden kann und wie gut diese Wärme und Biomasse dann weiter hier im Haus oder anderweitig genutzt werden kann."

    Der Bau neben dem Algenhaus sieht ganz anders aus – kein Glaspalast, sondern ein großer Würfel aus Holz.

    "Wir stehen hier im Woodcube, ein fünfgeschossiger Massivholzbau, der ohne Leim auskommt. Das ist in der Höhe, in der Bauweise einmalig in Deutschland und Europa.""

    Holzleim enthält gesundheitsgefährdende Stoffe, die im Laufe der Zeit frei werden können – und deshalb verzichtet Andreas Raab von der Woodcube GmbH ganz darauf. Dass das mehrstöckige Haus dennoch stabil ist, dafür sorgt ein raffiniertes System aus Buchenholzdübeln. Es hält die dicken Holzwände zusammen, bestehend aus einer Sandwich-Struktur.

    "Im Wesentlichen haben wir drei funktionelle Schichten: ein fast zehn Zentimeter statisch tragender Kern. Dann haben wir nach innen vier Zentimeter Brettlagen, die dazu dienen, die Brandschutzschicht zu übernehmen. Und dann haben wir nach außen hin die knapp 15 Zentimeter zur Dämmung."

    Nur der Kern des Gebäudes, also das Treppenhaus, ist aus Beton, sagt Architekt Oliver Hilt.

    "Das war eine der Auflagen hinsichtlich des Brandschutzes. Rein technisch wäre es auch ohne gegangen. Aber da wollte die Feuerwehr nicht mehr mitgehen. Die wollten zumindest den Rettungsweg aus nicht brennbarem Material haben."

    Doch die Woodcube-Macher planen schon ein neues Gebäude – einen Bau komplett aus Holz, ohne Betonkern.

    "Der Austausch mit der Feuerwehr hat das Ergebnis gebracht, dass die Brandschützer einsehen, dass Holz Vorteile hat: Wenn es brennen sollte, leitet Holz die Wärme nicht so stark wie Beton. Das heißt, in den Fluchtwegen wird es nicht so heiß. Der Fluchtweg kann also auf längere Zeit benutzt werden."

    Noch wird am Woodcube geschraubt und gezimmert, Mitte Mai soll die erste der acht Wohnungen fertig sein. Mit Quadratmeterpreisen von bis zu 4500 Euro sind sie kein Schnäppchen. Dafür aber bieten sie angenehme Wohnqualität und höchste Energiestandards, sagt Architekt Hilt.

    "Es ist vergleichbar mit einem Passivhaus, und es bewegt sich in einem ähnlichen preislichen Rahmen."

    Und bis zum Iba-Ende im November gibt es sogar die Möglichkeit, für eine Nacht in dem innovativen Holzbau probezuwohnen.