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Alle fünf Jahre wieder

Dolmetscher und Übersetzer, die im Justizwesen arbeiten wollen, müssen sich zuvor vom zuständigen Oberlandesgericht vereidigen lassen. Das ist gängige Praxis. Doch nun sorgt ein neues Gesetz in NRW für Unruhe.

Von Stephanie Kowalewski | 12.03.2010
    Joachim Bartoschek ist seit 35 Jahren als Dolmetscher und Übersetzer für die polnische Sprache beeidigt beziehungsweise ermächtigt. Nur dank seinem Status als sogenannter "Dolmetscher und Übersetzer in der Justiz" erhalten die von ihm übersetzten Geburtsurkunden, bilateralen Geschäftsverträge oder amtlichen Dokumente eine Rechtsgültigkeit. Dieser Status ist also durchaus ein Qualitätsmerkmal.

    Baroschek: "Die Ermächtigung, die ich damals bekommen habe, die war unbefristet. Und so schätzte ich das auch."

    Doch damit ist es nun vorbei. Ende dieses Jahres laufen alle derzeit bestehenden Beeidigungen und Ermächtigungen für Dolmetscher und Übersetzer in NRW aus. Wollen sie den Status nicht verlieren, müssen sie ihre fachliche und persönliche Eignung erneut nachweisen – und zwar ab jetzt alle fünf Jahre, sagt Ulrich Egger, Richter und Sprecher am Oberlandesgericht Düsseldorf:

    "In der Vergangenheit war es so, dass man praktisch nur seine Fremdsprachenkenntnisse nachweisen musste, jetzt mit Inkrafttreten des Gesetztes ist es so, dass man auch die deutsche Rechtssprache kennen muss und das auch entsprechend nachweisen muss."

    Bei denjenigen, die bereits für die Justiz gearbeitet haben, reichen zum Nachweis der Sprachkompetenz Kopien der Hochschul– oder IHK-Zeugnisse. Wie hingegen belegt werden soll, dass die deutsche Rechtssprache beherrscht wird, ist unklar, denn die drei NRW-Oberlandesgerichte handhaben das unterschiedlich. Während in manchen Fällen ein spezieller Kurs samt Prüfung nachgewiesen werden muss, reichte Joachim Bartoschek sein guter Leumund:

    "Dadurch, dass ich Bescheinigungen von Richtern erhalten habe, die mich live erlebt haben."

    Wichtiger als der Nachweis der sprachlichen Eignung sei jedoch die Prüfung der persönlichen Qualifikation, betont Ulrich Egger:

    "Es kann ja sein, dass ein Dolmetscher Straftaten begangen hat in den letzten fünf Jahren, das würde man dann am Auszug des Bundessozialregisters auslesen können. Oder möglicherweise hat der Dolmetscher auch viele Schulden gemacht. Sodass er im Insolvenzverzeichnis ist oder im Schuldnerverzeichnis. Dies wären Umstände, die dazu führen könnten, dass man die Ermächtigung nicht wieder erneuern würde."

    Joachim Bartoschek hält inzwischen seine erneuerte Ermächtigung - ein schmuckloses DinA4-Blatt - in der Hand. Dennoch ist er verärgert:

    "Das Problem ist die wiederholte Beantragung der Verlängerung. Warum? Wenn ich einmal eine Qualifikation nachweise, dann habe ich die für immer. Die muss ich nicht immer wieder aufs Neue beweisen."

    Das sieht auch der Fachverband der Berufsübersetzer und Berufsdolmetscher Aticom so, sagt die stellvertretende Vorsitzende Dragoslava Gradincevic. Zwar befürwortet Aticom, dass aus Gründen der Qualitätssicherung auch bereits bestehende Beeidigungen und Ermächtigungen einmal gründlich geprüft werden:

    "Aber nach dieser Grundprüfung stellt sich die Frage, warum soll es alle fünf Jahre abgefragt werden. Es kommt ja auch keiner auf die Idee, einen Rechtsanwalt, wenn er dann einmal seine Staatsprüfung abgelegt hat, noch mal zu prüfen alle fünf Jahre."

    Ulrich Egger vom Oberlandesgericht Düsseldorf hält dagegen, dass es bei Anwälten und Notaren beispielsweise eine automatische Mitteilung an die entsprechenden Behörden gebe, wenn sie sich etwas zu schulden kommen ließen:

    "Eine entsprechende Mitteilungspflicht gibt es meines Wissens für Dolmetscher und Übersetzter nicht."

    Und deshalb sei die Überprüfung alle fünf Jahre eine gute und keineswegs außergewöhnliche Sache, urteilt Egger. Im NRW-Justizministerium hieß es auf Anfrage außerdem, dass durch die neue Regelung die bundesweite Onlinedatenbank, in der alle beeidigten und ermächtigten Dolmetscher und Übersetzer aufgeführt sind, aktuell bliebe. Auf diese Liste können die Richter bei Bedarf zurückgreifen, wenn sie einen Dolmetscher und Übersetzter brauchen.

    "Das ist reine Theorie."

    Sagt Dragoslava Gradincevic, denn die Richter sind nicht an die Liste gebunden. Sie können laden, wen sie möchten. Derjenige muss dann zwar für das spezielle Verfahren vom Richter vereidigt werden, doch welche Qualitätskriterien der Richter dazu anlegt, ist allein seine Sache. So etwas käme im Alltag leider sehr häufig vor, sagt die Aticom-Vertreterin:

    "Da muss man sich doch fragen, wozu das ganze Gesetz, wozu der ganze Aufwand, der nicht unerhebliche Kosten mit sich bringt. Denn sie bezahlen für jede Sprache und jede Kombination. Das heißt einmal als Dolmetscher, einmal als Übersetzter und pro Sprache. Also in meinem konkreten Fall, mit meinen sechs Sprachen, bin ich bei 600 Euro. Alle fünf Jahre."

    Doch dabei wird es zunächst bleiben, denn so schreibt es das Gesetz vor. Der Berufsverband will sich jedoch weiterhin beim NRW-Justizministerium um eine Änderung bemühen. Man sei im Gespräch, sagt Dragoslava Gradincevic.