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Alle Macht den Holzmagnaten

Die Coppla, das traditionelle Lied der Sänger in der Provinz El Chaco klingt traurig. Hier, im hohen Norden Argentiniens, sind die Lebensbedingungen hart. Der Boden ist unfruchtbar, viele Gebiete sind versteppt, Wasser ist knapp. Es gibt kaum Straßen, Schulen und noch weniger Arbeit. Die Menschen sind arm. Am schlimmsten trifft es die Indigenas, die indigenen Ureinwohner Argentiniens, auch Aborigines genannt. Zwischen 400.000 und 600.000 Ureinwohner aus 17 verschiedenen Stämmen leben in Argentinien, das damit sogar mehr indigene Bevölkerung aufweist, als Brasilien. Doch erst spät, durch eine Verfassungsänderung im Jahre 1994, wurde ihnen ihre eigene kulturelle Identität und das Recht auf Eigentum gewährt. Und noch immer müssen die Indigenas um das kämpfen, das ihnen am meisten am Herzen liegt: die Erde. In Colonia del Aborigen leben Vicente Ramirez und seine beiden Söhne Pablo und Jacobo vom Stamme der Toba. Die Männer sind die Führer der hiesigen Indigenen-Gemeinschaft. Seit 1996 verfügen ihre rund 600 Mitglieder über einen gemeinschaftlichen Landtitel, einen "titulo communitario" über 20.000 Hektar. Eigentlich hatte die argentinische Regierung den Leuten aus Colonia del Aborigen noch mehr versprochen - bis ein Privatmann auf dieses Land Besitzanspruch erhob. Und die Regierung wurde vertragsbrüchig, sagt Jacobo Ramirez.

Von Monika Hoegen |
    Zuerst haben wir gedacht, es gäbe überhaupt kein Problem und wir haben die Unterlagen zum Landtitel nicht richtig angeschaut. Doch dann sind wir aufgewacht und wir haben gemerkt, dass es nicht so war und dass Land fehlte, 2500 Hektar. Und die Gemeinde war natürlich damit nicht einverstanden. Wir haben angefangen, die Regierung zu befragen, wie es zu dieser Abweichung kommt. Denn uns fehlt jetzt Land für unsere Söhne, unsere Enkelkinder und so weiter. Bis heute haben wir nichts erreicht und setzen unseren Kampf fort.

    Ob die Klagen von Vicente, Pablo und Jacobo Ramirez sowie anderen Indigena-Gemeinden gegen den argentinischen Staat irgendwann Erfolg haben werden, ist fraglich. Schließlich geht es bei der umstrittenen Landvergabe vor allem um Geld, viel Geld. Denn in den Indigena-Gebieten wachsen wertvolle Baumarten, unter anderem der Algarrobo, der Johannisbrotbaum. Die Einheimischen schätzen ihn als Schattenspender und seiner essbaren Früchte wegen. Doch ausländische Investoren sehen den Algarrobo vor allem als begehrte Ware auf dem internationalen Holzmarkt. Ordensschwester Iliana aus Italien lebt seit Jahren mit den Indigenas im Norden Argentiniens zusammen und kennt die Situation.

    Das ist hier eine Region mit vielen natürlichen Ressourcen: Algarrobo, quebracho. Und es gibt viele Holzfirmen, die daran Interesse haben. Vor einigen Jahren gab es einen großen Kampf. Man wollte den Abtransport von Holz aus dieser Region begrenzen. Aber wir wissen nicht, wie es heute in Wirklichkeit aussieht, mit diesem Raub, diesem Beutezug. Was ist passiert? Wir beobachten seit Jahren im Campo Grande, im Herzen des Indigenen-Reservates, dass die Holzfäller nicht wieder aufforsten. Es kommt zur Versteppung. Dadurch erhöht sich die Unfruchtbarkeit des Bodens, er wird schlecht, man kann kaum noch etwas anpflanzen. In dem man den Algarrobo-Baum fällt, nimmt man den Leuten hier, den Indigenas und den kreolischen Landeinwohnern, die Früchte des Baumes weg. Diese Früchte aber gehören für die Leute hier und auch für die Tiere zur Hauptnahrung. All das nur wegen einer großen Geschäftemacherei.

    Für die Indigenas, denen der Johannisbrotbaum heilig ist, bedeutet die Abholzung überdies ein Sakrileg. Die Erde und die Natur insgesamt wird nicht nur als Nahrungsspender betrachtet, sondern als ein Geschenk, das es zu bewahren gilt. Auch die argentinische Regierung und die großen Holzfirmen wissen das. Und sie fürchten: Wo immer große Ländereien an die Indigenas vergeben werden, da ist es mit dem ungehemmten Abholzen vorbei. Teresa Acevero, kämpft als Referentin der katholischen Sozialpastoral in der Provinzstadt Roque Saenz Peña, an der Seite der Indigenas gegen die Umweltzerstörung.

    In unserer Region hat die Zivilisation keinen Fortschritt gebracht - im Gegenteil. Und wo es Fortschritt gab, musste dafür ein hoher Preis bezahlt werden. Viele Gegenden sind zur Wüste geworden, weil es keine Bäume mehr gibt, es fällt weniger Regen, der Grundwasserspiegel ist gesunken, das Wasser ist übersäuert. Wenn man das zerbrechliche Gleichgewicht zerstört, zerstört man auch die Möglichkeit, dass die Menschen hier weiter leben können.