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Alle acht Jahre wieder....

Medizin. – Die Syphilis ist seit rund 500 Jahren eine ständige Begleiterin der Menschheit. In der aktuellen Ausgabe von "Nature" untersuchen jetzt britische Forscher die Dynamik von Syphilisepidemien. Ein zyklisches Verhalten zeichnet sich ab.

    Wenn wir gegen Epidemien wirklich etwas tun wollen,

    sagt Bryan Grenfell von der Pennsylvania State University,

    dann müssen wir begreifen, was diese Epidemien antreibt.

    Warum sich im Laufe der Jahre mal mehr, mal weniger Menschen mit der Syphilis anstecken - dem wollte der britische Forscher Nicolas Grassly vom Imperial College in London, auf den Grund gehen. Seiner Meinung nach greifen bisherige Erklärungsversuche zu kurz.

    Häufte sich die Zahl von Syphilis-Infektionen, dann sagte man früher: mehr Menschen waren unvorsichtig. Sie hatten riskanten Sex. Und man verwies auf soziale Phänomene: die Sexuelle Revolution in den 60er Jahren oder die Schwule Befreiungs-Bewegung in den 70er Jahren.

    Grassly wollte es genau wissen. Er analysierte Statistiken aus 60 US-amerikanischen Städten. Von den 40er Jahren bis heute. Und er entdeckte ein erstaunliches Muster:

    In all diesen Städten kommt es regelmäßig zu Syphilis-Epidemien. Alle acht bis zehn Jahre. Dieser zyklische Verlauf deutet darauf hin, dass es ein direktes Wechselspiel gibt zwischen dem Krankheitserreger einerseits und den Risiko-Gruppen in der Bevölkerung.

    Wie aber sieht dieses Wechselspiel aus? Seit dem späten 19. Jahrhundert, so Grassly, ist bekannt, dass das Immunsystem von Menschen, die sich mit Syphilis anstecken, auf den Erreger, die Syphilis-Bakterien reagiert. Ein großer Teil dieser Menschen - nicht alle - ist in der Folge vor einer erneuten Ansteckung geschützt. Bryan Grenfell.

    Grassiert eine Syphilis-Epidemie, dann heißt das: Je mehr Menschen sich anstecken, um so mehr Menschen sind dann auch gegen den Erreger immun. Es ist wie bei einem Waldbrand: Wenn alle Bäume verbrannt sind, stirbt das Feuer. Ein neuer Waldbrand droht erst dann, wenn Bäume nachgewachsen sind - oder im Fall der Syphilis: wenn wieder genügend Menschen empfindlich sind für den Erreger.

    Syphilis-Epidemien verlaufen also zyklisch. In den USA, so hat Nicholas Grassly beobachtet, kam es früher in den einzelnen Städten zu je unterschiedlichen Zeiten zu einer Epidemie. Inzwischen aber steigen und fallen die Infektionszahlen zur gleichen Zeit. Grassly:

    Ich denke, es gibt so etwas wie "sexuelle Netzwerke", die mit der Zeit immer enger miteinander verknüpft wurden. Das ist auch Folge der wachsenden Mobilität.

    Die jüngste Syphilis-Epidemie, so Grassly, rollt zeitgleich in allen großen Städten der USA an - und auch in Europa. Folgt man seinem Modell, dann dürfte sich die Syphilis in den kommenden Jahren weit ausbreiten. Grassly:

    From this kind of model you would expect fairly wide spread and continue transmission of syphilis for the next few years at least.

    Nach Ansicht von Grassly reicht es nicht, die Dynamik der Ausbreitung der Syphilis besser zu verstehen. Syphilis ist eine sexuell übertragbare Krankheit. Änderungen im sexuellen Verhalten haben natürlich einen Einfluss auf den Verlauf einer Epidemie. Grassly:

    Das beste Beispiel dafür: die späten 80er und frühen 90er Jahre. Die Leute hatten Angst vor AIDS. Sie waren vorsichtiger. Damals steckten sich viel weniger Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten an - nicht nur der Syphilis.

    Das neue Modell könnte helfen, Aufklärungskampagnen besser und effektiver zu gestalten. Davon ist Grassly überzeugt:

    Wir sollten Aufklärungskampagnen dann starten, wenn besonders wenige Menschen an Syphilis leiden. Denn dann könnte es uns sogar gelingen, die Krankheit auszurotten. Wenn Sie aber sehen, dass die Zahl der Infizierten ansteigt, dann haben Sie wahrscheinlich die günstige Gelegenheit verpasst.