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Algerienkrieg als Wahlkampfthema

In diesen Tagen jährt sich das Ende des Algerienkrieges zum 50. Mal, mit dem Vertrag von Evian vom 18. März 1962 wurde das Ende besiegelt. Der Krieg gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Algerien zog Frankreich vor einem halben Jahrhundert fast in einen Bürgerkrieg - und ist heute wieder Thema im Wahlkampf.

Von Ursula Welter |
    Algier 1958. Charles de Gaulle ist da. Gleich nach seinem Amtseid ist er nach Algerien gereist.

    "Ich habe Euch verstanden ... ", ruft de Gaulle den Menschen in Algier zu.
    Algerien, das ist ein Teil Frankreichs. Zehn Millionen algerischer Moslems, eine Million Siedler, teils aus dem französischen Mutterland, teils aus Malta und Spanien eingewandert.

    "Es hat keine Reformen gegeben."

    Sagt der Politologe Alfred Großer. Das starke soziale Gefälle, auch darin wurzeln die Attentate des FLN, des "Front de Libération Nationale", der 1954 den bewaffneten Kampf gegen die einstige Kolonialmacht Frankreich aufnimmt. Als de Gaulle 1958 in Algier spricht, tobt der Bürgerkrieg seit vier Jahren, auf dem Land zunächst, dann in den Städten. Frankreich schickt mehr und mehr Soldaten, schreckt vor Folter nicht zurück, wird der Lage aber nicht Herr, die Vierte Republik zerbricht nicht zuletzt daran.

    De Gaulle verspricht Gleichheit für alle, will Algerien entwickeln, Frankreich steckt Milliarden in den Aufbau des Landes, Intellektuelle wie Albert Camus träumen vom "Frieden Algeriens". Aber der Jubel kommt zu früh. Der FLN trägt den Terror ins Mutterland, in Südfrankreich fliegt eine Ölraffinerie in die Luft, in Algerien antworten de Gaulles Generäle mit Napalm, die Kämpfe gehen weiter. Frankreich schickt selbst Rekruten über das Mittelmeer,

    "zur Herstellung der öffentlichen Ordnung, nicht um Kopf und Kragen zu riskieren"

    … schreibt dieser Soldat beruhigend an seine Mutter.

    De Gaulle zeigt Härte und verhandelt gleichzeitig. Französische Generäle wittern Verrat, Algerien soll französisch bleiben, es kommt zum Putsch, die militärische Geheimgruppe OAS schreckt selbst vor einem Attentat gegen de Gaulle nicht zurück.

    Zehntausende junge Soldaten traumatisiert, 30.000 französische Soldaten, 5000 Zivilisten , 440.000 Algerier tot; 1,5 Millionen Bauern umgesiedelt – das ist die Bilanz des Bürgerkriegs, dessen Schrecken mit den Verträgen von Èvian am 18. März 1962 enden sollte.

    "Und dann kam alles anders, als es ausgemacht wurde."

    Die Nicht-Moslems sollen bleiben, aber sie fliehen.

    "Wir haben alles zurückgelassen, das Haus, das Auto, wir haben die Türen offen gelassen ..."

    … beschreibt Alain Vircondelet die Flucht seiner Familie, die seit den Anfängen, seit 1840, in Algerien gelebt hatte. Unter Tränen besteigen 700.000 Menschen Boote und Flugzeuge und verlassen das Land, das ihre Heimat war. Das Mutterland Frankreich ist auf diesen Exodus schlecht vorbereitet.

    "Das erste, was ich sah, als wir im Hafen ankamen, war das Spruchband einer Gewerkschaft. Darauf stand, geht zurück, wo ihr herkommt. Das hier ist nicht Euer Zuhause."

    Entwurzelt auch die "Harkis", muslimische Soldaten, die auf Seiten Frankreichs gegen den Terror der FLN gekämpft hatten. De Gaulle lässt sie nach dem Vertrag von Evian entwaffnen und liefert sie schutzlos der Rache der neuen Machthaber in Algerien aus. Wer kann, flieht, um in Frankreich in Zelten zu leben und als "Araber" beschimpft zu werden:

    Es gab 40 Tage Frost in jenem Winter, sagt Dalila Karchouche, die in ihrem Buch "Ich bin die Tochter eines Harki" die Verachtung schildert, die ihrer Familie im Mutterland Frankreich entgegengebracht wurde. Bis heute leben Nachfahren der Harkis in speziellen Siedlungen.

    Kurz vor den Wahlen hat Präsident Sarkozy, wie schon vor ihm Jacques Chirac, die Schuld Frankreichs gegenüber den Harkis thematisiert. Algerien, das Kapitel ist nicht abgeschlossen.

    Bis heute beklagen Verbände in Südfrankreich die, Zitat, "Preisgabe Algeriens" und mancher, sagt der Politologe Alfred Großer, lässt die politischen Erben de Gaulles an der Wahlurne spüren, dass die Wunden nicht verheilt sind:

    "Und das bringt Le Pen in Südfrankreich bis heute Hunderttausende Stimmen."