Elshorst: Tag, Frau Heuer.
Heuer: Manfred Stolpe, wir haben es gehört, möchte nicht von einem Eisberg sprechen, von der Spitze eines Eisbergs. Sie schon, Herr Elshorst?
Elshorst: Frau Heuer, wir wissen natürlich nicht mehr als der Minister und als die Medien. Wir glauben, dass man sich um das, was man weiß, kümmern muss. Aber wenn man es mal vergleicht mit den Volumina, um die es da geht, zehn Milliarden Euro Investitionssummen über fünf Jahre, es könnten 50 Milliarden Euro sein, sind das eher Lappalien. Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss.
Ich glaube in der Tat, dass bei einem solchen Investitionsvolumen, wesentlich schlimmere Dinge irgendwo stecken müssen. Dass sie da stecken, ist nicht etwa das Versäumnis des Ministeriums oder schlechter Steuerung. Selbst bei bester Steuerung, wenn ich die mal unterstelle, wäre das unvermeidlich in einem Sektor, der weltweit führend ist im Korruptionsbereich.
Heuer: Das heißt, wir müssen uns in, in Anführungszeichen, "reichen" Bundesministerien mit Korruption abfinden?
Elshorst: Wir müssen uns nicht damit abfinden. Aber wir sollten uns auch nicht der Illusion hingeben, dass diese Bundesministerien, also unser Verkehrsministerium das einzige in der Welt und in Deutschland ist, wo ein solches Volumen nicht tatsächlich auch zu Missbrauch führt. Und der ist in einer ganz anderen Größenordnung.
Meine Frage ist: Sind das tatsächlich alle Fälle, die die Innenrevision in fünf Jahren aufgedeckt hat, dann würde ich mich fragen, ist sie gut genug? Vermutlich sind es nicht alle Fälle und insofern kann ich das natürlich mit dem heutigen Informationsstand nicht abschließend beurteilen. Aber sich darüber jetzt politisch zu erregen, ist eigentlich eher kontraproduktiv, weil, was da passiert ist, ist das Normalste von der Welt: Dass eine Innenrevision tatsächlich Fälle findet und dass die auch öffentlich werden. Ich hoffe, in der richtigen Form.
Heuer: Herr Elshorst, das klingt, als sei Korruption in den Ministerialbehörden inzwischen gang und gäbe? Welche Ministerien kommen denn da noch in Frage, wenn Sie schon glauben, dass das im Verkehrsministerium noch viel schlimmer ist als bisher bekannt?
Elshorst: Frau Heuer, zunächst einmal muss man wirklich unterstreichen, wir reden nicht von Korruption im Ministerium, sondern im Geschäftsbereich des Verkehrsministers. Ich glaube, kaum einer dieser Fälle dürfte im Ministerium angesiedelt sein, weil die ja nicht die Vergabe machen. Sondern die entscheiden über die politischen Rahmenbedingungen und so weiter. Aber wir reden über Autobahnverwaltungen und so weiter und so weiter. Über Einkauf von Streuwagen und all das, darüber reden wir. Natürlich über den Bau von Straßen, über die Reparatur von Straßen und so fort.
Wenn wir darüber reden, sind wir in der ganz normalen Struktur von Arbeit, die im Bundesbereich bisher relativ wenig auffällig geworden ist, das heißt Korruptionsfälle in Kommunen, Korruptionsfälle auf Landesebene sind wesentlich häufiger. Aber das heißt doch nicht, dass im Bundesbereich, eben bei den Autobahnenverwaltungen und so weiter, so etwas nicht vorkommen kann.
Heuer: Trotzdem noch mal die Frage: Könnten andere Ressorts betroffen sein und wenn Ja, welche?
Elshorst: Ich würde sagen, alle Ressorts und deren nachgeordneten Felder, die im Bereich der öffentlichen Vergabe tätig sind, sind potentiell betroffen. Weil öffentliche Vergabe ist ein Thema, indem fast nie Korruption ganz ausgeschlossen werden kann. Ja, welche? Dann ist das zum Beispiel das Verteidigungsministerium, das also weltweit neben dem Baubereich auch durchaus einschlägig vorbelastet ist.
Heuer: Der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt spricht von Ansätzen zur organisierten Kriminalität. Hat er recht?
Elshorst: Korruption in dieser Größenordnung, wie ich sie auch unterstellen würde, obwohl sie in diesen Fällen bisher noch nicht auftaucht, sind natürlich organisierte Kriminalität in dem Sinne, dass es Netzwerke gibt, längerfristige Vorbereitungen, der Versuch, alle Risiken aus der Sicht der Korrupten auszuschalten. Das sind Tatbestände, die man unter diesem Begriff subsumieren kann. Noch mal: Das, was wir bisher wissen, rechtfertigt das nicht. Ein Beratervertrag bei einer Firma ist natürlich keine organisierte Kriminalität, sondern ist leider eine relativ kleine Geschichte.
Heuer: Jetzt haben wir analysiert, die Lage analysiert. Was müsste denn geändert werden, Herr Elshorst?
Elshorst: Es müsste zunächst einmal sichergestellt sein, ich hoffe, das ist, dass sämtliche Kompetenz, die wir in der Republik haben zur Kontrolle dieser Geschichten, tatsächlich auch hier im Verkehrsministerium vorhanden ist. Also, da braucht das Verkehrsministerium nur mal abzugleichen mit der Deutschen Bahn, die unter anderem, durch uns beraten, vor einigen Jahren Verfahren eingeführt hat, die dann zu wesentlich größeren Aufdeckungsraten gekommen sind. Die kommen hin und wieder auch mal in die Medien. Auch dann sagen wir, das ist doch gut so, dass das aufgedeckt worden ist. Dadurch entsteht doch erst der Abschreckungseffekt. Dunkelziffern sind das Schlimmste, was uns passieren kann.
Heuer: Wenn ich da kurz einhacken darf? Manfred Stolpe lobt nun aber gerade sein Ressort wegen der erfolgreichen Innenrevision.
Elshorst: Ich kann das natürlich nicht abschließend beurteilen, weil ich nicht weiß, ob das alles Fälle sind, die die Innenrevision aufgetan hat. Wenn das so wäre, dann könnte ich das Lob nicht verstehen. Ich glaube, in dieser Größenordnung, um die es da geht, müsste eigentlich mehr aufgedeckt werden.
Heuer: Kompetenz ist das eine, Gesetzeslücken, mögliche Gesetzeslücken vielleicht das andere. Es gibt keine wirksame Regelung über Amtsuntreue und Amtshaftung in der Bundesrepublik und es gibt auch das umstrittene Informationsfreiheitsgesetz immer noch nicht. Wären das zwei Dinge, die Sie fordern?
Elshorst: Das Informationsfreiheitsgesetz ist aus unserer Sicht nicht umstritten, sondern höchst überfällig, weil wir ungefähr das letzte Land sind unter den Industrieländern, in denen solche Dinge, über die wir jetzt reden, Vergaben von öffentlichen Anträgen und viele andere Verwaltungsakte, grundsätzlich vertraulich sind. Wir glauben, wir müssten grundsätzlich transparent und offen sein. Wenn wir das wären, dann könnten viel mehr Leute als die einigen wenigen, die in einer solchen Innenrevision beschäftigt werden, sich mit Verdachtfällen beschäftigen.
Jeder Bürger, jeder kompetente Bürger könnte fordern, dass ihm Akten vorgelegt werden, um zum Beispiel die Vergabe der von mir vorhin genannten Räummaschinen für Schnee oder was auch immer zu überprüfen. Das wäre außerordentlich wirkungsvoll, das Parlament arbeitet daran, das nun bald vorzulegen und wir hoffen, dass das in einer Form passiert, die auch wirksam ist.
Heuer: Weitere Gesetzeslücken?
Elshorst: Wir glauben, dass in Deutschland Unternehmen, die sich korruptiv verhalten, nicht genügend Risiko eingehen. In Deutschland gibt es kein Strafrecht, das Unternehmen trifft, sondern nur die Mitarbeiter. Wir fordern deswegen einen Abschreckungsmechanismus. Der nennt sich Zentralregister, in dem Unternehmen, die den Versuch gemacht haben zu schmieren, dann aufgenommen werden und deswegen in Zukunft bei neuen Vergabeformen große Schwierigkeiten haben. Dieses so genannte Zentralregister wäre eine weitere Form, Transparenz zu schaffen, nämlich Transparenz über den Versuch von Unternehmen, im öffentlichen Bereich zu schmieren. Das wäre dann eine weitere abschreckende Wirkung.
Heuer: Damit sich die Bürger eine Vorstellung machen können, Herr Elshorst, wo liegt Deutschland bei Korruption im internationalen, sagen wir mal, im europäischen Vergleich?
Elshorst: Wenn man es in Europa oder mit den europäischen und sonstigen Industrieländern vergleicht, im Mittelfeld. Auf Platz 15 unseres Korruptionsindexes und das heißt im Mittelfeld der westeuropäischen, USA, Kanada und so weiter Staatengruppe.
Heuer: Hansjörg Elshorst, der Vorsitzende von Transparency International.
Heuer: Manfred Stolpe, wir haben es gehört, möchte nicht von einem Eisberg sprechen, von der Spitze eines Eisbergs. Sie schon, Herr Elshorst?
Elshorst: Frau Heuer, wir wissen natürlich nicht mehr als der Minister und als die Medien. Wir glauben, dass man sich um das, was man weiß, kümmern muss. Aber wenn man es mal vergleicht mit den Volumina, um die es da geht, zehn Milliarden Euro Investitionssummen über fünf Jahre, es könnten 50 Milliarden Euro sein, sind das eher Lappalien. Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss.
Ich glaube in der Tat, dass bei einem solchen Investitionsvolumen, wesentlich schlimmere Dinge irgendwo stecken müssen. Dass sie da stecken, ist nicht etwa das Versäumnis des Ministeriums oder schlechter Steuerung. Selbst bei bester Steuerung, wenn ich die mal unterstelle, wäre das unvermeidlich in einem Sektor, der weltweit führend ist im Korruptionsbereich.
Heuer: Das heißt, wir müssen uns in, in Anführungszeichen, "reichen" Bundesministerien mit Korruption abfinden?
Elshorst: Wir müssen uns nicht damit abfinden. Aber wir sollten uns auch nicht der Illusion hingeben, dass diese Bundesministerien, also unser Verkehrsministerium das einzige in der Welt und in Deutschland ist, wo ein solches Volumen nicht tatsächlich auch zu Missbrauch führt. Und der ist in einer ganz anderen Größenordnung.
Meine Frage ist: Sind das tatsächlich alle Fälle, die die Innenrevision in fünf Jahren aufgedeckt hat, dann würde ich mich fragen, ist sie gut genug? Vermutlich sind es nicht alle Fälle und insofern kann ich das natürlich mit dem heutigen Informationsstand nicht abschließend beurteilen. Aber sich darüber jetzt politisch zu erregen, ist eigentlich eher kontraproduktiv, weil, was da passiert ist, ist das Normalste von der Welt: Dass eine Innenrevision tatsächlich Fälle findet und dass die auch öffentlich werden. Ich hoffe, in der richtigen Form.
Heuer: Herr Elshorst, das klingt, als sei Korruption in den Ministerialbehörden inzwischen gang und gäbe? Welche Ministerien kommen denn da noch in Frage, wenn Sie schon glauben, dass das im Verkehrsministerium noch viel schlimmer ist als bisher bekannt?
Elshorst: Frau Heuer, zunächst einmal muss man wirklich unterstreichen, wir reden nicht von Korruption im Ministerium, sondern im Geschäftsbereich des Verkehrsministers. Ich glaube, kaum einer dieser Fälle dürfte im Ministerium angesiedelt sein, weil die ja nicht die Vergabe machen. Sondern die entscheiden über die politischen Rahmenbedingungen und so weiter. Aber wir reden über Autobahnverwaltungen und so weiter und so weiter. Über Einkauf von Streuwagen und all das, darüber reden wir. Natürlich über den Bau von Straßen, über die Reparatur von Straßen und so fort.
Wenn wir darüber reden, sind wir in der ganz normalen Struktur von Arbeit, die im Bundesbereich bisher relativ wenig auffällig geworden ist, das heißt Korruptionsfälle in Kommunen, Korruptionsfälle auf Landesebene sind wesentlich häufiger. Aber das heißt doch nicht, dass im Bundesbereich, eben bei den Autobahnenverwaltungen und so weiter, so etwas nicht vorkommen kann.
Heuer: Trotzdem noch mal die Frage: Könnten andere Ressorts betroffen sein und wenn Ja, welche?
Elshorst: Ich würde sagen, alle Ressorts und deren nachgeordneten Felder, die im Bereich der öffentlichen Vergabe tätig sind, sind potentiell betroffen. Weil öffentliche Vergabe ist ein Thema, indem fast nie Korruption ganz ausgeschlossen werden kann. Ja, welche? Dann ist das zum Beispiel das Verteidigungsministerium, das also weltweit neben dem Baubereich auch durchaus einschlägig vorbelastet ist.
Heuer: Der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt spricht von Ansätzen zur organisierten Kriminalität. Hat er recht?
Elshorst: Korruption in dieser Größenordnung, wie ich sie auch unterstellen würde, obwohl sie in diesen Fällen bisher noch nicht auftaucht, sind natürlich organisierte Kriminalität in dem Sinne, dass es Netzwerke gibt, längerfristige Vorbereitungen, der Versuch, alle Risiken aus der Sicht der Korrupten auszuschalten. Das sind Tatbestände, die man unter diesem Begriff subsumieren kann. Noch mal: Das, was wir bisher wissen, rechtfertigt das nicht. Ein Beratervertrag bei einer Firma ist natürlich keine organisierte Kriminalität, sondern ist leider eine relativ kleine Geschichte.
Heuer: Jetzt haben wir analysiert, die Lage analysiert. Was müsste denn geändert werden, Herr Elshorst?
Elshorst: Es müsste zunächst einmal sichergestellt sein, ich hoffe, das ist, dass sämtliche Kompetenz, die wir in der Republik haben zur Kontrolle dieser Geschichten, tatsächlich auch hier im Verkehrsministerium vorhanden ist. Also, da braucht das Verkehrsministerium nur mal abzugleichen mit der Deutschen Bahn, die unter anderem, durch uns beraten, vor einigen Jahren Verfahren eingeführt hat, die dann zu wesentlich größeren Aufdeckungsraten gekommen sind. Die kommen hin und wieder auch mal in die Medien. Auch dann sagen wir, das ist doch gut so, dass das aufgedeckt worden ist. Dadurch entsteht doch erst der Abschreckungseffekt. Dunkelziffern sind das Schlimmste, was uns passieren kann.
Heuer: Wenn ich da kurz einhacken darf? Manfred Stolpe lobt nun aber gerade sein Ressort wegen der erfolgreichen Innenrevision.
Elshorst: Ich kann das natürlich nicht abschließend beurteilen, weil ich nicht weiß, ob das alles Fälle sind, die die Innenrevision aufgetan hat. Wenn das so wäre, dann könnte ich das Lob nicht verstehen. Ich glaube, in dieser Größenordnung, um die es da geht, müsste eigentlich mehr aufgedeckt werden.
Heuer: Kompetenz ist das eine, Gesetzeslücken, mögliche Gesetzeslücken vielleicht das andere. Es gibt keine wirksame Regelung über Amtsuntreue und Amtshaftung in der Bundesrepublik und es gibt auch das umstrittene Informationsfreiheitsgesetz immer noch nicht. Wären das zwei Dinge, die Sie fordern?
Elshorst: Das Informationsfreiheitsgesetz ist aus unserer Sicht nicht umstritten, sondern höchst überfällig, weil wir ungefähr das letzte Land sind unter den Industrieländern, in denen solche Dinge, über die wir jetzt reden, Vergaben von öffentlichen Anträgen und viele andere Verwaltungsakte, grundsätzlich vertraulich sind. Wir glauben, wir müssten grundsätzlich transparent und offen sein. Wenn wir das wären, dann könnten viel mehr Leute als die einigen wenigen, die in einer solchen Innenrevision beschäftigt werden, sich mit Verdachtfällen beschäftigen.
Jeder Bürger, jeder kompetente Bürger könnte fordern, dass ihm Akten vorgelegt werden, um zum Beispiel die Vergabe der von mir vorhin genannten Räummaschinen für Schnee oder was auch immer zu überprüfen. Das wäre außerordentlich wirkungsvoll, das Parlament arbeitet daran, das nun bald vorzulegen und wir hoffen, dass das in einer Form passiert, die auch wirksam ist.
Heuer: Weitere Gesetzeslücken?
Elshorst: Wir glauben, dass in Deutschland Unternehmen, die sich korruptiv verhalten, nicht genügend Risiko eingehen. In Deutschland gibt es kein Strafrecht, das Unternehmen trifft, sondern nur die Mitarbeiter. Wir fordern deswegen einen Abschreckungsmechanismus. Der nennt sich Zentralregister, in dem Unternehmen, die den Versuch gemacht haben zu schmieren, dann aufgenommen werden und deswegen in Zukunft bei neuen Vergabeformen große Schwierigkeiten haben. Dieses so genannte Zentralregister wäre eine weitere Form, Transparenz zu schaffen, nämlich Transparenz über den Versuch von Unternehmen, im öffentlichen Bereich zu schmieren. Das wäre dann eine weitere abschreckende Wirkung.
Heuer: Damit sich die Bürger eine Vorstellung machen können, Herr Elshorst, wo liegt Deutschland bei Korruption im internationalen, sagen wir mal, im europäischen Vergleich?
Elshorst: Wenn man es in Europa oder mit den europäischen und sonstigen Industrieländern vergleicht, im Mittelfeld. Auf Platz 15 unseres Korruptionsindexes und das heißt im Mittelfeld der westeuropäischen, USA, Kanada und so weiter Staatengruppe.
Heuer: Hansjörg Elshorst, der Vorsitzende von Transparency International.
