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Alle auf ein Kommando

Bereits jetzt wird es als Meilenstein der EU-Sicherheitspolitik gehandelt: das Europäische Lufttransportkommando, kurz EATC, in Eindhoven. Vier Nationen haben ihre Lufttransportflotte dem Kommando des EATC unterstellt. Ein Modell für mehr Zusammenarbeit in der EU.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Ein Hangar auf dem niederländischen Luftwaffenstützpunkt Eindhoven. Hier steht eines der Prunkstücke der niederländischen Flotte: ein KDC-10-Tank- und Transportflugzeug. "Dieser gigantische weiße Vogel kann eine F16 in der Luft betanken", erzählt Sprecherin Wendy Ryan, als sie die Rolltreppe hochläuft.

    Seit dem letzten Herbst fliegt diese KDC-10 nicht mehr nur für die niederländische Luftwaffe, sondern auch für das neue europäische Lufttransportkommando EATC. "Es hat seinen Sitz gleich nebenan, ebenfalls in Eindhoven", so EATC-Sprecher Martin Gesenhoff:

    "Ja, mit der KDC-10 führen wir regelmäßig Transportflüge durch, hauptsächlich nach Kandahar, Material und Truppen also von Fahrzeugteilen, von Flugzeugteilen, alles, was dringend benötigt wird."

    Als Erstes haben sich Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Belgien dem EATC angeschlossen. Diese vier Länder haben dem neuen Kommando die operationelle Verantwortung über fast alle ihre Lufttransportmaschinen übergeben - insgesamt rund 200. Sobald in diesen Ländern Bedarf nach einem Militär-Transportflug entsteht, wenden sie sich an Eindhoven: Das gilt auch für die NATO, EU und UNO.

    Im Kontrollraum, dem Mission Controlling Room, werden die laufenden Einsätze geleitet und überwacht. Rund 1000 waren es in den ersten zehn Wochen. Es geht um Hilfsgütertransporte, hohe Militärs, die von A nach B geflogen werden müssen, um das Verlegen von Truppen und Material - oder um Evakuierungsoperationen, um Verwundete auszufliegen, erklärt Oberst Ludger Bette:

    "Wir haben erst Mitte Januar einen deutschen verletzten Soldaten aus Afghanistan rausgeflogen nach Deutschland."

    Ziel des EATC ist es, die knappen Ressourcen des Lufttransports optimal einzusetzen und Paralleleinsätze zu vermeiden. Ein deutscher Auftraggeber kann deshalb nicht davon ausgehen, dass sein Transport auch von einem deutschen Piloten ausgeführt wird:

    "Und das ist ja auch durchaus der Charme des EATC, dass deutsche Passagiere mit einem französischen Airbus nach Djibouti fliegen."

    Effizienz lässt sich zwar nur sehr schwer messen. Aber es gibt Indikatoren: zum Beispiel, wie viele Flüge es bereits mit gemischter Ladung gibt. Oder wie viele Einsätze mit Flugzeugen, die nicht aus dem Land des Auftraggebers stammen. Das ist bereits bei rund zehn Prozent aller EATC-Flüge der Fall.

    In Zukunft soll es auch möglich werden, dass EATC-Flugzeuge internationale Crews bekommen, und dass ein zum Beispiel deutsches Flugzeug auch von einem französischen Techniker repariert werden kann. "Dazu aber", so Jochen Both, Generalmajor aus Deutschland und erster EATC-Kommandant, "müssen die verschiedenen nationalen Systeme weiter harmonisiert werden":

    "Der Weg zu mehr Harmonie ist sehr steinig und sehr lang, aber Sie brauchen eben immer wieder - wie ein steter Tropfen höhlt den Stein - Leute, die sich damit beschäftigen, und das werden wir leisten."

    Die Mitgliedsländer müssen ihre Souveränität nicht völlig abgeben, sie können stufenweise entscheiden, wie weit sie gehen möchten: Soll das EATC nur beraten, soll es koordinieren - oder ganz übernehmen? In Sachen Ausbildung ist Deutschland dabei am weitesten gegangen: Die Luftwaffe hat dem EATC bereits die volle Verantwortung für ihr taktisches Trainingsprogramm übergeben:

    "Die Deutschen sind ja nicht überall die großen Vorreiter, wenn es darum geht, nationale Souveränität abzugeben, in diesem Falle sind sie mit Sicherheit beispielgebend."

    Aber ist diese Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen möglich? Immerhin hatten die europäischen Luftstreitkräfte international bereits sehr viel Erfahrung und waren die Zusammenarbeit gewöhnt - man denke an die Luftbrücken nach Berlin und Sarajewo, an die humanitären Hilfsaktionen nach dem Tsunami 2004 - oder an den ISAF-Einsatz in Afghanistan. Auch ist die Sprache im internationalen Luftverkehr seit Langem Englisch. Das waren denkbar günstige Startvoraussetzungen für das EATC, muss auch Generalmajor Both zugeben:

    "Aber ich glaube, wenn man bereit ist, eine politische Vision, die ja da ist, sie dann auch in kleinen Schritten umzusetzen, wenn man den Nationen das Gefühl gibt, dass man ihnen nicht etwas wegnimmt, was sie nie wieder bekommen werden, und dann grundsätzlich auch die Fähigkeit sozusagen verlieren - wenn man dieses Gefühl den Nationen nehmen kann, dann werden Sie auch in ganz anderen Bereichen erfolgreich sein können."