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Alle auf Linie?

Die Latinos sind die größte ethnische Minderheit in den USA. Bei den kommenden Präsidentschaftswahl werden nach Aussagen von Experten so viele von ihnen zur Wahl gehen wie noch nie zuvor. Bereits neun Millionen dieser Stimmberechtigten haben sich für die Wahl registrieren lassen. Auch im Bundesstaat Colorado könnten sie für einen Richtungwechsel sorgen.

Von Klaus Remme |
    Nein, dies ist nicht Hamburg, und nicht der Fischmarkt. Eine milde Herbstsonne scheint an diesem Samstagvormittag über Denver, der Hauptstadt Colorados und viele nutzen Freizeit und Wetter für einen Gang über die Wochenmärkte, die Bauern im Umland haben seit Jahren ihre Stände in der Stadt, Bäcker und Imbissstände sind dazugekommen und so entstand in jüngster Vergangenheit eine vielen inzwischen liebgewonnene Tradition für den Samstagvormittag. Es passt zum neuen Image von Colorado und Denver, die Betonung auf Ökologisches, der Markt am Cherry Creek gehört zu den beliebtesten der Stadt, die Stände erstrecken sich zu beiden Seiten einer für den Verkehr gesperrten Straße. Brian Land, ein junger Familienvater, kommt fast jede Woche:

    Es gibt immer mehr Öko-Lebensmittel aus der Nähe, die Leute mögen das offenbar, es kommen immer mehr, denn das gibt’s in den Supermärkten nicht.

    Craig verkauft Honig in allen Formen für alle Lebenslagen, Honig von Wildblumen, von Klee, von Orangenblüten, als Kerze in Form von Maiskolben, in zahllosen Töpfen und im geschlossenen Strohhalm, praktisch auf Reisen. Das Geschäft geht gut, von Krise keine Spur, freut sich Craig.

    Ich hab bisher noch jedes Jahr mehr verdient, mit harter Arbeit und guter Ware gibt’s keinen Grund, Verluste zu machen, so seine Erfahrung.

    Mit Schnittblumen scheint das anders zu sein, Stephanie arbeitet seit zehn Jahren hier, noch nie hat sie sowenig verkauft wie in diesem, auch wenn sie alle aus der Nähe kommen und zu schönen Sträußen zusammengebunden werden. Ob es an der Wirtschaftskrise liegt oder am neuen Platz, etwas weiter weg von der Durchgangsstrasse, sie zuckt die Achseln. Neben ihr riecht's nach süßem Teig:

    Waffeln nach belgischem Rezept, preist Michael Brund an. Zwei Dollar 75 mit Zimt und Puderzucker, wer mehr will, Früchte oder Schokolade, muss vier, fünf Dollar bezahlen. Klagen will er nicht, dafür aber die Bäckerin zehn Meter weiter. In den letzten drei Wochen war es ganz klar, die Leute geben weniger aus.

    Noch bevor Monica ihre Waren vorstellt, muss sie ihre politische Fürbitte loswerden. Ein Mikrofon wenige Tage vor der Wahl, es kann sich nur um einen Wahlkampfbeobachter handeln, urteilt sie richtig. 16 Jahre ist sie alt, vertritt an diesem Stand für natürliche Seife ihre Mutter:

    Sie ist auch völlig begeistert von Obama, fügt sie hinzu und auf die Frage warum, kommt Fundiertes:

    " Er ist erstaunlich, sein Irak-Abzugsplan und seine Ansichten zum Thema Abtreibung, für uns ganz wichtig, mehr Rechte für Frauen, bitte."

    Ein ungewöhnliches Gerät, in einer Drahttrommel, ein Meter breit, 50 cm Durchmesser röstet Miguel einen Sack voll Chillies, 10, 12 Minuten, dann sind die wunderbar weich, mild oder scharf, warm oder kalt, er hat seit Jahren alles im Angebot, meint er und zündet das Gas für die nächste Ladung.

    Jonathan ist mit seinem vierjährigen Sohn August hier. Auch er spricht gerne über Politik, wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl und er freut sich, denn, so meint er, die Umfragen lassen hoffen:

    Die Wirtschaft und der Krieg, es muss ein Ende haben mit der Cowboy-Diplomatie, so Jonathan und so gerne er über Politik redet, ihn zieht es zu Herbert, zu einem weiß-blauen Zelt und die bayrischen Löwen räumen letzte Zweifel aus:

    Herbert ist in Österreich geboren, hat lange in München gelebt. Beim Anblick seiner Stammkunden, entschuldigt er sich. Geschäft geht vor:

    Dutzende verschiedener Würste, alle hausgemacht, vielen fällt die Entscheidung schwer:

    Das sind alles wunderbare Würste, meint diese Kundin, jede für sich Spitzenklasse und wir haben sie alle probiert

    Dank euch geht’s und auch in schlechten Zeiten gut, ruft Herbert seinen Kunden nach, aber dann sagt er, schlechte Zeiten gibt’s für uns eigentlich nicht.

    Politisch ist er geschickt neutral. Obama, McCain, ich hab Kunden beider Lager, allen schmeckts, sagt er und grinst. Seine Entscheidung, vor 20 Jahren in die USA, nach Denver zu kommen, hat er nie bereut. Für ihn sind ist Amerika auch nach dem 11. September noch immer das Land of the Free.