Archiv


"Allein können wir das nicht schaffen"

Für den britischen Botschafter Michael Arthur ist eine Beteiligung der USA, Chinas und Indiens am Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls unabdingbar. Andernfalls rücke das Erreichen von vereinbarten Klimaschutzzielen in weite Ferne.

Michael Arthur im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Zu Beginn des Interviews mit dem britischen Botschafter in Deutschland soll es um die Abstimmung der Iren über den Vertrag von Lissabon gehen. Heute also zweiter Versuch auf der Grünen Insel: Wenn die Iren zustimmen, dann werden voraussichtlich auch die Staatsoberhäupter von Polen und Tschechien, Kaczynski und Klaus, ihre Unterschriften unter das Abkommen setzen. Frage also, gestellt vor dieser Sendung an den britischen Botschafter Sir Michael Arthur: Mit welchem Abstimmungsergebnis rechnen Sie?

    Michael Arthur: Wenn ich wüsste, was in einer Demokratie vorkommen würde, wäre ich ein froher Mann, aber ich hoffe sehr, dass diesmal die Iren zustimmen werden. In Großbritannien sind wir große Unterstützer von dem Lissabonner Vertrag, wir waren einer von den ersten, die das ratifiziert haben und ich bin sehr froh, dass Deutschland das auch gemacht hat, und hoffentlich geht es heute in Irland so weiter.

    Heinemann: Die Regierung ist ein Unterstützer, die Briten, Ihre Landsleute, mehrheitlich nicht unbedingt.

    Arthur: Das ist schwer zu beurteilen. Also, wir als Regierung und als Parlament haben wir das durchgesetzt und wir sind dafür, ohne Frage.

    Heinemann: Und würde denn ein irisches Nein in Großbritannien in der Bevölkerung auch für Erleichterung sorgen?

    Arthur: Für uns alle Europäer, ein irisches Nein würde sehr kompliziert sein, dann müssten wir zurück an die jetzigen Verträge kommen und das würde natürlich eine Krise innerhalb Europas machen. Bei uns in der Bevölkerung gibt es einige, die eher skeptisch sind, manche, die das für einen Fehler halten würden, also gemischt bei uns auch. Aber wie gesagt, wir sind große Unterstützer von dem Lissabonner Vertrag und ich hoffe, dass dieser Fall nicht vorkommt.

    Heinemann: Herr Botschafter, Iren und Briten gelten mehrheitlich nicht unbedingt als glühende Verfechter einer europäischen Integration. Wie erklären Sie sich die unterschiedliche Haltung zwischen den Inseln und dem westlichen Kontinent?

    Arthur: Wir sind, ehrlich gesagt, nicht die begeisterten Europäer, die man manchmal hier in Deutschland findet, aber dafür sind wir sehr positiv. Europa ist unsere Heimat, das ist unsere politische und wirtschaftliche Heimat, und wir sind – ich hoffe – gute Mitglieder der Europäischen Union.

    Heinemann: Warum sind die Unterschiede doch messbar oder erkennbar zwischen Inseln und Kontinent?

    Arthur: Dass es Unterschiede gibt, kommt teilweise von unserer Vergangenheit, also wir haben eine globale Orientierung, und das prägt immer noch unsere Aussicht, und wir sind vielleicht ein bisschen globaler vernetzt als die Menschen hier auf dem Festland.

    Heinemann: Herr Botschafter, was erwartet die britische Regierung von der künftigen Bundesregierung?

    Arthur: Wir werden sehen genau wie das jetzt auskommt und wir freuen uns auf die neue Koalition, wenn die Regierung schon auf den Beinen steht, das ist noch ein paar Wochen hin.

    Heinemann: Guido Westerwelle besteht darauf, dass in Pressekonferenzen in Deutschland deutsch gesprochen wird. Ist das Ausdruck teutonischen Selbstbewusstseins, wie eine britische Zeitung schrieb?

    Arthur: Eigentlich haben wir das mit Interesse gesehen, dass er so sagte, er kann sehr gut Englisch, ich vermute ... ich spreche mit ihm immer natürlich deutsch, aber in Deutschland darf man gut deutsch sprechen, wie in Frankreich die Franzosen behaupten, dass man immer französisch spricht. Es ist ...

    Heinemann: Also kein Rückfall in teutonische Reflexe. Herr Arthur, wenn Sie sich das Gezitter an deutschen Wahlabenden anschauen, sind Sie dann froh, dass Sie und Ihre Landsleute nach dem Mehrheitswahlrecht abstimmen?

    Arthur: Jedes Land muss sein eigenes System für sich selbst finden. Bei uns ist das gemischt, für unsere National- ... general elections oder Bundestagswahlen haben wir natürlich dieses einfache Mehrheitssystem und das führt zu sehr einfachen, klaren Mehrheiten und einer Regierung, die ohne Frage die Mehrheit bekommt. Für unsere Europawahl zum Beispiel oder regionale Wahlen, da haben wir Ihr System, das ändert sich langsam in unserem Wahlsystem in Großbritannien. Das deutsche System gilt für Nordirland, für Schottland, für Europawahl, aber nicht für unsere Bundestagswahl.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, ein Interview mit dem britischen Botschafter Sir Michael Arthur. Herr Botschafter, auf der außenpolitischen Agenda in London und in Berlin steht die Klimapolitik. In Kopenhagen sollen neue Ziele formuliert werden. Rechnen Sie mit einer Zäsur in der Weltklimapolitik in Kopenhagen?

    Arthur: Im Dezember müssen wir eine Nachfolge für den Kyoto-Protokoll mit anderen Ländern auch finden auf Vereinten-Nationen-Basis, wobei die Amerikaner, die Chinesen, die Inder, alle, die noch nicht mit uns in Kyoto gearbeitet haben, auch eingebunden werden. Wenn wir diese Länder nicht mit haben, werden wir unsere Ziele für Klimawandel nicht erreichen, das ist völlig klar. Wir Europäer haben eine führende Rolle zu spielen, haben es auch gezeigt, aber allein können wir das nicht schaffen. Herr Brown, unser Premierminister, hat vorgeschlagen in Pittsburgh diese Woche, dass wir insgesamt bis 100 Milliarden Dollar, die Kommission schlägt vor, 100 Milliarden Euro, zur Verfügung stellen könnte, um CO2-arme Projekte im Süden, in Dritte-Welt-Ländern, zu unterstützen.

    Heinemann: Was sind für die britische Regierung ehrgeizige Ziele, was muss erreicht werden in Kopenhagen, sodass man von einem Erfolg sprechen kann?

    Arthur: Erstens, dass alle sich vereinbaren über dieses Ziel von einer Klimaänderung maximal zwei Grad bis 2050. Zweitens, wie gesagt, wir würden eine große Zahl von Geld, also 100 Milliarden haben wir vorgeschlagen, das zur Verfügung stehen sollte, von privaten Bereich, von Regierungsbereich, von vielleicht CO2 capping and trading, wie wir das so nennen, manche Lösungen gibt es, aber viel Geld dafür, dass wir Klimawandlung unterstützen, gegen Klimawandlung. Und drittens, dass alle diese großen Länder, die auch hoffentlich alle in Vereinten-Nationen-Ländern, sich zu einem Ziel von CO2-armer Entwicklung zustimmen.

    Heinemann: In Großbritannien gehört die Atomenergie langfristig zum Energiemix, in Deutschland wird sie definiert als Brückentechnologie.

    Arthur: Ja. Wir haben schon, wie Sie auch, Kernkraftenergie bei uns, wir haben vor einem Jahr eine Entscheidung getroffen, dass wir das weitermachen möchten – vorübergehend natürlich, bis neue Technologien vorhanden sind, aber diese Brücke müsste eigentlich eine Generation dauern. Und wir geben uns viele Mühe, um erneuerbare Energie auch für unsere Stromerzeugung zu einer wichtigen Komponente zu machen. Wir liegen ein bisschen hinter Deutschland zur jetzigen Zeit, aber haben massive Investitionsvorschläge und Projekte vor mit Offshore-Wind insbesondere, aber auch Tide, wir haben viele Möglichkeiten, mit Tide was zu tun. Aber zurück zu Ihrer Frage: Für uns ist Kernkraftenergie auch ein Teil, nur ein Teil, aber ein Teil, ein wichtiger Teil der Mischung. Und das ist eine CO2-arme, sogar sehr arme Technologie, die für Klimawandel sehr vorteilhaft ist. Und das war eines von den großen Argumenten für uns, als wir diese Entscheidung getroffen haben, dass im Klimabereich, im Klimawandelbereich Kernkraftenergie sehr vorteilhaft ist.

    Heinemann: Herr Botschafter, müssen die europäischen Staaten zusätzliche Truppen nach Afghanistan entsenden?

    Arthur: Auf absehbare Zeit sehen wir keine Alternative, diese militärische Unterstützung der afghanischen Armee nun herzugeben, und das wird noch ein paar Jahre dauern.

    Heinemann: Mit mehr europäischen Truppen?

    Arthur: Vielleicht. Diese Entscheidung haben wir noch nicht getroffen, das ist sehr empfindlich in beiden Ländern und es ist auch nicht sehr leicht, denn so viele Truppen stehen nicht zur Verfügung. Aber die Bedrohung und der Bedarf ist da.

    Heinemann: In Ihrem Land wird genauso über Afghanistan diskutiert über den Einsatz, wie in Deutschland auch. Wie lange werden britische Truppen noch dort, am Hindukusch, stehen?

    Arthur: Natürlich wird bei uns debattiert, obwohl ich glaube, die Unterstützung der öffentlichen Meinung bei uns ist vielleicht ein bisschen stärker, nur teilweise, weil wir vor nicht so langer Zeit Anschläge aus Afghanistan in London gehabt haben und die Leute sind sich bewusst, wie stark unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt werden sollte. Das ist für uns leider klar, wegen diesen Terroranschlägen von vor zwei Jahren.