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Alle Jahre wieder…

Sie gehören zu Weihnachten wie Lebkuchen und Tannenbaum, die Weihnachtslieder. Aber woher kommen die so oft gesungenen deutschen Lieder eigentlich? Die Spuren führen unter anderem nach Thüringen.

Von Sabine Wuttke | 30.11.2008
    "Eines der bekanntesten Weihnachtslieder hat in Weimar seinen Ursprung. Wer weiß es, wie heißt das Lied?
    Du weißt es, wie heißt das Lied?
    Alle Tage wieder. Lachen
    Alle Jahre wieder - könnte sein. Wer hat noch einen anderen Vorschlag? Wer weiß es, mal Hand hoch. Hier meldet sich noch jemand. Wer hat noch einen anderen Vorschlag?
    Nikolaus, pack die Taschen aus. Lachen
    Na, nicht ganz.
    O, Tannenbaum, nein, das ist auch nicht ganz richtig.
    Sagen Sie's ganz laut. Vielleicht mal alle zusammen. O, du fröhliche. Genau. O, du fröhliche", eines der bekanntesten Weihnachtslieder kommt aus Weimar. "

    Hätten Sie es gewusst? Johann Daniel Falk hat es 1816 geschrieben. Aber nur den Text. Die Melodie hat er sich "ausgeliehen" bei Johann Gottfried Herder. Der hatte Lieder und Melodien gesammelt, unter anderem auch das sizilianische Fischerlied "O sanctissima". Diese Melodie aus Italien und der Text von Falk ergaben das neue Lied "o, du fröhliche".1797 zog Falk nach Weimar. Ein anderer, bereits in der Residenzstadt lebender Dichter hatte ihm den Umzug vorgeschlagen. Der Thüringer Andreas Freyer hat heraus gefunden :

    "Wieland hatte ihn eingeladen, nach Weimar zu kommen und gesagt, der Fürstenhof ist interessiert an Literaten, und dann kam er jung verheiratet nach Weimar und zog in dieses Haus hier am Markt."

    An dem quadratischen Markt steht nicht nur das Wohnhaus von Falk aus dem 19. Jahrhundert, hier gruppieren sich auch Renaissancegebäude, das Haus von Lucas Cranach, d. Ä., Bürgerhäuser aus dem 18. Jahrhundert, das illuminierte dreigeschossige Rathaus von 1841 mit seinem Turm und Glockenspiel aus Meißner Porzellan. Günter Schwarze aus Dresden hat dafür bekannte Weihnachtslieder eingespielt, natürlich auch "o, du fröhliche".

    Dieses Glockenspiel passt zu dem Weimarer Weihnachtsmarkt der leisen Töne, wo es in den tannengeschmückten Buden mundgeblasenen Baumschmuck aus dem nahen Lauscha gibt, Stollen und Lebkuchenhäuser, Keren und Adventskränze aus Tanne, Holzspielzeug und erzgebirgische Räuchermänner, Pyramiden, Glühwein und Waffeln, natürlich Thüringer Rostbratwürste, ein Kinderkarussell, einen Glasbläser, der seine Kunst vorführt. Wie selbstverständlich steht in der Mitte des Marktes die von unzähligen Lichtern erleuchtete Tanne.

    Vor gut 200 Jahren war das ein Novum. Damals war der Weihnachtsmarkt in Weimar der erste mit einem Weihnachtsbaum auf dem Markt. Der Hofbuchhändler Hoffmann hatte die Idee dazu. Er ließ die Tanne für die Armen der Stadt aufstellen, die sich keinen eigenen Baum leisten konnten. Der Brauch verbreitete sich von hier aus auf der ganzen Welt. Genauso wie das Lied "O, du fröhliche". Der Chor der Handwerker der Stadt singt übrigens das italienische Original

    "O, sanctissima ... . "

    Auch das nächste Lied gehört zu den häufig gesungenen und gespielten. Seinen Ursprung hat es in der Nähe von Gotha. Am Horizont zeichnet sich der Bergrücken des Thüringer Waldes ab mit dem Inselsberg, dem Großen Beerberg. Auf der anderen Seite der Boxberg, ganz in der Nähe die Autobahn, deren Brücke das Leinatal überspannt. Leina - der Geburtsort von Wilhelm Hey, Dichter von Fabeln und Liedern. "Vöglein im hohen Baum", "Fuchs, du hast die Gans gestohlen", "Weißt du, wie viel Sternlein stehen" und - "Alle Jahre wieder" hat er geschrieben. Und die Kinder seines Geburtsortes Leina bei Gotha kennen und singen sie:

    Beate Petz, unterrichtet an der Grundschule in Schöna vor dem Walde, die auch die Kinder aus Leina besuchen. In Heimatkunde lernen die Kinder den Dichter kennen:

    "Erst mal bringe ich immer ein Foto mit, damit sie wissen, wie der Mann ausgesehen hat, und ich versuche auch immer, den Kindern nahe zu bringen, dass er ein ganz bescheidener Mensch war, uneigennützig gehandelt hat, vielen geholfen hat, vor allem auch Kindern geholfen hat auf dem Weg ins Leben. "

    Für die neunjährige Franziska Schmidt ist wichtig

    "dass er ganz viele Kinder glücklich gemacht hat durch seine Lieder.
    Dich auch?
    Ja."

    Der zehnjährige Maximilian Becht weiß,

    " ... dass er den Bauernjungen auch was beigebracht hat, Lesen und Schreiben."

    Der achtjährige Felix Reinhardt :

    "Ich weiß noch, dass er neben der Kirche gewohnt hat in Leina."

    Lebendige Erinnerung an einen Mann, der von 1789 bis 1854 gelebt hat. Seine Kindheit verbrachte er in dem kleinen Dorf, heute nur fünf Autominuten von Gotha entfernt. Ein Dorf ist Leina noch immer mit seinen 800 Einwohnern. 200 davon sind dazu gekommen, haben sich in einer neuen Siedlung am Ortsrand ihre schmucken Einfamilienhäuser gebaut. Hier trägt auch eine Straße den Namen von Wilhelm Hey. Es ist die längste Straße von Leina. Im alten Ortskern, am Pappeleckchen fließen die Leina und das Altenwasser zusammen. Ein historischer Ort, wie Dieter Vogel, der 80jährige Ortschronist erklärt:

    "Früher hat vermutlich hier ein Edelhof gestanden, der befestigt war und der den Mittelpunkt des Dorfes gebildet hat. "

    Auf dem Flüsschen tummeln sich Enten, Gänse sind dabei. Die Straße, die den Ort durchquert, verläuft parallel dazu. Zur Kirche sind es nur ein paar Schritte. Deren Turm stammt aus dem 10./11. Jahrhundert, wurde aus Kalk- und Sandsteinen erbaut, das Kirchenschiff im 18. Jahrhundert erweitert. Ein Tonnengewölbe, hell gestrichen, eine Empore mit Orgel. Der Vater von Wilhelm Hey hat hier als Pastor gepredigt, der kleine Wilhelm wurde in dieser Kirche getauft. Und zu Weihnachten wird hier auch "sein" Weihnachtslied erklingen.
    Weiter geht die Reise in den Süden des Thüringer Waldes in die Nähe von Suhl ...

    Goldlauter-Heidersbach bei Suhl zieht sich am Berg hinauf bis auf 546 m Höhe. Ein typisches Thüringer Dorf mit Einfamilienhäusern, traditionellen und neu gebauten, fast alle aber mit dunklem Schiefer gedeckt, oder an den Giebeln verblendet. Knapp 3.000 Leute wohnen hier und wenn es richtig schneit, dann, so erzählt Ortsbürgermeister Bertram Weiß stolz, kann man nicht bloß Schneemann bauen. Schon jetzt stapfen wir durch den Schnee.

    "Wir haben hier bei uns 50, 70 km gespurte Loipe, wir haben hier den längsten Skilift in ganz Thüringen, den Salzberglift. Man kann hier bei uns in den Bauden auch einziehen, kann hier schön den Abend verbringen. Da wird mit Glühwein und Musik gespielt."
    Ihr Hausberg ist der höchste Berg Thüringens, der Große Beerberg mit 984 Metern.
    Es gibt noch viel mehr Gründe, diesen kleinen Ort zu besuchen. Schließlich wurde 1780 hier der Schöpfer des bekanntesten aller Weihnachtslieder geboren, Ernst Gebhard Anschütz ..

    Der Heimatchor singt es in der kleinen schieferverkleideten Kirche, die ganz oben, fast am Ende des Ortes steht. Die Pastorin, Ulrike Reichardt, ist dazu gekommen und überrascht mit Details aus der Geschichte des Liedes

    "Das ist ja so was wie unsre Nationalhymne. Übrigens ist die Melodie des Liedes tatsächlich auch die Melodie einer Hymne eines kleinen Gebietes in den USA. "My Maryland, my Maryland" heißt es dort. Und das Lied selbst hat auch eine sehr interessante Geschichte. Herr Anschütz hat die Melodie eines Bauernkriegsliedes genommen und hat sein "O Tannenbaum" dazu gedichtet. "

    Ein Lied mit einer sehr wechselvollen Geschichte also. Für Ulrike Reichardt gehört es jedoch nach Goldlauter-Heidersbach und sonst nirgends hin.

    "Weil wir zwischen den Tannenbäumen hier wohnen und ja hier auch bestehen bei rauem Wetter in der Nähe des Rennsteigs. Mein Vorgänger, der hier lange Pfarrer war, der hat immer behauptet, dass Ernst Anschütz, wenn er Heimweh hatte nach Goldlauter-Heidersbach dieses Lied gesungen hat."

    Texte und Melodien dieser bekannten Weihnachtslieder kennen Sie, haben aber an Ihr Lieblingslied nur noch vage Erinnerungen? Für diese nicht seltenen Fälle gibt es im österreichischen Graz eine Institution.
    Dieses Männerquartett, das auf dem Mehlplatz für die Besucher des Weihnachtsmarktes singt, kann die Texte der Lieder auswendig. Was aber machen all diejenigen, bei denen es nur für die erste Strophe reicht ? Für sie gibt es das Büro für Weihnachtslieder. Es ist die erste Adresse ...

    " ... für all jene, die sich zu Weihnachten nicht auskennen, die nicht wissen, wie der Text von irgendeinem Lied geht, das sie zu Weihnachten früher mit ihrer Mutter gesungen haben zum Beispiel. Die kommen hierher und fragen uns nach einem Weihnachtslied und wir können ihnen meistens weiter helfen. "

    Seit 1991 gehört das Büro zum Adventsmarkt in Graz. Auch Elisabeth Leitner bestätigt, dass es meistens ab der zweiten Strophe hapert. Fast alle der täglichen 20 bis 30 Anrufer fragen danach. Bei den E-mails kommen zwei Drittel übrigens aus Deutschland. Und die leisten den Offenbarungseid sogar bei den bekanntesten Liedern wie "Stille Nacht, heilige Nacht" oder "Oh, du fröhliche". Am besten bedient sind natürlich die Grazer selbst. Sie genießen den unschlagbaren Luxus, sich das vergessene Lied einfach mal vorsingen zu lassen:

    Ein Service, der keine Wünsche offen lässt. Aber einiges an Kompetenz voraussetzt. Deshalb ist die 26jährige Elisabeth Leitner - von Beruf Musiklehrerin - eine Idealbesetzung.

    "Ich bin von klein auf mit Musik groß geworden. Ich habe mit meinen Eltern, meinen Großeltern immer gesungen, und musiziert, i denke mal, das prägt."

    Von rund 7000 Weihnachtsliedern sind die Texte und Melodien im Weihnachtsliederbüro zusammen getragen worden, ganze Regale voller Bücher und Noten, darunter auch spanische, englische. Außerdem heißt es auch hier ganz pragmatisch:

    "Es lebe der Computer, Lachen. Also, es gibt ein Verzeichnis, wo viele Sachen eingetragen sind und wo man nachschauen kann. "

    Was aber passiert, wenn nur ein paar Zeilen Text und nur ein Melodiefetzen in Erinnerung geblieben sind?

    "Hm, wenn man gar nichts weiß, dann ist es schwierig, da kann man darauf hoffen, dass eine Mitarbeiterin von uns den Text schon irgendwo einmal gehört hat oder das Weihnachtslied kennt. "

    Jedes Jahr bis zum 23. Dezember- auch im nächsten - beantworten Elisabeth Leitner und ihre Kolleginnen vom Büro für Weihnachtslieder Fragen, singen nach oder vor ...

    " "Es hat sich heut eröffnet das himmlische Tor ... .die Engelein, die Bubelen ... " keine Ahnung mehr. "

    Und wenn selbst sie nicht mehr weiter wissen, dann schauen auch sie nach ... Und wer weiß, vielleicht waren ja auch die vier Herren vor ihrem Auftritt auf dem Adventsmarkt - im Büro für Weihnachtslieder ... .